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#Warum die Helden-Kampagne der Bundesregierung gar nicht geht

Warum die Helden-Kampagne der Bundesregierung gar nicht geht

Wisst ihr noch, damals, 2020? Als wir plötzlich mit einer weltweiten Pandemie konfrontiert waren? Hachja, gerne denken wir an diese wunderbar romantisierte Zeit zurück. Auf einmal saßen wir alle im gleichen Boot. Alle zusammen – gegen das Virus. Unser Boot war sehr groß – es hatte sehr viele, total unterschiedliche Decks. So viele, dass man in der ersten Klasse kaum das Gefühl haben konnte, die Passagier*innen der dritten Klasse säßen wirklich im gleichen Boot. Wer mal Titanic gesehen hat, kann sich das ganz gut vorstellen: Während die einen Whiskey schlürfend über die Börse quatschen, sitzen die anderen unter Deck und teilen sich das Zimmer nicht nur mit drei Fremden, sondern auch mit ein paar Ratten. Aber ja, selbes Boot, in dem wir da sitzen, ja ja.

Wer der Bundesregierung das Schlechteste unterstellt, könnte meinen, sie hätte die First Class der Titanic noch nie verlassen. Wer es gut mit ihnen meint, kommt wohl zu dem Schluss, dass die neuste Werbekampagne einfach ein ziemlich unüberlegter Schuss in den Ofen war. Dazu gleich mehr – erstmal kommen ein paar Zeilen für all diejenigen da draußen, die sich schon wieder aufregen, dass „an allem ja immer nur genörgelt wird“.

Das Problem liegt nicht im Wie, sondern im Was

Okay, lobenswert ist: Die Bundesregierung möchte informieren. Mehr als nur Pressemitteilungen und Bundeskonferenzen, sie wollen junge Menschen erreichen, im Internet. Gute Idee. Das Video ist gut produziert, keine Frage, und mit Netflix-Ästhetik und Storyline generiert man mit Sicherheit mehr Aufmerksamkeit als mit seitenlangen Beschlussvorlagen. Dann geht das Video auch noch viral und es werden viel mehr junge Menschen erreicht als in den letzten Wochen zusammen. Ein voller Erfolg. Mensch, das hätten wir denen ja gar nicht zugetraut! Ja, das Problem ist nicht das Wie, sondern das Was. Das Problem ist nämlich, was in diesem wirklich schön produzierten Werbefilm transportiert wird.

„Beruhigt euch, diejenigen, die wirklich schuften, sind im Video doch gar nicht gemeint!“, rufen schon die Ersten. Na dann schauen wir uns doch mal genau an, wer da gemeint ist. Da sind sie nun also die „22-jährigen Maschinenbau-Studenten aus Chemnitz“, die doch jetzt einfach mal zu Hause bleiben sollen. Liegt nämlich nur an denen, der ganze Schlamassel! Nein, natürlich liegt’s nicht nur an denen. Aber wenn die Bundesregierung ein Promo-Video launcht, das offensichtlich das Zeug dazu hat, viral zu gehen, dann steht die angesprochene Gruppe nunmal im Fokus – und dann darf man sich auch nicht wundern, wenn genau die sich angesprochen fühlt.

Was für ein Bild von Studierenden hat man eigentlich, wenn man in seiner schicken Altbauwohnung sitzt und für die Bundesregierung Imagefilme produziert?

„Tage und Nächte lang“ sollen sie also einfach mal gar nichts tun – und damit zu Helden werden. Das sollten sie doch wohl noch hinbekommen. Was für ein Bild von Studierenden hat man eigentlich, wenn man in seiner schicken Altbauwohnung sitzt und für die Bundesregierung Imagefilme produziert? Scheinbar ein sehr elitäres. Abgesehen davon, dass die meisten Studierenden wohl eher in einem Mauseloch von Zimmer wohnen, in dem – anders als im Werbespot zu sehen – gerade mal Platz für Bett und Schrank, aber ganz bestimmt nicht für Designer-Couch und riesigen Flachbild-TV ist, sind die Herausforderungen sicherlich andere als nur das Zuhausebleiben.

Während die einen also gerade wieder ihren Kellner-Job verloren haben und mit der 500-Euro-Soforthilfe genau einen Monat lang Miete zahlen konnten, da kommt der lustige und ach so charmante Werbefilm: Hey, chillt mal! Bleibt doch einfach mal zu Hause und genießt das Leben in der Pandemie. Bestellt euch ne Pizza! Äh und falls ihr zu den jungen Leuten gehört, die Pizza gerade ausliefern und nicht zu denen, die die Pizza bestellen – ja, dann haben wir heute leider kein Video für euch. Heute sind die Helden nämlich die paar wenigen, denen es eh gut geht. Wo auch immer diese Leute wohl stecken. 

Wer sich davon verarscht vorkommt? Ach, der soll mal nicht so stänkern! 

Brillant? Klar, das Video gibt einem diese nicen Vibes wie jedes Jahr bei der Weihnachts-Edeka-Werbung. Da kann uns Medienleuten schon mal spontan einer abgehen, sowas hätten wir der Regierung ja gar nicht zugetraut! Auch in Deutschland gibt es gut produzierte Werbekampagnen, Halleluja. 

Um jetzt doch mal konstruktiv zu werden: Was hätte man alles sagen können? Danke fürs Durchhalten. Sorry, dass wir euch nicht mehr unterstützen können, aber Geld wird eben gerade überall gebraucht. Danke, dass auch ihr es ertragt, eure Freund*innen oder Großeltern nicht sehen zu können. Und vielleicht: Wir verstehen, dass in der lauten WG die Decke schneller mal auf den Kopf fällt als im schicken Loft. Haltet bitte trotzdem durch! Danke, dass es auch unter euch viele gibt, die weiter an der Supermarktkasse sitzen oder Pizza ausfahren. Ja, denn auch das machen viele Studierende.
Zum Schluss noch etwas, das eigentlich klar ist: Auch unter den Jungen gibt es diejenigen, denen es richtig dreckig geht. Die psychisch leiden, die zu Hause Gewalt erfahren, die einfach gar nicht klarkommen mit der Situation. Und auch wenn die vielleicht nicht explizit gemeint sind – auch die fühlen sich mit diesem Video wohl eher auf als in den Arm genommen.

Zurück zum Boot, in dem wir sitzen, das hoffentlich nicht so tief sinkt wie die Titanic: Wenn Fluggesellschaften Millionen bekommen und Studierende über nette Werbefilmchen lachen sollen, dann werden wir, wenn wir alt und grau sind, wohl so auf diese Zeit zurückblicken, wie auf das Filmende, über das wir bis heute einfach nur den Kopf schütteln können. Schließlich hätten doch alle beide auf die Tür gepasst. Der junge Jack aus der dritten und die schöne Rose aus der ersten Klasse. 

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