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#Wandern in den Schweizer Alpen

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Hinterher fragten sie viele: Was war denn nun der schönste Moment? Auf mehr als 2300 Wanderkilometern durch den kompletten Alpenbogen, zwischen Triest und Monte Carlo, in vier Monaten und sechs Ländern, mit Tagen im Regen und Nächten im Zelt, und das meist allein? Ein überragender Gipfel, ein einsamer Bergpfad, ein herrlicher Übernachtungsplatz? Nichts davon, sagt Christina Ragettli. „Alle dachten, es war dieser oder jener Sonnenuntergang. Aber schlussendlich waren es die schönen Begegnungen unterwegs.“

Bernd Steinle

Redakteur im Ressort „Deutschland und die Welt“.

Das kam selbst für sie unerwartet, schließlich war sie auch losgezogen, um wegzukommen von Menschen, Bildschirmen, Zivilisation. Die Schweizerin ist in den Bergen aufgewachsen, der Winter war der begeisterten Skifahrerin aber immer näher gewesen als der Sommer, in dem ihr das ewige Wandern als Kind bald langweilig wurde. Mit Mitte 20 entdeckte sie: Es gibt auch richtig spannende Weitwanderwege – wie den Pacific Crest Trail, der fast 4300 Kilometer lang durch den Westen der USA führt. Per Zufall stieß sie dann auf die Via Alpina, ein Wegenetz, das zwischen Ost und West durch die gesamten Alpen führt. Von da an hatte sie ein Ziel. „Ich fand es cool, meine Heimat so erkunden zu können. Es macht ja nicht viel Sinn, in ein Flugzeug zu steigen und nach Amerika zu reisen, wenn die Alpen das Paradies sind.“

Menschen sind unberechenbarer als Tiere

Sie stürzte sich in Recherche, Vorbereitung, Ausrüstungskunde. Am Ende wog ihr Rucksack, samt Zelt, Isomatte, Kocher, Essen für eine Woche und Wasser für einen Tag, 13 Kilogramm. Sie wusste, die Strecke ist anspruchsvoll, mit teils mit Ketten gesicherten Passagen, die vor allem bei Nässe zur Herausforderung werden. Aber sie hatte die nötige Bergerfahrung, um in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auch allein.

Es war ihr Traum, ihr Projekt, und von ihren Freunden hatte ohnehin nicht jeder die Chance oder die Lust, vier Monate zu wandern. Also fragte sie gar nicht erst. „Wenn man jemanden auf so eine große Wanderung mitnimmt, kann das auch zum Hindernis werden“, sagt Ragettli. „Die Person muss das gleiche Tempo haben, man muss sich sehr gut verstehen, ähnliche Ansichten haben, wie man Probleme löst. Und ich wusste, dass ich gut allein klarkomme.“

Mit Ohrstöpseln und ihrem Stirnband über den Augen konnte Ragettli nachts im Zelt gut schlafen.


Mit Ohrstöpseln und ihrem Stirnband über den Augen konnte Ragettli nachts im Zelt gut schlafen.
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Bild: Florian Johänntgen

So zog sie los. Erlebte gute und schlechte Tage, ein auch emotionales Auf und Ab. Sie liebte die Kombination aus körperlicher Leistung und gedanklicher Entspannung, badete in eiskalten Bergseen, campierte auf mehr als 3000 Metern. Sie zog durch eine Bärenregion (sah aber keine), hörte nachts Wölfe heulen (sah aber keinen), behauptete sich gegen übereifrige Herdenschutzhunde. Sie erlebte, wie leichtfertig sich Touristen Kühen näherten, selbst Muttertieren mit Jungen, „die sind zum Teil unter dem Zaun durchgeklettert, um Fotos zu machen“.

Sie lag nachts im Zelt wach, weil sie draußen ein Knacken, ein Rascheln, ein Knistern hörte und nicht wusste, was los ist. „Manchmal hatte ich das Gefühl, jetzt beißt mich gleich ein Fuchs in den Kopf, und als ich nachgeschaut habe, war es nur ein größerer Käfer.“ Die Notlösung waren Ohrstöpsel und das Stirnband über den Augen. Am nervenaufreibendsten war es, wenn sie nachts ein Auto hörte oder Scheinwerferlicht sah. Menschliche Begegnungen, sagt Ragettli, seien meist unberechenbarer als solche mit Tieren.

Und doch waren es vor allem die Menschen, die bleibende Eindrücke hinterließen: Wanderer, Hirten, Hüttenwirte. „Einmal, im Wallis, als ich nach zehn, elf Stunden nach einem Ort gesucht habe, an dem ich das Zelt aufschlagen kann, ist mir ein älterer Mann entgegengekommen“, sagt Ragettli. Sie zögerte erst, war sich nicht ganz sicher über den Mann. Dann lud er sie in die nahe Hütte ein, in der seine Frau und ein weiteres Paar Karten spielten. Sie redeten zwei Stunden über Gott und die Welt, Ragettli bekam Tee und Kekse und am Ende auch noch ein Stück Alpkäse.

Das Zelt durfte sie dann im Vorgarten aufstellen. „Das war so schön“, schwärmt sie.Ihre Erfahrungen hat Christina Ragettli aufgeschrieben, in ihrem Buch „Von Wegen“, das in der Schweiz zum Überraschungserfolg wurde und nun auch in Deutschland erschienen ist (Malik, 20 Euro). Es macht Lust auf den eigenen Aufbruch und weckt Respekt vor ihrem Durchhaltewillen und ihrem Vermögen, mit täglich neuen Unwägbarkeiten fertigzuwerden.

Am Ende listet Ragettli die Lehren aus ihrer Wanderung auf: in schwierigen Situationen positiv bleiben, sich in anstrengenden Phasen Gutes tun, den Moment wahrnehmen statt über künftige Eventualitäten nachgrübeln und einiges mehr. Die Monate in den Alpen haben auch ihr Selbstbewusstsein verändert, ihren Glauben an sich gestärkt. „Ich hatte nicht unbedingt gedacht, dass ich es wirklich schaffen würde“, sagt die 1992 geborene Schweizerin, die beruflich in der Öffentlichkeitsarbeit für Tourismus und Sport tätig ist. „Jetzt denke ich, egal bei welchem Projekt: Du hast die Via Alpina geschafft, du kannst auch das schaffen.“

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