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#Niedrige Preise, aber alles kaputt. Amazon wirft euch im Outlet-Store Fernseher, Handys und Grafikkarten hinterher

Wertige Grafikkarten der Marke GeForce - die auch noch funktionieren? Vermutlich ein Glücksgriff. (Bild-Quellen: ink drop über Adobe Stock; crazydayfactory.com)
Wertige Grafikkarten der Marke GeForce – die auch noch funktionieren? Vermutlich ein Glücksgriff. (Bild-Quellen: ink drop über Adobe Stock; crazydayfactory.com)

Um euch die Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren mit unterhaltsamen und informativen Inhalten zu versüßen, haben wir handverlesen GameStar-Tech-Artikel ausgesucht, die uns 2023 in besonderer Erinnerung geblieben sind und deren Lektüre wir euch sehr ans Herz legen.

Dieser Artikel ist einer davon. Die Redaktion wünscht frohe Feiertage!

Am Stadtrand von Madrid: Die Uhr zeigt 10 Uhr morgens. Vor dem Eingang eines Lagerhauses bildet sich eine Menschenschlange, mancher kampiert hier auch die Nacht über. Ein Schild verspricht Tiefstpreise.

Jetzt werden die Fenster-Jalousie hochgezogen, Mitarbeiter begrüßen die Wartenden. Damit wurde der Sturm auf die Billigwaren eingeläutet. Einige der Kunden hetzen jetzt ins Lagerhaus, um das zu finden, weswegen sie hergekommen sind: neue Smartphones für kleines Geld, einen neuen Computer für ein Taschengeld, eine Spielekonsole für fast umsonst

Was ist das für eine verrückte Welt?

Es ist die verrückte Welt aus einem Bericht des Redakteurs Albert Sanchis, der sich persönlich aufgemacht hat, um zu berichten. 

Was in dem Lagerhaus konkret verkauft wird: Retouren des weltweit bekannten und millionenfach genutzten Online-Versandhandel Amazon. Die durch dieses Lagerhaus wildernden Kunden suchen nach ausrangierten Produkten, die aufgrund von Lieferfehlern oder beanstandeter Mängel zurückgeschickt wurden. Kleinere Macken an Produkten also. Im Regelfall können diese lädierten Produkte problemlos verwendet werden. Oder etwa doch nicht?

Um zehn Uhr morgens warten die Kunden darauf, dass sich die Tore zum vermeintlichen Schnäppchenparadies öffnen. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)





Um zehn Uhr morgens warten die Kunden darauf, dass sich die Tore zum vermeintlichen Schnäppchenparadies öffnen. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)

Wieso werden Retouren hier weiterverkauft?

Für Plattformen wie Amazon sind solche Rücksendungen ein Negativgeschäft – und mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden. Die Retoure muss abgeholt werden. Zurück ins Lager muss sie außerdem. Die Retoure will geprüft und für den erneuten Verkauf vorbereitet werden.

Die Arbeitsschritte im Falle einer Retoure häufen sich also. Laut Sanchis lohnt für viele Online-Händler dieser Wiederaufbereitungsprozess nicht; deswegen werden zahlreiche Produkte vernichtet.

Im Vordergrund stapeln sich die Pakete. Im Hintergrund predigt ein Plakat den Stufenrabatt. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)





Im Vordergrund stapeln sich die Pakete. Im Hintergrund predigt ein Plakat den Stufenrabatt. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)


Ein anderer Weg, den auch Crazy Day Factory eingeschlagen hat, lautet Drittverwertung. Crazy Day Factory? Die Firma mit dem, nun ja, verrückten Namen, kauft Retouren von Amazon auf – bietet diese anschließend ihren Kundinnen und Kunden zum Verkauf an. Wie beispielsweise in dieser Lagerhalle im Speckgürtel von Madrid. 

Und Crazy Day Factory kauft wirklich viele Retouren. Tag für Tag öffnet die Firma die Türen seiner Lagerhallen, lockt damit hundertfach die Schnäppchenjäger an. Und diejenigen, die ein passendes Produkt einsacken konnten, halten die aufgegabelte Gebrauchtware nicht selten öffentlichkeitswirksam bei TikTok oder Instagram in die Kamera – und sorgen somit für den Schnäppchenjäger-Nachwuchs.

Um sicherzustellen, dass immer weiter genug Tiefpreisfreudige nachrücken, bedient sich Crazy Day Factory eines Tricks, der Verkäufern und Marketing-Strategen altbekannt ist: künstliche Knappheit. Die Website von Crazy Day Factory verkündet, die in der Lagerhalle angebotenen Produkte würden binnen einer Woche wieder aus den Regalen genommen. Immer freitags dann werden die Verkaufsregale neu befüllt.

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2022 von zwei chinesischen Geschäftsleuten. In der Zeit seit der Gründung laufen die Geschäfte dermaßen gut, dass mittlerweile ein zweiter Standort in Parla eröffnet wurde. Parla ist eine Stadt im Raum Madrid.

Aber Crazy Day Factory bedient sich einem weiteren Verkaufs-Kniff: Stufenrabatt. Am Freitag, wenn die neuen Retouren auf den Regalen ausliegen, kostet ein Produkt 15 Euro. Über die darauffolgenden wird der Preis für ein Produkt schrittweise herabgesenkt. Bis am Donnerstag jedes Teil für gerade mal einen Euro verscherbelt wird. Allerdings sind an den Donnerstagen die begehrtesten Produkte längst vergriffen. An jedem Freitag geht das (Verkaufs)wahnsinn dann von vorne los.

Der Redakteur in der Crazy Day Factory 

Redakteur Albert Sanchis begibt sich an einem Dienstag in die Lagerhalle, um sich vom Tohuwabohu rund um die Pfennigfuchser mit eigenen Augen zu überzeugen. Am Dienstag, als Sanchis die Lagerhalle betritt, liegt der Preis für ein Produkt bei 5 Euro.

Sanchis ist verdutzt: Die Verkaufsregale versinken im Chaos. Von einem System kann bei der Sortierung der angebotenen Produkte nicht die Rede sein. Um ein gesuchtes Produkt zu finden, müssen sich Kunden durch Berge von Artikeln wühlen.

Dazu kommt, dass sich viele der Produkte noch in der Versandverpackung befinden. Es gilt es Kartons aufzureißen. Pappen zu zerschneiden. Und Kartonagen zu zerfetzen. Um herauszufinden, ob der Inhalt der Pappen Begehrlichkeiten weckt.

Eine neuwertige Grafikkarte für den Gaming-PC abstauben? Dieser Fund halt vermutlich eher Seltenheitswert. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)





Eine neuwertige Grafikkarte für den Gaming-PC abstauben? Dieser Fund halt vermutlich eher Seltenheitswert. (Bild-Quelle: crazydayfactory.com)


Um zu überprüfen, ob die geborgenen Elektrogeräte noch funktionstüchtig sind, wurde ein spezieller Bereich in der Crazy Day Factory eingerichtet; eingerichtet mit Steckern und Ladegeräten unterschiedlichster Bauarten, können Kunden hier ausprobieren, ob etwa das gefundene Handy noch funktioniert.

Bei seinem Tauchgang durch diesen überdimensionalen Grabbeltisch findet Sanchis (fast) alles. Von Kopfhörern, über Handyhüllen, bis hin zu Kindle-Computern, Lampen und auch Brettspielen ist alles dabei. Weitere Produkte, die Sanchis in die Hände bekommt, sind etwa: Blu-ray-Player, Batterien, Lautsprecher, Ventilatoren.

Ein paar ganz spezielle Lautsprecher zum Sparpreis findet ihr hier:

Sanchis trifft auf einen Mann, einem Stammgast der Crazy Day Factory. Der Mann erzählt: Mein Bruder hat einen 40-Zoll-Xiaomi-Fernseher für 15 Euro mitgenommen. Als Nächstes macht Sanchis die Bekanntschaft zwei junger Männer. Sie erzählen Sanchis, ein Bekannter der Männer habe jüngst ein iPad eingesackt. Jetzt sind die beiden Männer hier, um herauszufinden, ob sie’s ihrem Bekannten gleichtun können.  

Das Personenkarussell dreht sich weiter. Ein Mann namens Javier Matas freut sich über eine gefundene Bohrmaschine. Eine 43-jährige Frau mit Namen Lorena kauft hier Spielzeug für ihre Kinder. Viele andere Personen, mit denen Sanchis das Gespräch sucht, zeigen sich jedoch enttäuscht, sprechen von Betrug und unbrauchbaren Produkten. Letztlich ist die Crazy Day Factory auch ein Glücksspiel.

Und wie ist die Lage in Deutschland?

Laut einem Bericht des Wissensmagazins Galileo wird in Deutschland jeder sechste bestellte Artikel zurückgeschickt. Bei rund 70 Prozent der Retouren, die im Zuge dessen wieder bei Amazon landet, handelt es sich um hochwertige Neuware. Diese Neuware wird bei Amazon neue verpackt und zum Ursprungspreis weiterverkauft. Die verbleibenden 30 Prozent zeigt Gebrauchsspuren – und wird entweder günstiger verkauft, gespendet oder landet in einem Retourenmanagement-Unternehmen. 

Retourenmanagement-Unternehmen: Hier landen auch Produkt, denen man ihre Gebrauchsspuren erstmal nicht ansieht. Natürlich aber auch Produkte, die komplett demoliert sind. Bei mäßig kaputten Geräten reparieren die Mitarbeiter eines solchen Unternehmens – damit die Produkte anschließend wieder verkauft werden können. Verschrottet indes werden Produkte, bei der auch eine Reparatur nicht weiterhilft. Oder dann, wenn das Produkt vermutlich keinen Abnehmer finden wird. Stichwort Ladenhüter. 

Wie funktioniert das Geschäft mit alten Amazon-Artikeln? 

In seinem Bericht beleuchtet Sanchis, wie ein Unternehmen wie Crazy Day Factory mit Amazon-Retouren zwecks Weiterverkauf arbeitet. Zunächst wird geschaut, ob die Retouren einen gewissen Qualitätsstandard erfüllen; wird dieser eingehalten, eignen sich die Produkte zum Verkauf in den Lagerhallen. Wenn nicht, werden die Produkte beispielsweise für wohltätige Zwecke gespendet. Manche Produkte landen aber auch auf Internet-Plattformen zum Weiterverkauf. 

Sanchis trifft auf den E-Commerce-Unternehmer Carlos Bravo, der auf die Fallstricke eines Geschäftsmodells à la Crazy Day Factory aufmerksam macht. Bravo sagt: Viele Neulinge in diesem Geschäft lassen sich von Influencern auf TikTok ködern. Die Realität ist aber: Viele dieser Retouren sind in einem schlechten Zustand. Das hat laut Bravo auch damit zu tun, dass viele der ursprünglichen Kunden ihre Retouren mit fast wie neu deklarieren, um die kostenlose Rücksendung von Amazon zu nutzen.

Ein anderer Mann, der sich auf das Business mit dem Wiederverkauf zurückgegangener Waren konzentiert, ist Toni Parra. Der katalanische Geschäftsmann verdeutlicht, mit welchem Aufwand das Geschäft mit den Retouren einhergeht. Er sagt: Bei einem Produkt, dass sie für 5 oder 10 Euro kaufen, kostet die Reparatur mitunter sehr viel. Laut Parra müsse man sich, wolle man wirklich Geld Rücklieferungen erwirtschaften, hundertprozentig auf darauf konzentrieren. 

Zwei Stunden Kaufwut im Outlet-Store

Am Ende seiner Ochsentour durch die Fabrik mit dem verrückten Namen steht Albert Sanchis mit leeren Händen da. Um 12 Uhr Mittag, nur zwei Stunden nachdem die Billigheimer-Fans die Lagerhalle gestürmt haben, verlässt Sanchis den Schauplatz der Kaufwütigen. Er beschließt, anderntags zurückzukehren. Vielleicht kann Sanchis dann endlich einen neuwertigen OLED-Fernseher für einen Fünf-Euro-Schein aus den Bergen mit Alt-Elektronik ausgraben?

Wie findet ihr ein Unternehmen wie Crazy Day Factory? Ist das ein nachhaltiger Weg, um der Überproduktion entgegenzuwirken, oder sind die Unternehmer dahinter einfach Nutznießer fehlgeleiteter Wirtschaftskreisläufe? Schreibt uns dazu gerne in die Kommentare!

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