#Weltraumteleskop Euclid zeigt Einstein-Ring

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Das europäische Weltraumteleskop Euclid soll eigentlich vor allem die “dunkle Seite” des Kosmos erforschen – Dunkle Materie und Dunkle Energie. Doch in den Aufnahmen seiner Testphase haben Astronomen ein seltenes und spektakuläres Licht-Phänomen entdeckt: einen hellen Einstein-Ring. Dieser ringförmige Lichtkranz entsteht, wenn Licht eines fernen Objekts durch die Schwerkraft eines Vordergrundobjekts verzerrt und abgelenkt wird. In diesem Fall erzeugt eine “nur” 590 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie einen außergewöhnlich starken und klaren Gravitationslinseneffekt. Ihre nach kosmischen Maßstäben geringe Entfernung und die deutliche Ausprägung des Einsteinrings machen diese Entdeckung zu einem raren Fund, wie die Astronomen berichten. Er könnte bei der Vermessung der unsichtbaren Dunklen Materie und ihres Schwerkrafteffekts helfen.
Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einsteins wirkt sich die Gravitation auch auf Strahlung aus: Massereiche Objekte im Weltall krümmen die Raumzeit und lenken so auch Licht aus der geraden Bahn. Wenn ein massereiches Objekt wie eine Galaxie direkt vor einer anderen, viel weiter entfernt liegenden Lichtquelle vorüberzieht, kann es zu einem besonderen optischen Phänomen kommen: Die Vordergrundgalaxie wirkt wie ein Vergrößerungsglas und verstärkt und verzerrt das Licht des Hintergrundobjekts. Wenn dabei beide Objekte auf eine bestimmte Weise ausgerichtet sind, bildet das abgelenkte Licht einen leuchtenden Ring. Dieser Effekt wird nach Albert Einstein als Einsteinring bezeichnet. “Sowohl Einsteinringe als auch punktförmige Linseneffekte haben einen enormen wissenschaftlichen Wert”, erklären Conor O’Riordan vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und seine Kollegen. “Starke Gravitationslinsen können als ‘kosmische Teleskope’ genutzt werden, um die Allgemeinen Relativitätstheorie zu überprüfen und um die Eigenschaften der Dunklen Materie zu erforschen.” Besonders geeignet sind dafür durch relativ nahe Galaxien erzeugte Einsteinringe, doch sie sind selten: “Bisher sind erst fünf solcher Systeme bekannt”, berichten die Astronomen.
Heller Lichtring um nahe Galaxie
Jetzt hat das Team um O’Riordan einen sechsten, besonders gut ausgeprägten Fall einer solchen – nach kosmischen Maßstäben – nahen Galaxie als Urheber eines Einsteinrings entdeckt. Aufgespürt hat sie das am 1. Juli 2023 ins All gestartete Weltraumteleskop Euclid der europäischen Weltraumagentur ESA. Dieses soll im Verlauf seiner sechsjährigen Mission die Materieverteilung und die Expansion des Universums kartieren. Doch bevor die Teleskop-Raumsonde ihre Himmelsdurchmusterung begann, durchlief sie im Herbst 2023 zunächst eine Testphase, in der die Instrumente kalibriert und getestet wurden. In dieser Zeit sendete Euclid einige zunächst noch unscharfe Aufnahmen, in denen Bruno Altieri vom ESA-Auswertungsteam Hinweise auf einen Einsteinring zu erkennen glaubte. “Schon bei dieser ersten Beobachtung sah es für mich danach aus”, berichtet Altieri. Nachdem das Teleskop dann weitere, schärfere Aufnahmen des fraglichen Objekts geliefert hatte, bestätigte sich dies: “Wir konnten dann einen perfekten Einstein-Ring sehen”, sagt der Astronom.
Der neu entdeckte Einsteinring wird von der schon seit 1995 bekannten Galaxie NGC 6505 erzeugt, die rund 590 Millionen Lichtjahre von uns entfernt liegt – nach kosmischen Maßstäben ist dies ein “Katzensprung”. “Aber der von dieser Galaxie verursachte Einsteinring war bis zur Beobachtung durch das Euclid-Teleskop unbekannt”, erklären die Astronomen. “Dies ist die erste starke Gravitationslinse, die Euclid entdeckt hat, und die erste durch eine NGC-Galaxie erzeugte.” Die eigentliche Besonderheit dieser Entdeckung liegt jedoch in der außergewöhnlichen Klarheit und deutlichen Ausprägung des Einsteinrings. Die Vordergrundgalaxie verzerrt das Licht einer rund 4,42 Milliarden Lichtjahre entfernten Hintergrundgalaxie zu einem sehr hellen, fast perfekten Ring. “Die Euclid-Aufnahme repräsentiert eines der besten Signal-zu-Rauschen-Verhältnisse, die es bisher von einer starken Gravitationslinse im optischen und Nahinfrarotbereich gab”, konstatieren O’Riordan und seine Kollegen. “Simulationen zufolge war die Entdeckung dieses Objekts extrem unwahrscheinlich: Eine so große Galaxie mit einer so geringen Rotverschiebung hat eine Chance von nur 1:2000, eine so helle Quelle zu linsen”, erklären die Astronomen.
Erst der Anfang der Euclid-Entdeckungen
Bedeutsam ist der neu entdeckte Einsteinring aber auch deshalb, weil er es dem Team erlaubt, die Masse und den Anteil Dunkler Materie der Vordergrundgalaxie genauer zu kalkulieren. Denn bei relativ nahegelegenen Galaxien als Gravitationslinsen bildet sich dieser Ring um den dichtesten, inneren Teil der Sternenscheibe. „Diese Art von Objekt ist unglaublich nützlich, um die Substrukturen der Dunklen Materie in der Linsengalaxie zu untersuchen“, sagt O’Riordan. Ersten Berechnungen zufolge hat die Dunkle Materie einen Anteil von rund 11,1 Prozent an der Gesamtmasse des vom Einsteinring umschlossenen Galaxienbereichs. Die Auswertungen dieser Daten haben jedoch erst begonnen. Nach Schätzungen des Teams könnte die Euclid-Sonde im Laufe ihrer Mission noch tausende weitere starke Gravitationslinsen entdecken. “Euclid wird das Feld revolutionieren, mit all diesen Daten, die wir noch nie zuvor gesehen haben”, sagt O’Riordan. Eine so erstaunliche Entdeckung zu einem so frühen Zeitpunkt seiner Mission bedeutet, dass Euclid auf dem besten Weg ist, noch viele weitere Geheimnisse zu lüften. Den ersten jetzt beschriebenen Einsteinring haben die Astronomen “Altieri’s Linse” getauft – zu Ehren ihres Entdeckers Bruno Altieri.
Quelle: Conor O’Riordan (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching) et al., Astronomy & Astrophysics, doi: 10.1051/0004-6361/202453014
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