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#Völlige Zwangswirtschaft

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„Völlige Zwangswirtschaft“

Die bayrische Regierung hat in einer Note vom 29. September 1922 der Reichsregierung ihre Auffassung über die wirtschaftliche Lage und die ihrer Ansicht nach zu befolgende Wirtschaftspolitik dargelegt. In der Denkschrift ist eine Reihe von Forderungen zur Einschränkung des Luxuskonsums und der Einfuhr von Luxuswaren enthalten, die in der „Frankfurter Zeitung“ seit langer Zeit vertreten worden sind.

Besondere Erwähnung verdient dabei, dass sich Bayern für eine Einschränkung der Erzeugung von Bier und Schnaps einsetzt. Die Ausfuhr lebenswichtiger, im Inland benötigter Waren soll verhindert, der Erlös der deutschen Ausfuhr zur Bezahlung der notwendigen Einfuhr verwandt werden. Die Produktionssteigerung soll mit der Einstellung auf das Unentbehrlichste und unter „Veredlung“ des Achtstundentages betrieben werden.

Die Preisgestaltung des inneren Marktes soll strenger Überwachung unterworfen werden. Für Wucher werden schärfste Strafen verlangt, die Säuberung und Verringerung des Zwischenhandels und die Ausschaltung von Reparationsgewinnen als notwendig erachtet. Die Fakturierung und Zahlung in ausländischer Währung braucht allerdings nicht erst, wie gefordert wird, verboten zu werden, da ihr schon vorhandene Gesetze entgegenstehen. Sehr bemerkenswert ist das Postulat strenger Überwachung der Kartelle und Syndikate, zu welchem Zweck eine Notverordnung folgenden Inhalts gewünscht wird:

1. Anmeldezwang für alle Preisvereinbarungen bei einer Kartellbehörde oder wenigstens Ermächtigung dieser Behörde, für gewisse Verbände diesen Meldezwang vorzuschreiben.

2. die Auskunftspflicht aller Verbände gegenüber dieser Behörde;

3. das Recht dieser Behörde, die getroffenen Vereinbarungen und Preisfestsetzungen aufzuheben und abzuändern;

4. hohe Strafen bei Zuwiderhandlungen.


Sind diese Forderungen soweit, wenn auch nicht neu, so doch einfach und klar verständlich, so entbehren die für den Reichshaushalt und die Stabilisierung des inländischen Preisniveaus verlangten Maßnahmen der nötigen logischen Konsequenz. Sparsamkeit im Reichshaushalt ist sicherlich sehr erwünscht, aber es erscheint fraglich, ob damit noch große Abstriche zu erzielen sein werden. Es geht aber nicht an, vom Reich einseitig Leistungen zu verlangen, ohne über die Möglichkeit ihrer Finanzierung nachzudenken.

Wie es heutzutage oft beliebt ist, die Defizitwirtschaft der öffentlichen Betriebe zu geißeln und in einem Atem jede Tariferhöhung abzulehnen, so verfährt auch die bayrische Denkschrift, die zudem Ausnahmetarife für Lebensmittelbeschaffung für notleidende Schichten als notwendig erachtet. Noch schlimmer ist die Leichtigkeit, mit der auf der einen Seite die Ermäßigung der „geradezu ungeheuerlichen“ Kohlensteuer, auf der anderen der Ersatz der Reparationskohlenlieferungen durch Geldzahlungen verlangt wird.

Und weiterhin heißt es, die Gehälter und Löhne der Beamten, Angestellten und Arbeiter müssten auf der ganzen Linie den gestiegenen Preisen entsprechend erhöht werden. Wie das aus diesen Belastungen weiterhin vergrößerte Defizit des Reichshaushalts gedeckt, wie die demnach zwangsläufig anschwellende Inflation und Markentwertung behoben werden könne, darüber nachzudenken, bleibt anderen überlassen.

Unter diesem Gesichtspunkt muss man auch den Vorschlag einer künstlichen Stabilisierung eines Preisniveaus betrachten, der in der Denkschrift einer eingehende Prüfung wert gehalten wird. Dieser Vorschlag will letzten Endes eine völlige Zwangswirtschaft durchführen, in der der gesamte Devisen- und Einfuhrverkehr zentralisiert und alle inländischen Preise, Gehälter und Löhne einmalig festgesetzt werden.

Der Gedanke an diese willkürliche Wirtschaftsregelung mag zwar in solchen Kreisen, die die tieferen Zusammenhänge der großen Markentwertung nicht sehen, Hoffnung und Beifall hervorrufen, würde aber, verwirklicht, zu den schlimmsten Folgen, zu völliger Zerrüttung unserer Wirtschaft führen. Dass dies die einstigen Vorkämpfer gegen die Zwangswirtschaft selbst nicht einsehen, ist ein bedauerlicher Beweis für die Kürze menschlichen Gedächtnisses.

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