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#Vertrauenskrise in Frankreich: Macron versus Le Pen

Vertrauenskrise in Frankreich: Macron versus Le Pen

Er träume von einer Stichwahl ohne Marine Le Pen, hat der französische Regierungssprecher Gabriel Attal gerade bekundet. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die 52 Jahre alte Präsidentschaftskandidatin hat beste Aussichten, sich im nächsten Frühjahr für die entscheidende Wahlrunde zu qualifizieren. Die Corona-Pandemie hat die letzten Überbleibsel der Aufbruchsstimmung zerstört, die Emmanuel Macron nach seinem Einzug ins Elysée 2017 verbreitete. Die Gesundheitskrise legt offen, wie viele Franzosen die Ideen Le Pens von Abschottung, Schutz und Rückbesinnung auf die Nation teilen.

Michaela Wiegel

Das Meinungsforschungsinstitut Opinionway hat in einer großangelegten Studie in Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien im Auftrag des Forschungszentrums Cevipof (Sciences Po) untersucht, wie sich die Pandemie auf die öffentliche Meinung ausgewirkt hat – mit teils beunruhigenden Ergebnissen für Frankreich. „Die Gesundheitskrise hat die strukturelle politische Vertrauenskrise in Frankreich weiter verstärkt“, erläutert der Politikwissenschaftler Bruno Cautrès von Cevipof im Gespräch.

Es begann mit den „Gelbwesten“

Schon die „Gelbwesten“-Proteste hätten die Krise der repräsentativen Demokratie offengelegt. Die Zweifel an den demokratischen Funktionsweisen hat Macron seither nicht verringern können. Anders als die exekutiven Führungen in den Vergleichsländern regiert der französische Präsident weitgehend an der Volksvertretung vorbei. Wichtige Entscheidungen werden im kleinen Kreis des Corona-Verteidigungsrats getroffen.

Die Beratungen stehen unter dem Verteidigungsgeheimnis, selbst Kabinettsmitglieder haben keinen Zugang zu den Sitzungsprotokollen. Zudem hat Frankreich einen Gesundheitsnotstand ausgerufen, der die Exekutive weiter stärkt. 55 Prozent der französischen Befragten kritisieren in der Umfrage die demokratische Funktionsweise in ihrem Land. Bei den deutschen Befragten sind es 32 Prozent.

Das Ziel einer ethisch-moralischen Erneuerung ist seit dem Machtwechsel von Macrons Regierungen verfehlt worden. 65 Prozent der Franzosen halten die politisch Verantwortlichen ihres Landes für korrupt. Unter den deutschen Befragten sind es 42 Prozent. „Frankreich erlebt seit gut einem Jahrzehnt eine Vertrauenskrise. Die Hoffnung, dass Macron mit einer Erneuerung des politischen Personals das Vertrauen stärkt, hat sich nicht erfüllt“, sagt Cautrès.

Die Pandemie habe aber dazu beigetragen, dass die Franzosen öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Impfzentren mehr Vertrauen entgegenbringen. Insgesamt seien die Ergebnisse der Umfrage aber beunruhigend für die Wahlstrategie Macrons. Eine stärkere Öffnung und Integration in die EU und in die globalisierte Marktwirtschaft wünsche nur noch eine Minderheit der Franzosen. 44 Prozent sprechen sich dafür aus, sich „stärker vor der Welt zu schützen“. 19 Prozent wollen eine größere Öffnung. Unter den deutschen Befragten plädieren 51 Prozent für wirtschaftliche Weltoffenheit.

Le Pen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen

Auch in anderen Bereichen entspricht der Kurs Le Pens stärker der Wahrnehmung ihrer Landsleute. 62 Prozent der Franzosen sehen den Islam als Bedrohung für die Republik; die Vergleichswerte zu Deutschland fehlen hier aus nicht genannten Gründen. Erst kürzlich hat Innenminister Gérald Darmanin in einer Fernsehsendung Le Pen vorgehalten, im Umgang mit dem Islamismus „zu lasch“ zu sein. Le Pen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie hat eingestanden, im Fernsehduell gegen Macron 2017 zu aggressiv aufgetreten zu sein.

Ganz offensichtlich setzt sie darauf, dass die Franzosen sie bereits als Vorkämpferin gegen eine Islamisierung identifiziert haben, während Macron sein Profil noch schärfen muss. Die Nationalversammlung hat in erster Lesung das Gesetz zur „Stärkung der republikanischen Prinzipien“ verabschiedet, mit dem Macron der Besorgnis seiner Mitbürger über „islamistischen Separatismus“ begegnen will. Für den europafreundlichen Kurs des Präsidenten lassen sich ein gutes Jahr vor der Wahl immer weniger seiner Landsleute begeistern. Schon bei der Europawahl lag Macrons Partei hinter dem Rassemblement National Le Pens.

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Die Zugehörigkeit zur EU sehen 45 Prozent der Franzosen als „gute Sache“. Cautrès bewertet das Ergebnis als extrem besorgniserregend. Auch die britischen Befragten hätten rückblickend zu 43 Prozent angegeben, die EU-Mitgliedschaft sei eine „gute Sache“ gewesen. Es sei bedenklich, dass Frankreich fast auf gleichem Niveau mit Großbritannien liege. Das zeige, wie viel Erfolg Marine Le Pens europakritischer Kurs habe. In Deutschland bewertet eine Mehrheit von 52 Prozent der Befragten die EU-Mitgliedschaft als „gute Sache“.

Die Studie fördert auch zutage, wie sehr der vertikale, oftmals autoritäre Führungsstil Macrons auf Ablehnung stößt. 64 Prozent sind der Meinung, dass dezentrale, bürgernahe Entscheidungsprozesse notwendig seien. Die Wut über mangelnde politische Teilhabe könnte Le Pen zugutekommen, die sich geschickt als Anwältin der „Vergessenen“ profiliert. „Wenn ich Präsidentin bin“, zählt zu den beliebtesten Formulierungen Le Pens.

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