#Vorerst kaltgestellt
Ehrgeiz ist ihr zweiter Vorname. Die Eltern H. haben es damit nach Kriterien wie Position, Einkommen und Besitz weit gebracht. Ihr Sohn wird es auch weit bringen. Ohne das auszusprechen, schimmert dieses Ziel bei Begegnungen mit anderen bildungsbürgerlichen Familien durch. Das Kind der Nachbarsfamilie N. dagegen wird mit bedauernden Blicken und später mit der höchsten Form der Arroganz gestraft. Mit menschlicher Kälte nämlich und mit Nichtbeachtung. Denn der kleine N. blieb sitzen, wechselte die Schule und „macht jetzt was Praktisches“, tratscht Frau H. mit abfälligem Unterton, bevor sie sich Höherem zuwendet, nämlich jenen, die ein hervorragendes Abitur vorweisen können und einen wohlfeilen, schnurgraden Weg in die Führungsetagen ansteuern.
Ihr Sohn, der laut Eltern „das Zeug zum Topjuristen hat“, wendet allerdings zu deren großem Bedauern der Jurisprudenz nach zwei Semestern den Rücken zu und wechselt ins Designfach. Dort studiert er seit Langem mit schwankender Intensität, weilt hier und da im Ausland, was die Eltern gerne kundtun, aber auch das London-Namedropping versandet irgendwann. Dann hört man nichts mehr vom angehenden Designer. Nein, das Wort brotlose Kunst nehmen wir jetzt nicht in den Mund, trotz der Überweisung per Dauerauftrag, die die Eltern einmal im Monat tätigen.
Dagegen ist der schmächtige N. Anlagenmechaniker geworden und hat seinen Meister gemacht – mit eigener, expandierender Firma. Und man trifft sich im Leben immer zweimal. Dies merkt Familie H., als ihr kalt wird: Das in die Jahre gekommene Anwesen soll auf Wärmepumpentauglichkeit umgerüstet werden. Die H.s sind schon bei mehreren Firmen abgeblitzt und werden nun notgedrungen bei N. vorstellig. Frühestens Anfang 2024 hat er den nächsten Termin frei. „Mal schauen, was ich für Sie tun kann“, sagt er. Freundlich, aber kühl. Da scheint wohl jemand gegen die Pumpe geflitzt zu sein. Aber N. verkneift sich diesen Kalauer.
In der Kolumne „Nine to five“ schreiben wechselnde Autoren über Kuriositäten aus Büro und Hochschule
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