#Millionenfund im Auktionshaus: Wer ist der Mann mit dem roten Hut?
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Wie kunsthistorische Detektivarbeit dafür sorgte, dass der Wert des Porträt eines unbekannten Mannes aus dem 15. Jahrhundert innerhalb von zwei Jahren von 12.000 Euro auf vier Millionen stieg.
„Flämische Schule, 15. bis 16. Jahrhundert, im Stil der italienischen Renaissance“: Mit diesen Angaben hatte La Suite Subasta, ein kleines Auktionshaus in Barcelona, Anfang 2022 das Porträt eines Mannes mit rotem Hut angeboten. Salomon Lilian, ein auf Alte Meister spezialisierte Kunsthändler in Amsterdam, stutzte. „Ziemlich vage“, fand er. Der Katalogtext offenbarte, dass das Auktionshaus auch nicht genau wusste, was es da unter den Hammer bringen wollte. Der Niederländer saß vor seinem Computer; wie so viele seiner Kollegen durchforstet er regelmäßig das Internet, um zu sehen, was die Versteigerer in petto haben.
Er ist auf der Suche nach sleepers, wie im Fachjargon übersehene oder falsch zugeschriebene Meisterwerke genannt werden. Und dieses kleine Bild – Öl auf Holz, 52,5 mal 35,5 Zentimeter groß – schien nicht nur außergewöhnlich gut gemalt, sondern auch außergewöhnlich gut erhalten. Außerdem: Nicht religiöse Porträts aus der Renaissance sind selten. „Sehr selten sogar!“, betont der Einundsechzigjährige. Der Richtpreis für das Kunstwerk betrug aber nur 12.000 Euro. Auf einmal war da dieses Kribbeln, das ihn immer erfasste, wenn sein Jagdinstinkt geweckt war.
Gründe genug, seinen Mitarbeiter und „Spürhund“ Jasper Hillegers einzuschalten, einen niederländischen Kunsthistoriker. Der fing an zu googeln. Mann, Hut, rot. Und entdeckte, dass das Bild 1928 in Amsterdam als Werk des flämischen Meisters Dierick Bouts (um 1410 – 1475) versteigert worden war. Der Sohn eines bekannten Sammlers hatte es damals eingeliefert. In der Online-Datenbank des Royal Institute for Cultural Heritage in Brüssel stieß Hillegers dann auf einen Ausschnitt aus einer deutschen Kunstzeitschrift von 1908: Darauf zu sehen war die Abbildung einer Kopie des „Mannes mit rotem Hut“, die ebenfalls Bouts zugeschrieben wurde, allerdings weitaus weniger fein gemalt. Obendrein befand sich der Mann auf der Kopie in Gesellschaft einer Dame, die ihm liebevoll die Hand auf die Schulter legte.
Ihr Blick ließ keinen Zweifel: Es musste um ein Hochzeitsbild gehen. Das konnte zweierlei bedeuten: Entweder gab es ein Pendant mit Frau zu dem Männerporträt aus Barcelona und der Kopist hatte aus beiden Bildern ein Doppelporträt gemacht, oder der „Mann mit rotem Hut” war nur noch eine Hälfte eines Werkes, das auseinandergesägt worden war. Die Frage war schnell beantwortet, als Hillegers weiterforschte und in einer Schweizer Privatsammlung in Kreuzlingen die fehlende Frau entdeckte – ebenso groß und genauso fein gemalt.
Die Identität des Paares war noch nicht geklärt, doch für Lilian stand fest: Dieses Bild musste er kaufen. Im März 2022, noch mitten in der Pandemie, flog er nach Barcelona: „Ich schaue mir alle Werke immer erst mit eigenen Augen an“, lautet seine Devise. Mutterseelenallein saß er im Auktionssaal, denn wegen der Covid-Restriktionen durfte eigentlich nur per Telefon und über das Internet geboten werden. Die Konkurrenz hatte nicht geschlafen, es gab einige, deren Jagdinstinkt ebenfalls geweckt war: Lilian musste bis 350.000 Euro gehen, fast das Dreißigfache des Schätzpreises. „Ich hätte noch mehr geboten, ich hatte das Bild ja gesehen“, sagt er.
Wenig später bei der Restaurierung zeigte sich, dass der „Mann mit rotem Hut“ tatsächlich Teil eines Doppelporträts ist: Auf seiner Schulter tauchte eine Frauenhand auf – und an seiner auffallend großen Nase eine Warze, die gleichfalls war übermalt worden war. Anhand dieser konnte der Porträtierte identifiziert werden, weil sie auch auf anderen Bildnissen zu sehen es: Es handelt sich um Graf Eitel Friedrich II von Hohenzollern (1452 – 1512). Die von seiner Seite entfernte Frau ist somit seine Gattin Magdalena von Brandenburg, die 1496 im Alter von nur 36 Jahren auf der Burg Hohenzollern starb. Geheiratet hatte sie den Grafen 1482 in Berlin. Zur Datierung des Gemäldes sagt Lilian: „Das Holz der Bildtafel wurde frühestens 1481 bemalt, das hat die dendrochronologische Untersuchung ergeben.“
Damit haben alle Puzzleteile ihren Platz gefunden. Auf der Maastrichter Kunst- und Antiquitätenmessen TEFAF, gehörte der „Mann mit rotem Hut“ zu den Topstücken. Als aus schwäbische Schule stammend hat Lilian das Bild dort angeboten. Für vier Millionen Euro – 333 mal mehr als der Richtpreis in Barcelona vor zwei Jahren. „Die Identität ist geklärt, die Qualität außergewöhnlich hoch, und nichtreligiöse Porträts aus dem 15. Jahrhundert sind, wie gesagt, sehr selten“, betont der Händler. Noch ist das Werk nicht verkauft, aber es gebe Interessenten: „Ich befinde mich gerade in Verhandlungen“, sagt Lilian. Ist der Preis vielleicht doch zu hoch? „Machen Sie mir ein Angebot!“
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