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#Warum es keine Herdenimmunität geben wird

Warum es keine Herdenimmunität geben wird

Wie müssen wir uns das Ende der Pandemie vorstellen, jetzt, wo die Menschen überall im Land ihre Freiheit zurückbekommen? Natürlich ist die Katastrophe mit fast schon dreieinhalb Millionen Toten auf der Welt nicht vorbei, alles andere als das, aber der Blick geht lieber nach Großbritannien als nach Indien, lieber nach Amerika statt Brasilien. Auch Israel ist zum Goldstandard fürs Corona-Krisenmanagement geworden. Einen einzigen Covid-Toten gab es zuletzt in vier Tagen, fast zwei Drittel der neun Millionen Menschen im Land sind mindestens einmal geimpft.

Joachim Müller-Jung

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

In den Vereinigten Staaten sind es auch schon mehr als ein Drittel mit komplettem Impfschutz, fast die Hälfte hat eine Dosis erhalten, und bis zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli sollen mindestens siebzig Prozent nach dem Willen des amerikanischen Präsidenten eine Impfung erhalten haben. Ein Wort kam in seinen Ausführungen allerdings nicht vor, nicht mehr: Herdenimmunität. Spielt das Konzept noch eine Rolle?

In den achtziger Jahren von Infektionsforschern geprägt, setzte sich der Begriff in der Pandemie endgültig durch, vor allem im politischen Raum. Während der ersten Welle im vergangenen Jahr entdeckten ihn zunächst Kritiker der Corona-Maßnahmen. Amerikas ehemaliger Präsident Trump verwendete ihn, Brasiliens Präsident Bolsonaro hantierte damit und zeitweise auch der britische Premierminister Johnson – allerdings in einem ganz anderen Sinn, als Infektiologen und Epidemiologen ihn verwendeten.

Unermesslich hoher Preis

Der Begriff wurde zur politischen Waffe: Zum Schutz von Wirtschaft und Freiheit sollten sich möglichst viele infizieren. Wer nicht Senior war, sollte so immun werden. Das medizinische Konzept war ad absurdum geführt worden. Formal ist Herdenimmunität zwar erreicht, wenn ein ausreichend großer Teil der Bevölkerung immun geworden ist, so dass die Virusübertragungen eingedämmt und diejenigen indirekt geschützt werden, die man anderweitig nicht schützen kann – kleine Kinder also, Schwerkranke und Menschen mit transplantierten Organen. Wenn diese Schwelle allerdings dadurch erreicht werden soll, dass man die Bevölkerung unkontrolliert mit einem neuartigen Erreger durchseucht, wäre der Preis bei einem Virus wie Sars-CoV-2 unermesslich hoch. Viele Tote wären die Folge, selbst wenn die allermeisten Erkrankungen scheinbar harmlos verlaufen.

Gerade in Indien, hier Teilnehmer einer Studie in Ahmedabad im Januar, wäre wegen des Impfstoffmangels eine Herdenimmunität hilfreich.


Gerade in Indien, hier Teilnehmer einer Studie in Ahmedabad im Januar, wäre wegen des Impfstoffmangels eine Herdenimmunität hilfreich.
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Bild: AP

Seitdem die ersten Impfstoffe verabreicht wurden, führt der Begriff ein neues oder vielmehr: sein altes Leben. Nicht Durchseuchung, sondern die möglichst konsequente Immunisierung mit Vakzinen ist das Ziel. Impfsolidarität statt Sozialdarwinismus.Mit jeder einzelnen der mittlerweile mehr als eine Milliarde verabreichten Impfdosen erlangte das Konzept seine eigentliche Bedeutung zurück.

Herdenimmunität wird wohl nie erreicht

Fünf Tage nach Joe Bidens Amtseinführung und auf dem Höhepunkt der opferreichen Virusschlacht im Land wurde Herdenimmunität durch Massenimpfung von ihm als erstes großes innenpolitisches Ziel ausgegeben. Und da begann die Welt zu rechnen: Wie viele müssen bei uns geimpft werden, damit das Virus schachmatt gesetzt ist? Die Begeisterung ist inzwischen in ganz Europa angekommen. Genauer gesagt: Sie hat sich dorthin verlagert, wo man endlich auch immunologische Morgenluft schnuppert. Denn in Israel, Großbritannien und vor allem in Amerika wird Herdenimmunität nun plötzlich nur noch unter Vorbehalt als Chiffre für das ersehnte Pandemieende verwendet.

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