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#Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Vier massiv wirkende Steine auf blauem Grund – dunkelgrau, einer rundlich, zwei ein wenig kantig, der kleinste hellbraun und nahezu dreieckig. Die etwa handtellergroßen Artefakte gehören zur Ausstellung „Menschsein“ im Archäologischen Museum, die am Dienstag vorgestellt worden ist. Auf den ersten Blick wirken sie unscheinbar. Doch sie sind eine Sensation, sie sind „die ältesten Steinwerkzeuge der Welt“, wie Liane Giemsch, Kustodin für Prähistorische Archäologie, erklärt. Das 3,3 Millionen Jahre alte, am Turkana-See in Kenia geborgene steinerne Quartett ist – wenn auch als Abbild, da die Corona-Pandemie den Transport der Originale vereitelt hat – zum ersten Mal in Europa zu sehen.

In der Schau, die Giemsch gemeinsam mit der Altsteinzeit-Forscherin Miriam Noël Haidle kuratiert hat, geht es um nichts weniger als um „Die Anfänge unserer Kultur“. Der Untertitel der Ausstellung verweise auf einen Denkansatz, der den Urgrund unseres heutigen, hochdifferenzierten Lebens im „Werkzeugverhalten“ frühester Hominiden erkenne, sagt Haidle, die das Langzeitprojekt „The Role of Culture in Early Expansions of Humans“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum sowie der Universität Tübingen koordiniert.

Denkprozesse in Steinen

Die Exponate, die dieses „Werkzeugverhalten“ im Archäologischen Museum dokumentieren, stammen aus einer Zeit, die uns unendlich fern erscheint. Die jüngsten sind eine Million Jahre alt.

Zu den insgesamt 80 Ausstellungsstücken, darunter etwa 50 Originale, gehören Schlag- und Ambosssteine, einfache steinerne Abschläge und Faustkeile sowie Schädelreste wie etwa ein Unterkiefer des ältesten Vertreters der Gattung Homo, ein Fragment des einst in Kenia beheimateten sogenannten Homo rudolfensis. Sogar ein Fund aus Bergen-Enkheim ist darunter, ein gut 200.000 Jahre alter Faustkeil aus grauem Kieselschiefer.

„In diesen Steinen und Knochen drücken sich Denkprozesse aus“, ist Giemsch, die zwischen 2007 und 2009 selbst in Afrika geforscht hat, überzeugt. Damit der Besucher diese letztlich zur Werkzeugherstellung und Menschwerdung führenden Prozesse angesichts der „nicht besonders ästhetischen“ Ausstellungsstücke nachvollziehen könne, gehören zwölf orange markierte Mitmach-Stationen zur Schau.

So lassen sich, wenn das momentan wegen der Corona-Pandemie noch geschlossene Museum wieder geöffnet hat, sieben an einem Stammbaum montierte Nachbildungen von Urmenschen-Schädeln betasten und drehen, um die Veränderung anatomischer Ausprägungen als Antwort auf veränderte Umweltbedingungen zu begreifen.

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An einer anderen Station können Besucher einen Fußabdruck von sich selbst anfertigen und ihn mit den Umrissen von Fährten von Schimpansen und der Vormenschen-Art Australopithecus afarensis vergleichen.

Zum Verweilen lädt eine inszenierte Feuerstelle ein, neben der sich an einer Tafel Kärtchen mit den Vorteilen dieses Elements wie etwa „Wärmequelle“, „Verlängerung des Tages“, „Schutz vor Moskitos“ oder „Konservierung der Nahrung durch Rauch“ befestigen lassen.

Bleiben dennoch Fragen offen, kann sich der Besucher, kündigt Giemsch an, an ständig in der Ausstellung präsente „Steinzeit-Erklärer“ wenden: Studenten, die nur darauf warten, ihr Wissen weitergeben zu können. Unter der Überschrift „Auch Affen haben Kultur“ zeigt die Schau, dass manche Tiere wie etwa Schimpansen ebenfalls Werkzeuge gebrauchen.

Warum sich ausgerechnet der Mensch weiterentwickelt hat, demonstrieren drei auf einer Stange montierte Schädelmodelle von Vormensch (Homo erectus), Frühmensch (Australopithecus afarensis) und Jetztmensch (Homo sapiens).

Hirnmasse als Granulat

Dreht man sie um, ergießt sich die Hirnmasse als Granulat in drei Messbecher. Der Mensch bringt es auf ein Volumen von mehr als 1000, gefolgt von gerade einmal 700 beziehungsweise 350 Milliliter der anderen beiden Spezies. Auch die vieldiskutierte Frage, ab wann der Mensch sprechen konnte, findet anhand der Abgüsse zweier Zungenbeine Berücksichtigung.

„Die Altsteinzeitforschung“, betont Museumsdirektor Wolfgang David, „gehört zu den eher jüngeren Zweigen des Faches.“ Begonnen habe die Forschungsgeschichte des frühen Altpaläolithikums erst vor etwa 200 Jahren mit Funden bei Abbeville in Frankreich und dann mit der Entdeckung von Resten des Neandertalers bei Düsseldorf.

Der Forschungsstand, der im südlichen Querschiff der Karmeliterkirche präsentiert wird, lässt hinter all den Steinen und Knochen Antworten auf eine überaus komplexe Frage erahnen: Wo liegen die Anfänge des Menschseins?

Wegen der Corona-Pandemie kann die Ausstellung vorerst nur online unter www.archaeologisches-museum-frankfurt.de besucht werden. Sie wird jedoch bis zum 30. Januar 2022 im Museum gezeigt.

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