#Was sich Carrier von der Viessmann-Übernahme erhofft

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Die Bestätigung des Verkaufs von Viessmann an den amerikanischen Konzern Carrier war wenige Stunden alt, da bemühte sich Carrier-Vorstandschef David Gitlin, die angespannte Stimmung aus Misstrauen, Unwissen und Spekulation zu beruhigen. Auf einer Telefonkonferenz sprach er von einem „großen Tag für uns“. Das Heizungsunternehmen Viessmann „passt uns wie ein Handschuh“ und sei „Europas führendes Unternehmen im attraktivsten Markt unserer Industrie“. Gitlin gab ehrgeizige Wachstumsziele für das zugekaufte Viessmann-Geschäft aus. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von 4 Milliarden Euro vorausgesagt, 2025 sollen es 5 Milliarden Euro sein, und bis zum Jahr 2030 werde im Durchschnitt zweistelliges Wachstum erwartet. Für Viessmann gab es umfangreiche Standortgarantien, auch Kündigungen soll es auf Jahre hinaus nicht geben.
Carrier erwartet sich vom Zusammenschluss Synergien im Wert von 200 Millionen Euro, wobei Gitlin Befürchtungen zu zerstreuen versuchte, dies könnte mit einem Personalabbau verbunden sein. 85 Prozent der Synergien sollten durch Einsparungen im Einkauf erzielt werden. „Es gehe nicht darum, die Belegschaft zu reduzieren. Die Transaktion habe vor einem Jahr mit einem Abendessen mit Max Viessmann, dem Vorstandsvorsitzenden und Sohn von Martin Viessmann, begonnen, seither habe es 15 weitere Abendessen gegeben, bis der Deal festgezurrt war. „Wir kommen nach Deutschland, um zu investieren“, sagte der Carrier-Chef.
Geschäft soll bis Jahresende abgeschlossen werden
Für die Viessmann-Sparte mit rund 11.000 Beschäftigten zahlt Carrier 12 Milliarden Euro. 20 Prozent sollen als Aktienpaket an die verbleibende Viessmann-Gruppe gehen, die damit zu einem großen Carrier-Anteilseigner wird. Das Geschäft soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Im globalen Wettbewerb zähle nur Größe und Stückzahl. Durch den Zusammenschluss entstehe ein „schnell wachsender Innovationsführer in einem hart umkämpften Markt“, sagte Max Viessmann, der einen Sitz im Carrier -Verwaltungsrat erhält. Er sagte am Mittwoch in einem Video-Statement, dass seinem Unternehmen die Ressourcen und die Größe fehle, um mit Unternehmen mitzuhalten, die in Millionen Wärmepumpen-Einheiten rechnen, nicht in Tausenden.
Bild: F.A.Z.
Auch der Bundeswirtschaftsminister war um Beruhigung bemüht. Robert Habeck (Grüne) kündigte an, das Geschäft unter die Lupe zu nehmen. „Wir werden uns das Vorhaben im Rahmen der vorgesehenen Prüfschritte anschauen und sind im Gespräch mit dem Verkäufer und dem Investor, damit das Projekt unserer Wirtschaft und dem Standort Deutschland dient“, sagte er. Die Vorteile der deutschen Energiepolitik und Gewinne, die damit erwirtschaftet würden, müssten Deutschland zugutekommen.
Andere große deutsche Unternehmen der Branche geben sich gelassen. Dass aus dieser Einzelentscheidung ein Trend werden könnte, deutet sich nicht an. „Wir sind der Meinung, dass wir die Transformation aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen können“, sagte ein Sprecher von Vaillant , ebenfalls ein Familienunternehmen und was Größe und Positionierung betrifft am ehesten mit Viessmann zu vergleichen. „Wir sehen keinen Grund, unsere Strategie zu ändern.“ Im September 2022 hatte Vaillant ein Darlehen von der Europäischen Investitionsbank in Höhe von 120 Millionen Euro bekommen.
Seltener, aber nicht beispielloser Fall
Auch Viessmann versicherte, andere Finanzierungsmöglichkeiten – eine Anleihe, einen Teilverkauf an einen Investor, die Übernahme eines Konkurrenten – erwogen zu haben. Auch ein Komplettverkauf habe zur Debatte gestanden. Es hätte auch finanziell noch attraktivere Möglichkeiten als die Übernahme durch Carrier gegeben. Bosch, Anbieter der Marke Buderus, bleibt bei seinen Investitionsprogramm für Entwicklung und Fertigung in Deutschland, Portugal und Schweden. Es werde auf mehr als eine Milliarde Euro erhöht.
Dass ein milliardenschweres Unternehmen in Familienmehrheit für Außenstehende und auch die eigene Belegschaft überraschend verkauft wird, ist in Deutschland selten, aber nicht ohne Beispiel. In Darmstadt war das Entsetzen groß, als die Eignerfamilie Ströher des Kosmetikkonzerns Wella ihre Mehrheit für rund 6,5 Milliarden Euro an Procter & Gamble verkaufte. Von den Strukturen des Unternehmens blieb wenig übrig. Das Geschäftsmodell passte nach Ansicht vieler nicht zu den Amerikanern. P&G verkaufte die Wella-Geschäfte später an den Konkurrenten Coty , der sie Jahre später an den US-Finanzinvestor KKR weiterreichte. In der deutschen Pharmaindustrie gibt es zwei spektakuläre Beispiele, in denen Eignerfamilien beschlossen, die Unternehmen seien zu klein zum Überleben: Altana und Schwarz Pharma.
Als Quandt-Erbin Susanne Klatten beschloss, das Pharmageschäft und damit die Hauptsparte des damaligen Dax-Konzerns Altana versteigern zu lassen, erfuhren Mitarbeiter das aus der Presse. Der Beschluss sollte sich für den Pharmastandort Konstanz als fatal herausstellen. Die Geschäfte landeten über Umwege beim japanischen Takeda -Konzern. Schwarz Pharma ging an die belgische UCB. Man könne international nicht mithalten, sei mit dem Forschungsetat einfach zu klein, sagte Haupteigner und Patriarch Patrick Schwarz-Schütte. Die Familie zahlte den Mitarbeitern anlässlich des Verkaufs eine Prämie – ähnlich wie das jetzt bei Viessmann geschieht. Jüngere Beispiele dafür, dass Familien für Milliardenbeträge aussteigen, sind der Autozulieferer Hella, der an die französische Faurecia ging, und der Sandalenhersteller Birkenstock, der sich an die Beteiligungsgesellschaft L Catterton veräußerte.
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