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#Vor Tokios Abrisswut nach Weil am Rhein gerettet

„Vor Tokios Abrisswut nach Weil am Rhein gerettet“

Es ist ein Meilenstein der Nachkriegsarchitektur in Japan: das Umbrella House, das der japanische Architekt Kazuo Shinohara 1961 entworfen hat. Es interpretierte den Typus des traditionellen Einfamilienhauses völlig neu, der bis heute das Erscheinungsbild japanischer Mega-Me­tropolen prägt. Der Holzrahmenbau des Regenschirmhauses aus Zeder, Kiefer und Douglasie hat ein Pyramidendach, wie es in Japan nur bei buddhistischen Tempeln zu finden war. Nach dem Mathematikstudium hatte Shinohara beim Besuch der Horyuji-Tempel in Nara beschlossen, auch Architektur zu studieren. Für das Umbrella House verwendete er einfache und kostengünstige Materialien wie Zementfaserplatten, Reisstrohmatten und Holz. Das kleine Tokioter Wohnhaus stand im Zentrum des Architekturdiskurses im Japan der Sechzigerjahre: Es galt als gebaute Kritik am westlichen Funktionalismus und zugleich am japanischen Metabolismus. Es war der Ausgangspunkt für Shinoharas Karriere als Japans einflussreichster Architekt und Theoretiker seiner Generation.

Als das Umbrella House abgerissen werden sollte, um Platz für eine Stadtautobahn zu machen, erfuhr die Architektin Kazuyo Sejima von dem frevelhaften Plan und kontaktierte Rolf Fehlbaum, den Inhaber des Möbelherstellers Vitra, der für sein Interesse an Architektur und sein Mäzenatentum bekannt ist. Fehlbaum zögerte nicht und ließ das Haus in Tokio-Nerima demontieren und auf dem Gelände seines Vitra Campus in Weil am Rhein wieder aufbauen. Er rettete damit ein Wahrzeichen der modernen Architektur. Dass die Rettung nötig war, ist kein Zufall: Weil der Denkmalschutz in Japan nicht funktioniert, verliert das Land derzeit einige seiner besten modernen Bauten, so den Nakagin-Capsule-Turm (F.A.Z. vom 24. März).

Räume schaffen, die Menschen ansprechen

Der 1925 geborene Shinohara hat in seiner Abhandlung „Ein Haus ist ein Kunstwerk“ eine Kritik der Funktionsdeterminierung formuliert. Die disziplinierte Geometrie lässt das Umbrella House wie ein abstrahiertes traditionelles Minka-Haus wirken.

Purismus: das Umbrella House von innen.


Purismus: das Umbrella House von innen.
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Bild: Vitra Campus

Die Stütze des sieben mal sieben Meter messenden Hauses ist leicht aus der Mitte versetzt, während die vier Haupträume – Hiroma (Wohnzimmer), Wohnküche, Bad und Schlafzimmer (ein Tatami-Raum mit fünfzehn halbgroßen Matten) – im Windradmuster angeordnet sind. Der höhere und flache Tatami-Raum kann vom Wohnzimmer durch fünf Fusuma-Schiebetüren mit Drucken des Künstlers Setsu Asakura abgetrennt werden. Die Deckenbalken erinnern von innen an die Streben der Ölpapierschirme. Die Stütze trägt jedoch nicht das Dach, sondern die kreuzförmigen Träger in ihrem Schnittpunkt. Insofern ist der Begriff Umbrella House irreführend. Die sichtbare Dachkonstruktion überspannt einen vier Meter hohen Raum. Über eine Leiter gelangt man in den halbhohen Stauraum über dem Tatami-Raum.

Shinoharas Haus verband moderne Strenge mit traditionellen japanischen Bauformen, um eine puristische, poetische Struktur von bescheidenem Maßstab, aber großem gestalterischen Ehrgeiz zu schaffen. Es war das kleinste Haus, das der Architekt entworfen hat. Für Shinohara ging es nicht um die bloße Herstellung von Wohnraum als gesellschaftliches Ziel, sondern die Schaffung von Räumen, die Menschen ansprechen. „Ohne den Status als Kunstwerk hat ein Haus keine Daseinsberechtigung“, sagte er.

Das Umbrella House war eines der letzten Beispiele von Shinoharas bahnbrechenden Wohnhäusern in Japan. Die Möbel wurden von Shinohara gemeinsam mit Katsuhiko Shiraishi entworfen.Das dank Rolf Fehlbaum wiedergeborene Umbrella House wird Shinohara endlich die verdiente Aufmerksamkeit im Westen zuteilwerden lassen. Die Themen Holzbau und Tiny House, aber auch die Verbindung von Tradition und Moderne und die Nichtdeterminierung von Räumen sind sechzig Jahre nach der Fertigstellung des Hauses noch oder wieder hoch relevant, in der deutschen Provinz ebenso wie in den großen Städten der Welt.

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