#„Wach auf, der Krieg ist da“
Inhaltsverzeichnis
„„Wach auf, der Krieg ist da““
In Sankt Peter und Paul werden in Lemberg die Märtyrer beweint. Mehrmals pro Woche tragen Soldaten inzwischen die Leichname ihrer toten Kameraden in den mächtigen Barockbau, durch dessen obere Fenster am Nachmittag die Sonnenstrahlen in den dunklen Raum brechen. Er könne nicht sagen, wie viele es schon gewesen seien, flüstert ein Priester im Seitenschiff. Die Zahlen der Getöteten sind streng geheim. Doch es kämen ständig neue. An einem der Altare heben zwei Männer mit weißen Handschuhen einen goldenen Engel herab und bringen ihn in die tiefen Kellergewölbe. Was besonders wertvoll und heilig ist, soll dort die nächsten Wochen überdauern. In den Seitengängen stapeln sich Hilfsgüter, die Freiwillige sammeln und den Soldaten schicken.
Der Krieg ist längst nach Lemberg gekommen, auch wenn hier noch keine Bomben fallen. Nachts heulen die Sirenen. An die schlaftrunkenen Stunden in kalten Schutzräumen haben sich die Menschen gewöhnt, genau wie an das unruhige Warten auf die ersten Meldungen, wo die Einschläge diesmal waren und ob sie wieder näher gekommen sind. Die Sandsäcke vor den Kellerfenstern fügen sich langsam ins Bild der historischen Straßenzüge. Tagsüber quillt die Stadt vor Menschen über. Mehr als 200 000 Flüchtlinge aus dem Rest der Ukraine hat die Stadt im äußersten Westen des Landes bisher aufgesogen und mit ihnen die Geschichten vom blutigen Krieg, der auch hier jederzeit einfallen kann.
„Jana, wach auf, der Krieg ist da“
Im Grand Café Leopolis am bekannten Marktplatz von Lemberg sitzt Jana Klymowytsch, eine junge Frau, deren kurze blonde Haare dem hübschen Gesicht etwas Bubenhaftes geben. Jana ist zum Studium hier und kommt eigentlich aus Cherson, jener Großstadt nahe der Krim, die die Russen schon vor mehr als einer Woche einnahmen. Ihre Fingerkuppen reiben pausenlos aufeinander, wenn sie davon erzählt. Ein kleines Pflaster an ihrem Daumen verrät, wie viel Unruhe die schmalen Hände schon durchlebt haben. Am 24. Februar sei sie vom Klingeln des Telefons geweckt worden. „Jana, wach auf, der Krieg ist da“, habe ihre Mutter Swetlana gesagt.
Jana mit ihren Eltern Juri und Swetlana und der kleinen Sofia
:
Bild: Laila Sieber
Ihre Eltern und die kleine Schwester Sofia haben es bis zu ihr geschafft, bevor die russische Armee Cherson einnahm. Nur die Oma ist noch in der Stadt. Die habe ihr Haus, für das sie ein Leben lang gearbeitet habe, nicht verlassen wollen, sagt Jana. Nun lebe sie seit zwei Wochen im Keller. Vergangene Woche hatte die Oma Geburtstag. Jana zeigt auf ihrem Handy das Foto eines Bildes, das die achtjährige Sofia der Oma als Geschenk gemalt hat. Von rechts und links stehen sich froschgrüne Panzer gegenüber, die mit den russischen Flaggen darauf brennen in leuchtendem Rot. Auf der ukrainischen Seite hat Sofia zwei Soldaten gemalt, aus deren Gewehren graue Punkte nach drüben fliegen, wo die Russen schon am Boden liegen. Im Hintergrund, bei den Ukrainern, steht eine bunte, freundliche Stadt mit unversehrten Häusern.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.