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#Was tun, wenn alle Herzschmerz wollen?

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Was tun, wenn alle Herzschmerz wollen?

Kürzlich hat sie auf Instagram ihre Villa vorgestellt. Haiyti also mit hüftlangem silbernen Haar und goldenen Trainingshosen, wie sie zu Lounge-Jazz die Zuschauer herumführt, ganz im Stil der MTV-Serie „Cribs“, in der ein Fernsehteam Stars zu sich nach Hause begleitet: „Hier meine goldene Toilette.“ – „Hier lese ich.“ Vorsicht, nicht über die Hündchen oder leere Champagnerflaschen stolpern. „Hier mein kleiner Porsche – momentan nur ein Auto.“ – „Hier die Sauna, da habe ich gerade einen Gast, bitte nicht filmen.“ Die aufregendste deutsche Rapperin hautnah.

Elena Witzeck

War natürlich alles ironisch. Wer Haiyti kennt, weiß, wie sich das Spiel mit Überfluss, Anmaßung und Oberfläche zu ihrem künstlerischen Selbstentwurf verhält. Das beiläufige Protzen als Persiflage dessen, was man von ihren männlichen Kollegen gewohnt ist. Das Beste allerdings war, sich vorzustellen, wie sie nach dem Dreh tatsächlich zu den kleinen Hunden auf das weiße Sofa gefallen sein und nach Champagner gerufen haben könnte, in ihrer Villa. Der untilgbare Zweifel an dem, was sie uns fröhlich als ihre Identität verkauft, setzt auch ihre Musik unter Spannung.

Viel Geld im Spiel

Im vergangenen Jahr hat die Hamburger Rapperin Haiyti zwei Alben herausgebracht, „Sui Sui“ im Sommer und „Influencer“ im Dezember, beides runde, wilde, hyperaktive kleine Kunstwerke. Das erste, also vierte ihrer Laufbahn, war voll düsterer Sehnsucht nach Erlösung, das fünfte kühl und erhaben. Am Freitag erschien überraschend „Mieses Leben“: Will man noch etwas anderes tun als über Haiyti-Alben reden? Eigentlich nicht. Will man immer noch im Cabrio („Barrio“) mit ihr durch die Stadt cruisen? Manchmal schon, wenngleich sie ihre Interviews mit Sätzen füllt, die auf eine ausgiebige Lektüre von Christian Kracht hindeuten. Meistens ist viel Geld im Spiel, irgendein lakonisch vorgetragenes Versagen ihrerseits und angelegentlich eine Yacht. Beispiel: In ihrem Hamburger Umfeld seien alle spielsüchtig gewesen, sie also ständig auf der Rennbahn. Immer habe sie auf das Verliererpferd gesetzt. Oder: Für „Sui Sui“ soll sie 100 000 Euro ausgegeben, sich verkalkuliert und sehr viel Geld verloren haben.

Da ist also die unnahbare Künstlerin, die den Verhaltenskodex des Rapstars beherrscht und zugleich stetig subtil unterläuft. Im Intro ihres neuen Albums geht es auch um ihre Vergangenheit: „Erstes Album Havarie. Damals war ich Robbery. Mit Musik nichts verdient. Ich habe mit Drogen gedealt.“ Der Traum natürlich: Trapstar. Nun die mit dem Ruhm einhergehende Erkenntnis: „Mama, es tut mir leid, ich will zurück.“ Anschließend verliert sich ihre Stimme in einem Meer von Autotune, in einer Variation des Machtnarrativs der ganz Großen.

Es hätte auch ein Konzeptalbum werden können, mit seinen ineinanderfließenden, kurzen Songs, der sich kontinuierlich erweiternden Klangfülle, den Kooperationen zum Abschluss. Aber kurz vor der Hälfte ist schon „Freitag“, Haiyti sitzt im Maybach und sieht nur Neider. Alle notwendigen Botschaften sind gesendet. Dann kann es weitergehen, das Vorstadtmädchen im Rollkragen von Prada ist verschwunden, und jemand anderes, spitzfindig Lächelndes hat seinen Platz eingenommen.

Was Haiyti über die Jahre perfektioniert hat: die hinausgepressten Laute und kurzen Improvisationen, ihre Stimmenvielfalt. Kinderstimmen, krächzende, sich überschlagende, lallende Stimmen: alles von ihr. Den Einfallsreichtum bei Rhythmus und Instrumentalisierung. Man sitzt praktisch mit ihr im Studio, beobachtet sie beim überdrehten Drücken, Regeln, Schieben hier und da. Die Sprache und ihre Referenzen.

In Haiytis Gaunerwelt wird es toxisch, weil dies nicht nur Lieblingswort der Erwachsenen, sondern auch ein immer wieder umgedeuteter Ausruf der Jungen ist, die vor ihren Computern sitzen und zocken. Bei ihr geht es natürlich um Abhängigkeit: „Halte mich wach, mit allem, was ich habe – ich bin toxisch.“ Und dann singt sie wieder mit glockenheller Engelsstimme. Immer einen neuen Gegensatz aufmachen, immer den nächsten Zweifel säen. Nicht ausgeschlossen, dass sie dem schönen Begriff „Minusmensch“ zu größerer Prominenz verhelfen wird.

Wie viele heute erfolgreiche Rapper bedient sich auch Haiyti am Drillrap, der aus Chicago über New York, England und Frankreich nach Deutschland kam und von Straßenrappern wie Luciano weiterentwickelt wird. Warum man eine Künstlerin wie sie unweigerlich in Referenz zu ihren männlichen Kollegen stellt, hat mit Haiytis Anspruch zu tun, als eine von ihnen wahrgenommen zu werden. Die Zeit der Nische ist vorbei. Spotifys Deutschrap-Playlisten mit ihren Millionen Followern, die inzwischen Karrieren bestimmen, führen ihre Musik nicht. Man hört dem neuen Album an, dass sie das jetzt und endgültig ändern will.

Auch so ein Spruch aus einem Interview: „Alle wollen dasselbe, alle wollen Herzschmerz.“ Also singt Haiyti auf dem letzten Song des Albums herzerweichend von tröstendem Nieselregen und tiefergelegten Wolken, und es klingt nach genau der Mischung aus Mainstream und Straßenrap, mit der anderen der Massenerfolg gelang. Nur dass Haiyti gleich darauf ihre Stimme wechselt. Und man sie dabei schon wieder heimlich lachen sieht.

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