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#Von wegen Zinswende!

„Von wegen Zinswende!“

Jetzt wird gejubelt. Nach Jahren mit negativen Zinsen haben die Renditen von Anleihen endlich wieder ein positives Vorzeichen – so wie wir es jahrzehntelang gewohnt waren. Für Bundesanleihen gibt es für zehn Jahre fast ein Prozent im Jahr, für amerikanische Staatsanleihen sogar drei Prozent. Sogar die chronisch zögernde Europäische Zentralbank (EZB) deutet die erste Zinserhöhung seit mehr als zehn Jahren an. Schon im Juli könnte es um 0,25 Prozentpunkte nach oben gehen, weitere Schritte sollen noch in diesem Jahr folgen. Und wenn das passiert, naht auch das Ende der alle Bankkunden nervenden Negativzinsen fürs Girokonto.

Dyrk Scherff

Redakteur im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Die meisten Banken erheben dafür 0,5 Prozent Gebühren auf die Einlagen und nennen das dann Verwahrentgelt. Statt eine Verzinsung für ihr Geld zu bekommen, müssen Kunden also zahlen, aus positiven wurden negative Zinsen. Nun hat die ING vor wenigen Tagen angekündigt, die Freibeträge dafür auf 500.000 Euro zu erhöhen und damit die Negativzinsen faktisch abzuschaffen. Ein paar wenige kleine Volksbanken und Sparkassen gehen den gleichen Weg, auch die Skatbank, die 2014 als erste Bank Negativzinsen einführte. Andere Häuser wie die Deutsche Bank wollen das Verwahrentgelt dann abschaffen, wenn die EZB die Zinsen erhöht hat.

So scheint die Welt der Sparer langsam wieder schöner zu werden, zumal auf Fest- und Tagesgeld ebenfalls bald mehr Zinsen zu erwarten sind. Doch die Aussichten sind getrübt. Denn die Zinsen klettern, weil die Inflation kräftig steigt. Und steigende Preise machen nicht nur das Tanken und den Einkauf im Supermarkt teurer. Sie entwerten auch das angelegte Geld. Die Folge: Von den jetzt höheren Zinsen hat der Sparer nichts, sie werden von der Inflation aufgezehrt. Und nicht nur die Zinsen. Auch das angesparte Kapital verliert an Wert.




Dieses Drama lässt sich am sogenannten Realzins ablesen. Er zieht vom Nominalzins, den jeder Anleger von seinem Bankberater für ein Festgeld oder eine Anleihe genannt bekommt, die Inflation ab. Heraus kommt: ein weiterhin negativer Realzins, trotz des allgemeinen Jubels über eine Zinswende. Schlimmer noch: Noch nie waren die Realzinsen so negativ wie jetzt.

Das ist auch nicht überraschend, schließlich ist die Inflationsrate mit mehr als sieben Prozent so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und wenn dann eine Bundesanleihe nominal ein Prozent Rendite abwirft, bleibt nach sieben Prozent Inflation eben ein Realzins von minus sechs Prozent übrig. Nimmt man den Durchschnitt aller Anleihen, ist der Realzins noch stärker im negativen Bereich, denn sie sind geringer verzinst. Von der viel diskutierten Zinswende ist also bei den Realzinsen weit und breit nichts zu sehen.

Positive Realzinsen gab es zuletzt 2016, sieht man von einem kurzen Ausreißer im Sommer 2020 ab. Bis zur Eurokrise 2011 und 2012 waren sie der Normalfall, zumindest wenn man die Anleiheverzinsung zur Berechnung heranzieht und nicht die kaum verzinsten Tagesgeldkonten und Sparbücher. Doch seitdem war die Inflation immer höher als die zu verdienenden Zinsen. Vor ein paar Jahren wurden dann sogar die Nominalrenditen bei Bundesanleihen negativ. Das änderte sich erst vor ein paar Monaten.

Nun könnten Anleger sagen: Lassen wir die Vergangenheit ruhen, es ist schlecht gelaufen, jetzt kommen bessere Zeiten. Schließlich ist für einen Anleihekauf heute entscheidend, wie die Inflationserwartungen für die Zukunft sind. Doch auch hier zieht rasch Ernüchterung ein. „Die Realzinsen werden noch viele Jahre negativ sein“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Ernüchterndes Fazit

Das deckt sich auch mit den Erwartungen des Finanzmarktes für die kommenden Jahre. Sie zeigen sich zum Beispiel in den Kursen für inflationsgeschützte Anleihen und in Börsengeschäften, die Inflationserwartungen handeln. Daraus ergibt sich beim Kauf einer Bundesanleihe mit zwei Jahren Laufzeit eine jährliche reale Rendite von minus 4,4 Prozent, mit fünf Jahren Laufzeit sind es minus 2,5 und mit zehn Jahren minus 1,7 Prozent.

Dabei wird von Inflationsraten ausgegangen, die etwas zurückgehen. Der Markt erwartet für die kommenden zwei Jahre im Durchschnitt 4,45 Prozent. Die Renditen für Bundesanleihen mit zwei Jahren Laufzeit liegen derzeit aber nur knapp über null, also deutlich darunter. Auch die EZB werde die Leitzinsen innerhalb der kommenden zwei Jahre nur bis auf knapp 1,5 Prozent hochschrauben und damit unter der Inflationsrate bleiben, erwarten Finanzprofis.

Doch wie realistisch sind diese Markterwartungen? Gibt es die Hoffnung, dass sich der Markt irrt und die Renditen höher ausfallen und damit die Realzinsen positiv werden? „Die Renditen der Bundesanleihen könnten in den nächsten Jahren über zwei Prozent steigen, aber auch die Inflation dürfte höher als erwartet ausfallen“, sagt Chefvolkswirt Jörg Krämer. Das liege zum einen daran, dass eine hohe Inflation den Staaten hilft, über höhere Steuereinnahmen den stark gestiegenen Schuldenberg abzubauen. Es sei in ihrem Interesse, die Inflation nicht zu stark zu bremsen. Die zögerliche EZB sei schon ein Indiz dafür. Zum anderen erhöhe sich die Inflation durch die geringere Globalisierung, gewollt steigende Energiepreise für den Klimaschutz und steigende Löhne wegen des Arbeitskräftemangels.

Als etwas ernüchterndes Fazit bleibt: Durch den jüngsten Zinsanstieg wird die Anlegerwelt wieder etwas normaler, für Erspartes gibt es wieder Zinsen. Doch die Inflation nimmt die Freude daran. Mit Anleihen, Tagesgeld und Festgeldkonten lässt sich noch viele Jahre kein Geld verdienen.

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