Wissenschaft

#Starben unsere Vorfahren einst beinahe aus?

Ein extrem dünner Flaschenhals zeichnet sich ab: Vor etwa 900.000 Jahren könnte die Population der Vorfahren des heutigen Menschen auf nur etwa 1280 Individuen eingebrochen sein und blieb dann über 100.000 Jahre lang so bedrohlich klein. Dieser Engpass spiegelt sich in den Ergebnissen einer neuen Genomanalyse heutiger Menschen wider. Weitere Untersuchungen sollten den Befund nun bestätigen und die genaueren Umstände des Populationseinbruchs und seiner Auswirkungen auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen klären, sagen die Wissenschaftler.

Heute leben etwa acht Milliarden Menschen auf der Erde. Klar ist: Die Anfänge dieser gigantischen Bevölkerungsentwicklung waren bescheiden – unsere Vorfahren bildeten lange Zeit nur vergleichsweise kleine Populationen aus. Die Bestände waren dabei von erheblichen Schwankungen geprägt. Diesen Prozessen versuchen Forscher bereits seit einiger Zeit anhand von bestimmten Hinweisen im Genom des heutigen Menschen auf die Spur zu kommen. Daraus ergaben sich bereits Hinweise darauf, dass bestimmte Umweltveränderungen in der menschlichen Entwicklungsgeschichte zu starken Rückgängen der Population geführt haben. Die Studie eines internationalen Forscherteams verweist nun auf einen besonders drastischen Engpass in einer möglicherweise entscheidenden Phase der menschlichen Evolution.

Ein Populationsengpass im genetischen Spiegel

Ihre Ergebnisse basieren auf ihrer neuentwickelten Untersuchungsmethode namens FitCoal (Fast Infinitesimal Time Coalescent Process). Dabei nutzen sie in spezieller Weise Muster in den genetischen Unterschieden zwischen heutigen menschlichen Bevölkerungsgruppen. Durch Modellberechnungen sind durch das Verfahren Rückschlüsse auf einstige Populationsgrößen und deren Veränderungen möglich. Anhand von typischen Mutationsraten, die bei Generationsabfolgen auftreten, lassen sich dabei auch Zeitfenster für eine festgestellte Populationsentwicklung bestimmen. Diese Verfahren haben die Forscher nun bei Genomsequenzen von 3154 Personen aus 50 unterschiedlichen Populationen heutiger Menschen angewendet.

Wie sie berichten, zeichnete sich in ihren Ergebnissen ein drastischer Populationseinbruch im menschlichen Stammbaum ab, der bisher unentdeckt geblieben ist. Demnach sind die Vorfahren der heutigen Menschen aus einer winzigen „Gründerpopulation“ hervorgegangen, die in der Zeit von vor etwa 900.000 bis 800.000 Jahren am Rande des Aussterbens existierte. Konkret geht aus den Modellberechnungen anhand der genetischen Hinweise hervor, dass die Anzahl dieser Vertreter der Gattung Homo um über 98 Prozent auf nur noch etwa 1280 Individuen eingebrochen war. Erst nach dem über 100.000 Jahre dauernden Engpass konnte sich die menschlichen Gattung wieder stärker vermehren und erneut stabile Bestände entwickeln, geht aus den Ergebnissen hervor.

Wie das Zeitfenster nahelegt, waren wohl die gemeinsamen Vorfahren des modernen Menschen, des Neandertalers und des Denisova-Menschen, von dem Flaschenhals-Effekt betroffen, argumentieren die Forscher. Konkret könnte es sich um Homininen gehandelt haben, die dem Homo heidelbergensis zuzuordnen sind. Den Forschern zufolge passt das Ergebnis interessanterweise auch zu einem bestimmten Aspekt der Fossilien-Bestände aus der Gattung Homo: „Durch den Engpass in der Frühsteinzeit lässt sich nun eine Lücke in den afrikanischen und eurasischen Fossilienfunden chronologisch erklären“, sagt Co-Autor Giorgio Manzi von der Universität La Sapienza in Rom.

Eine möglicherweise entscheidende Phase

Als Gründe für den Rückgang der menschlichen Vorfahren-Population kommen den Wissenschaftlern zufolge vor allem klimatische Faktoren infrage. Denn in dem relevanten Zeitfenster im Pleistozän kam es bekanntermaßen zu erheblichen Temperaturveränderungen auf der Erde. Möglicherweise haben sie vor etwa 900.000 Jahren im Lebensraum der Vorfahren des heutigen Menschen zu schweren Dürren und damit zum Verlust ihrer Nahrungsressourcen geführt.

„Der neue Befund eröffnet ein neues Feld in der Erforschung der menschlichen Evolution, weil er viele weitere Fragen aufwirft“, sagt Co-Autor Yi-Hsuan Pan von der East China Normal University in Shanghai. „Etwa nach den Orten, an denen diese Individuen lebten und wie sie die katastrophalen Klimaveränderungen überstanden haben“. Die Not könnte auch wegweisende geistige oder kulturelle Entwicklungen in Gang gebracht haben, sagen die Forscher: „Es stellt sich die Frage, ob die natürliche Selektion während des Engpasses die Entwicklung des menschlichen Gehirns beschleunigt hat“, so Pan. Neben einer Verbesserung der klimatischen Bedingungen vor 813.000 Jahren könnte demnach auch die Kontrolle über das Feuer zu dem raschen Bevölkerungswachstum nach dem Engpass beigetragen haben.

Abschließend sagt Senior-Autor LI Haipeng von der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai: „Die neuen Hinweise könnten zukünftig dazu dienen, ein vollständigeres Bild der menschlichen Evolution während der Übergangszeit vom frühen zum mittleren Pleistozän zu zeichnen, was die frühe menschliche Entwicklungsgeschichte entscheidend beleuchten könnte“, so der Populationsgenetiker.

Quelle: Shanghai Institute of Nutrition and Health, Chinese Academy of Sciences, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abq7487

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!