Nachrichten

#Wahlempfehlung aus dem Kreml

„Wahlempfehlung aus dem Kreml“

Dmitri Medwedew, ehedem Präsident und Regierungschef Russlands, derzeit Vizechef des Sicherheitsrates von Präsident Wladimir Putin, gefällt sich in der Rolle als Moskaus Mann fürs Grobe. Ende Juli bekannte er in einem Post auf Telegram seinen abgrundtiefen Hass auf den Westen. Man habe es dort „mit Bastarden und mit Abschaum“ zu tun, die man „verschwinden lassen“ müsse. Nach der Demission von Ministerpräsident Mario Draghi am 21. Juli hatte Medwedew auf Telegram die Fotos von Draghi und des schon zuvor zurückgetretenen britischen Premiers Boris Johnson gepostet, daneben ein schwarzes Feld mit einem dicken Fragezeichen gestellt und gefeixt: „Wer ist der Nächste?“

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Fünf Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. September in Italien hat Medwedew nun, abermals in einer Tirade auf Telegram, den italienischen Wählern eine unmissverständliche Wahlempfehlung gegeben. „Wir wünschen uns, dass die Bürger Europas an den Wahlurnen nicht nur ihre Unzufriedenheit mit den Taten ihrer Regierungen zum Ausdruck bringen, sondern diese auch für deren offenkundige Dummheit bestrafen“, schrieb Medwedew. Denn der Furor dieser Regierungen, „alle Beziehungen zu Russland abzubrechen“, werde zu „kalten Wohnungen und leeren Kühlschränken“ führen.

Lega hat enge Beziehung zu Putins Partei

Der italienische Außenminister Luigi Di Maio bezeichnete „die Einmischung der russischen Regierung in die italienischen Wahlen“ als „wirklich beunruhigend“. Di Maio rief die politischen Kräfte seines Landes dazu auf, „sich klar und ohne Scheu von der russischen Propaganda zu distanzieren“. Zugleich versicherte er, die scheidende Regierung werde weiter alles unternehmen, um die Abhängigkeit Italiens von russischem Gas zu reduzieren: „Man kann nicht von jemandem abhängig sein, der mit dem Geld der Italiener seinen blutigen Krieg in der Ukraine finanziert.“ Italien bezog zu Beginn des Krieges am 24. Februar 40 Prozent seines Erdgases aus Russland, inzwischen sind es 25 Prozent.

Von Winston Churchill stammt das prophetische Wort von Italien als dem „soft underbelly“ Europas, von wo aus ein Angriff der Alliierten auf die Achsenmächte die größten Erfolgsaussichten haben würde. Auch Russland konzentriert sich heute in seiner hybriden Kriegsführung gegen den Westen wieder auf diesen „weichen Unterleib“ Europas. Ende Juli berichtete die liberale Turiner Tageszeitung „La Stampa“ unter Berufung auf Geheimdienstquellen, es habe im Vorfeld des Sturzes von Ministerpräsident Draghi Kontakte zwischen der rechtsnationalen Partei Lega des früheren Innenministers Matteo Salvini und der russischen Botschaft in Rom gegeben.

Bei dem Gespräch Ende Mai sei es um die Frage gegangen, ob die Lega nicht ihre drei Minister aus dem Kabinett des parteilosen Ministerpräsidenten Mario Draghi abziehen könne. Die Lega pflegt seit vielen Jahren gute Beziehungen zur Kremlpartei „Einiges Russland“. Die beiden Parteien schlossen 2017 für fünf Jahre ein Kooperationsabkommen. Von der Lega heißt es, die Vereinbarung sei nicht verlängert worden. Den Verdacht, Moskau habe beim Sturz Draghis seine Finger im Spiel gehabt, weisen Salvini und die Lega kategorisch zurück.

Berlusconi und Putin waren schon zusammen im Urlaub

Das tun auch der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi und dessen christdemokratische Partei Forza Italia. Berlusconi pflegte über viele Jahre engste Beziehungen zu Putin, äußerte sich nach dem Überfall Moskaus auf die Ukraine aber „tief enttäuscht“ von seinem Männerfreund, mit dem er manchen Urlaub verbracht hatte. Bei der Debatte über weitere italienische Waffenlieferungen an Kiew hatten sich Salvini und Berlusconi mehrfach skeptisch gezeigt und stattdessen auf direkte Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau gedrungen.

Denkwürdig ist der Auftritt des russischen Außenministers Sergej Lawrow vom 1. Mai in der Sendung „Zona Bianca“, einer politischen Talkshow des Berlusconi-Senders „Rete 4“. Fast eine Stunde lang hatte Lawrow in dem „Interview“ ohne Gegenfragen ungefiltert Moskaus Propaganda über die russische „Spezialoperation“ in der Ukraine verbreiten können. Kurz danach nahm der Geheimdienstausschuss der beiden Kammern des italienischen Parlaments Untersuchungen auf, ob und wie „russische Desinformation“ über die zahlreichen moskaufreundlichen Kommentatoren und Influencer in die traditionellen und sozialen Medien des Landes einsickert. Anfang Juni veröffentlichte die konservativ-liberale Zeitung „Corriere della Sera“ eine Liste von einem knappen Dutzend prorussischer Journalisten, Ökonomen, Politologen und Historiker, die sich bei der Verteidigung der Position Moskaus besonders hervortaten und dabei in den Medien erstaunlich viel Platz fanden.

Ende Juli enthüllte die linke Zeitung „La Repubblica“ dann unter Berufung auf Geheimdienstquellen, dass Moskau offenbar sogar bei der Steuerung von Migrationsströmen über das Mittelmeer nach Italien mitmischt. Danach kommen die meisten Flüchtlingsboote, die in letzter Zeit Italien und die Insel Lampedusa erreichen, aus Libyen – und nicht wie in den Monaten zuvor aus Tunesien. Der Küstenabschnitt, von dem die Migrantenboote ablegen, wird von dem abtrünnigen libyschen General Chalifa Haftar kontrolliert, der seinerseits von russischen Wagner-Söldnern unterstützt wird. Offenbar sorgt die kremlnahe Truppe dafür, dass sich immer mehr Migranten nach Norden in Richtung Italien auf den Weg machen. Seit Jahresbeginn haben gut 50.000 Migranten Italien erreicht, im Vorjahreszeitraum waren es 35.000 und 2020 knapp 17.000 gewesen. Eine verschärfte Migrationskrise, so das Kalkül Moskaus, spielt im Wahlkampf vor allem Lega-Chef Salvini in die Karten. Salvini hat Anfang August das überfüllte Aufnahme­lager auf Lampedusa besucht und versprochen, im Falle eines Wahlsieges werde man den Strom illegaler Migranten stoppen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!