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#Warum Corona-Zahlen so praktisch (und auch gefährlich) sind

Warum Corona-Zahlen so praktisch (und auch gefährlich) sind

2020 war für uns alle das Jahr der Zahlen. Jeden Tag haben sie die Nachrichten bestimmt: Die tagesaktuelle Zahl der Corona-Infizierten, die Zahl der an Covid-19 Verstorbenen, oder wie viele Menschen durchschnittlich von je einem Infizierten angesteckt werden. Los ging das alles vor etwa einem Jahr. Am 11. Januar 2020 wurde in der chinesischen Stadt Wuhan der erste Corona-Tote bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt wirkten die Corona-Zahlen noch so, als würden sie uns gar nicht wirklich etwas angehen. Auch wenn wir trotzdem mit einer gewissen gruselnden Faszination verfolgten, wie die Infektionszahlen in China immer weiter wuchsen. In Deutschland gab es die ersten aufgrund der Virusinfektion Verstorbenen erst zwei Monate später, Anfang März. Seitdem bestimmen das Virus und seine Zahlen auch unseren Alltag.

Sibylle Anderl

Zahlen sind wichtig, weil sie es uns erlauben, schnell und einfach einzuschätzen, wie gefährlich das Virus ist, wie schnell es sich verbreitet, wie groß das damit verbundene Gesundheitsrisiko für uns ist, und wie wahrscheinlich es ist, dass unsere Krankenhäuser nicht mehr richtig funktionieren, weil zu viele Menschen auf einmal dort behandelt werden müssen. Dass es so wichtig ist, die Verbreitung des Virus im Blick zu behalten, liegt daran, dass seine Ausbreitung extrem schnell außer Kontrolle geraten kann. Wie das abläuft, kennen wir von anderen Phänomenen, die sehr ähnlich funktionieren: Wenn man zum Beispiel in den sozialen Medien etwas postet, das dann immer mehr Menschen teilen, kann ein Bild oder eine Information in kürzester Zeit Millionen Menschen erreichen — manchmal, obwohl man das gar nicht beabsichtigt hat. Man kann die Verbreitung bald aber gar nicht mehr stoppen, selbst wenn man das möchte. Man sagt dann auch, der Post sei „viral“ gegangen — er verhält sich wie eine ansteckende Virusinfektion.


Bild: F.A.Z.

Um die Verbreitung des Virus zu kontrollieren, beispielsweise indem man bestimmte Maßnahmen einführt, kann man verschiedene Kennzahlen benutzen: Man kann auf die Zahl der Neuinfektionen schauen — die sollte pro Woche am besten nur so hoch sein, dass die Gesundheitsämter es schaffen können, alle Kontakte eines Infizierten anzurufen und zu warnen. Man kann auf die Zahl der schwer erkrankten Menschen auf den Intensivstationen schauen — die sollte so niedrig sein, dass die Krankenhäuser noch gut arbeiten können. Oder man kann die sogenannte Reproduktionszahl zur Orientierung nutzen, die Zahl der Ansteckungen pro Infiziertem, denn wenn im Durchschnitt jeder Infizierte weniger als einen anderen ansteckt, kann sich das Virus immer weniger verbreiten. Jede dieser Zahlen sagt etwas anderes aus und hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Am besten ist man informiert, wenn man alle diese Kennzahlen gemeinsam im Auge behält.

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Zahlen haben aber auch einige Nachteile und können sogar gefährlich sein. Ein Nachteil ist, dass Zahlen blind machen für die Schicksale, die hinter ihnen stehen. Wenn wir momentan so etwas hören, wie dass gestern in Deutschland tausend Menschen an Covid-19 gestorben sind, dann haben wir uns an diese Zahlen nicht selten schon so sehr gewöhnt, dass wir gar nicht weiter darüber nachdenken, was sie bedeuten. Wir vergessen dann schnell, dass unter den Verstorbenen wahrscheinlich viele, viele heiß geliebte Großeltern sind. Wir denken nicht an die vielen individuellen Geschichten, die sich in diesen Zahlen verbergen. Erst wenn wir uns bewusst machen, dass das so viele Verstorbene sind, als würden pro Tag fünf voll besetzte Mittelstreckenflugzeuge abstürzen, bekommen wir vielleicht einen besseren Eindruck, wie groß und wie schrecklich diese Zahl in Wirklichkeit ist.

Zahlen sind aber noch aus einem anderen Grund gefährlich: Sie wirken glasklar und eindeutig, aber um sie richtig verstehen zu können, muss man fast immer ziemlich viel wissen. Zahlenwerte werden nämlich sehr stark dadurch beeinflusst, wie sie ermittelt werden. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Kollegen in den Wald gehe, um Vogelarten zu zählen, und ich nach einer Stunde 5 Arten aufgeschrieben habe und der Kollege 25, dann heißt das nicht automatisch, dass der Kollege fünfmal so viele Arten gesehen hat wie ich. Es kann auch einfach heißen, dass er sich so viel besser mit Vögeln auskennt, dass er selbst dann mehr Arten identifiziert hätte, wenn wir genau dieselben Vögel gesehen hätten. Ähnliche Probleme gibt es auch bei den Infektionszahlen. Die hängen nicht nur davon ab, wie viele Menschen wirklich infiziert sind, sondern auch davon, wie viele Menschen getestet werden oder wie schnell die Zahlen weitergegeben werden, um dann als Gesamtzahl in den Nachrichten zu erscheinen. Um sicher zu gehen, dass die Zahlen wirklich die Information tragen, die sie tragen sollen (bei den Infektionszahlen zum Beispiel die wirkliche Zahl der Neuinfektionen), muss man also zusätzliche Informationen sammeln.

Jetzt gerade sehen wir dieses Problem zum Beispiel sehr deutlich: Die Zahlen der täglichen Neuinfektionen sind seit Weihnachten deutlich niedriger als vorher. Das bedeutet aber sehr wahrscheinlich nicht, dass sich wirklich auch deutlich weniger Menschen angesteckt haben. Über Weihnachten sind nämlich einfach weniger Menschen zum Arzt gegangen, viele hatten Urlaub, es wurde weniger getestet, und die Gesundheitsämter, Krankenhäuser und Pflegeheime sind nicht so zuverlässig wie außerhalb der Urlaubszeiten dazu gekommen, neue Fälle zu melden. Zahlen richtig zu verstehen ist also meistens sehr viel schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint. Das ändert nichts daran, dass Zahlen wahnsinnig praktisch sind. Es heißt nur, dass man bei ihrer Interpretation immer auch vorsichtig sein muss.

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