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#Von der Hintereuterbreite geblendet

„Von der Hintereuterbreite geblendet“

Seit vierhundert Jahren gibt es keine wilden Auerochsen mehr, eine Art, die Analysen von Fossilfunden zufolge zwei Millionen Jahre auf der Erde existiert hat. Die europäische Unterart überlebte am längsten, die beiden anderen, Bos namadicus, die indische, und Bos africanus, starben früher aus. Die Paarhufer, Wiederkäuer und Stirnwaffenträger, wie die phylogenetisch alten Säugetiere und Pflanzenfresser nach ihrer wissenschaftlichen Ordnung, Unterordnung und Infraordnung heißen, wurden bis ins erste Viertel des siebzehnten Jahrhunderts gejagt. Zu spät erkannte man, dass sie gefährlich selten geworden waren. Das Töten wilder Auerochsen wurde eilends zum Privileg der Adligen und Herrscherhäuser erklärt. Wilderer, die sich an den Tieren vergingen, mussten mit der Todesstrafe rechnen.

Doch selbst dieses Unterschutzstellen der Wildtiere rettete sie nicht mehr. Die Kulturlandschaften hatten sich ausgebreitet und den Auerochsen immer mehr Gebiete, in denen sie ungestört grasen konnten, genommen. Diese beiden Faktoren, Bejagung und Lebensraumschwund, waren es jedoch nicht allein, die zum Aussterben führten. Außerdem vermutet man, dass ihre domestizierten Artgenossen die Wildtiere mit Krankheiten ansteckten, mit denen das Immunsystem der Auerochsen nicht fertig wurde.

Am Beispiel des Rindes kann man lernen, Begriffe wie Biodiversität und Verlust der Artenvielfalt nicht nur auf Wildtiere und Wildpflanzen zu beziehen. Etwa eine Milliarde Rinder leben auf der Welt, dreitausend verschiedene Rinderrassen sind gegenwärtig dokumentiert. 196 von ihnen sind aber bereits ausgestorben, und viele gelten derzeit als gefährdet. Die sehr große Ausdifferenzierung der Rinder und ihre überraschend spezifische Anpassung an klimatische Verhältnisse zwischen Pakistan und Grönland gereicht manchen Rassen inzwischen zum Nachteil.


Bild: F.A.Z.

Wenn sie nach den Kriterien moderner Landwirtschaft zu langsam wachsen, zu anspruchsvoll und zu teuer in der Haltung sind, weniger fruchtbar oder weniger stark, dann ersetzen die Bauern sie – und darin ähneln sie sich wohl weltweit – durch Rassen, die ihnen vorteilhafter erscheinen. Immer ausgeklügeltere Zuchtmaßnahmen zur genetischen Steuerung der Rinderpopulationen tragen auch zu einer Konzentration auf die leistungsfähigsten Rassen und die Kreuzung unter ihnen bei. Dabei zählt: Wie viel Fleisch ist an einem Kalb oder ausgewachsenen Ochsen dran, wie leicht gebärt eine Kuh, wie anfällig ist das Tier für Krankheiten etwa der Klauen, wie viel Milch gibt eine Kuh pro Jahr, und wie robust sind ihre strapazierten Euter, wie steht es um ihre wahrscheinliche Nutzungsdauer?

Bei den Hörnern gepackt

Die deutsche „Rinderallianz“ etwa wirbt in ihrem Bullenkatalog für die „handverlesene Auswahl der töchtergeprüften Bullen“ und kann „mit drei Bullen auf der deutschen Top-20-Liste auftrumpfen“. Die Firma hält Zuchtbullen und verkauft deren genanalysiertes Sperma und schickt bei Bedarf die Besamungstechniker gleich mit. Fast eine Million vermarktete Spermaportionen weist die Bilanz 2021 aus und 110 Millionen Euro Umsatz. Man führt aber auch Fleischrindbullenauktionen durch und Shows, bei denen der Bauernnachwuchs seine Lieblingskälbchen präsentiert. Die Phoenixgroup, zu der das Unternehmen zählt, sorgt mit Onlineseminaren für die Fortbildung ihrer erwachsenen Kunden: „Schätzt Du noch oder misst Du schon? Gewichtsmanagement bei Kälbern“, heißt eines davon.

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