Wissenschaft

#Das BIPAM nimmt Gestalt an – aber welche? – Gesundheits-Check

Bauprojekt BIPAM

Am 4. Oktober hatte das Bundesgesundheitsministerium seine Eckpunkte für ein Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit vorgestellt. Unter dem etwas sperrigen und wenig zukunftszugewandten Namen „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ (BIPAM) soll es zum 1.1.2025 an den Start gehen.

In der Fachöffentlichkeit sind die Eckpunkte des BMG überwiegend ungnädig aufgenommen worden, einer kritischen Stellungnahme folgte die nächste. Gestern hat nun auch das Zukunftsforum Public Health eine Stellungnahme zusammen mit 17 anderen Organisationen veröffentlicht, darunter die wichtigsten Public Health-Fachgesellschaften in Deutschland. Der Tenor dieser konzertierten Aktion der Public Health-Community folgt im Wesentlichen den bereits vorliegenden Stellungnahmen, begründet die Kritik aber etwas ausführlicher.

Man wird sehen, was davon noch Eingang in das Gesetzesvorhaben findet. Das BMG arbeitet mit Hochdruck an der Vorlage eines Gesetzentwurfs. Bisher kursiert nur ein Referentenentwurf, sozusagen ein erster verwaltungsinterner Aufschlag, der sicher noch verändert wird.

Referentenentwurf

Dieser Entwurf folgt in der grundsätzlichen Ausrichtung den Eckpunkten des BMG vom 4. Oktober. Allerdings ist er inhaltlich recht offen angelegt, so dass durchaus Spielräume für eine Berücksichtigung der Anliegen der Fachgesellschaften bestehen.

Im Einleitungsabschnitt heißt es:

„Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit des Bundesinstituts liegt auf der Prävention und der Bekämpfung der nicht übertragbaren Erkrankungen und der Unterstützung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik auf Bundesebene (Gesundheit in allen Politikbereichen – „Health in all Policies“). Dieser bringt erstmalig auf Bundesebene wissenschaftliche und zielgruppenspezifische Erkenntnisse sowie deren begleitender Kommunikation und Evaluation unter einem Dach zusammen.“

§ 2 konkretisiert dies wie folgt:

“Das Bundesinstitut nimmt folgende Aufgaben wahr und unterstützt das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere bei der

o Stärkung der Prävention, insbesondere von nicht übertragbaren Erkrankungen, der Gesundheitsförderung und der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung,
o Stärkung der Öffentlichen Gesundheit durch Kooperation und Vernetzung mit nationalen und internationalen Akteuren der Öffentlichen Gesundheit,
o Unterstützung der evidenzbasierten, zielgruppenspezifischen Gesundheits-, Risiko und Krisenkommunikation im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über nicht übertragbare und übertragbare Krankheiten,
o Erhebung, Konsolidierung, Integration, Bereitstellung und Analyse von Daten mit Relevanz für die Öffentliche Gesundheit, die Gesundheitsberichterstattung, die Evidenzgenerierung, die frühzeitige Identifikation gesundheitlicher Bedarfe, die Entwicklung und Evaluation von Maßnahmen, o wissenschaftlichen Forschung und Zusammenarbeit mit Institutionen auf europäischer und internationaler Ebene,
o Unterstützung bei der Entwicklung von Leitlinien und Standardvorgehensweisen.“

Health in all Policies

Das eröffnet Möglichkeiten, um beim Aufbau des BIPAM über einige der rückwärtsgewandten Stellen, die im Anschluss an die Pressekonferenz des BMG vom 4. Oktober viel Kritik auf sich gezogen haben, z.B. die Akzentuierung eines rein medizinischen Ansatzes mit den Schwerpunkten Krebs, Herzkreislauferkrankungen und Demenz, hinwegzukommen und Anschluss an moderne Public Health-Konzepte zu gewinnen.

Allerdings werden die Instrumente dazu im Gesetzestext nicht angelegt. Man sieht das Problem, kann es aber nicht lösen: So wird im Referentenentwurf in Abschnitt A („Problem und Ziel“) zu Recht festgestellt, dass die Aufgaben der Öffentlichen Gesundheit auf Bundesebene auf verschiedene Ressorts verteilt sind, und in Abschnitt B („Lösung“) wird wie oben zitiert auf den Health in all Policies-Ansatz verwiesen. Der konkrete Regelungsbereich wird dann aber doch wieder eng gefasst: „Der Gesetzentwurf betrifft die Aufgaben des BMG und seiner Geschäftsbereichsbehörden“ und: „Die Aufgaben anderer Einrichtungen des Bundes im Bereich der Öffentlichen Gesundheit bleiben davon unberührt.“

Wie das Spannungsfeld zwischen Ressortzuständigkeit und Health in all Policies aufzulösen ist, z.B. durch eine verbindliche Kooperationsstruktur der Ressorts, bleibt somit offen. In der Gesetzesbegründung heißt es nur: „Die Vorschrift eröffnet auch ressortübergreifend die Möglichkeit – ohne weitere Gesetzesänderung – das Bundesinstitut mit der Durchführung weiterer Aufgaben zu beauftragen (…).“ Entweder wurde im Vorfeld nicht mit den anderen Ressorts gesprochen oder es konnte keine konkrete Übereinkunft zur Zusammenarbeit erzielt werden.

Der ÖGD

Gleiches gilt für das Verhältnis zu den Bundesländern in ÖGD-Angelegenheiten. Auch hier wird festgestellt, dass der ÖGD in der Zuständigkeit der Länder liegt. Die angestrebten Vernetzungsfunktionen für den ÖGD werden in der Gesetzesbegründung konkreter benannt: Es soll eine Plattform für Öffentliche Gesundheit geben, eine ÖGD-Netzwerkstelle, evidenzbasierte Handlungsempfehlungen und Leitlinien für den ÖGD, des Weiteren soll die Digitalisierung weitergeführt werden. Damit das erfolgreich umgesetzt werden kann, ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Ländern nötig. Wie diese strukturell unterstützt werden könnte, welche Instrumente dafür beim BIPAM vorgesehen sind, dazu steht im Referentenentwurf (noch) nichts. Etwas lapidar heißt es an einer Stelle nur, das Gesetz habe „keine Auswirkungen auf die bestehenden Bund-Länder-Kompetenzen“ und „Die Leitlinien dienen dabei der Orientierung und sind als freiwilliges Angebot des Bundesinstituts zu verstehen.“ Dies dürfte mit Blick auf den Bundesrat formuliert sein.

Etwas schmalbrüstig sind in der Einleitung des Entwurfs die fachlichen Referenzen angelegt. Hier werden nur die vier Berichte des Beirats für den Pakt für den ÖGD und das Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege genannt. Einschlägig wären hier aber auch Stellungnahmen zum Präventionsgesetz, die Leopoldina-Stellungnahme Public Health in Deutschland, die ZfPH-Eckpunkte für eine nationale Public Health-Strategie, oder, etwas spezieller, mit Blick auf die Lehren aus Corona der Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 Abt. 9 IfSG. Dass all das keine Rolle spielt, spiegelt möglicherweise wider, dass Public Health-Akteure, anders als andere Interessensgruppen, im BMG wenig Gehör finden. Der Gesetzentwurf sieht (bisher) auch nicht die Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats vor.

Wissenschaft und Politik

Ein weiteres Problem, das sich schon in den Formulierungen im Koalitionsvertrag abgezeichnet hatte, hat sich im Referentenentwurf verfestigt: Das BMG hat die Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht über das BIPAM. Dies dürfte die Möglichkeiten des BIPAM, wissenschaftlich unabhängig zu arbeiten, einschränken. Bei Fachbehörden, deren wissenschaftliche Arbeit überwiegend naturwissenschaftlicher Art ist, ist das weniger bedenklich als bei Fachbehörden, die sozialwissenschaftliche und kommunikationswissenschaftliche Aufgaben wahrnehmen sollen. Hier ist die Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher Analyse und politischem Framing erheblich schwieriger (instruktiv dazu: Gärditz/Linzbach, Gesundheitswissen aus Behördenhand, 2022). Sofern das im endgültigen Gesetzestext nicht noch anders geregelt wird, sollte hier eine interne Organisationsrichtlinie zum wissenschaftlichen Arbeiten am BIPAM für Klarheit sorgen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das BIPAM vom RKI die Surveillance nichtübertragbarer Erkrankungen sowie die darauf gestützte Gesundheitsberichterstattung übernehmen und gleichzeitig für Kommunikation und Kampagnen zuständig sein soll.

Mit Blick auf solche Schwachstellen des BIPAM-Konstrukts ist es bedauerlich, dass dem Gesetzentwurf zufolge eine Evaluation explizit nicht vorgesehen ist.

Neben diesen inhaltlich wichtigen Punkten sind noch handwerkliche Nacharbeiten nötig, beispielsweise fehlt in der Liste der Folgeänderungen anderer Gesetze, die durch die Auflösung der BZgA und den Aufgabenübergang vom RKI zu ändern sind, das Krebsregistergesetz oder § 20d (4) SGB V, aber das dürfte dem frühen Entwurfsstadium geschuldet sein.

Und nun?

In den nächsten Wochen wird es Abstimmungen mit den anderen Ressorts, den Ländern und den Verbänden geben. Insofern bleibt zu hoffen, dass die eingangs angesprochenen Spielräume noch genutzt werden, damit das neue Bundesinstitut nicht endgültig als „verpasste Chance für Public Health in Deutschland“ gesehen werden muss, wie das Zukunftsforum Public Health seine Stellungnahme betitelt hat, sondern wenigstens kleine Schritte in die richtige Richtung gegangen werden. Für die großen Sprünge fehlen offensichtlich Geld und politischer Wille.

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