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#Wem gehört die Form?

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„Wem gehört die Form?“

Den südafrikanischen Künstler William Kentridge sieht Tobias Rehberger als bauchige Vase: weiß, mit blauen Punkten und Linien sparsam bemalt und von so rustikaler Machart, dass sie auch das Werk eines Töpfer-Eleven sein könnte. Kentridge selbst gibt sich die Gestalt von drei Zweigen eines blühenden Baumwollstrauchs, die nun aus dem hohen Hals des tönern anmutenden Silikon-Objekts ragen. Während der vergangenen drei Jahrzehnte sind schon viele solcher „Por­träts“ entstanden: Rehberger interpretiert einen Kollegen als Vase und bittet ihn dann, das Arrangement zu komplettieren, indem er der Sicht auf die eigene Person entsprechende Blumen beisteuert.

In Schrankvitrinen wandfüllend angeordnet, bilden vierundvierzig dieser Ensembles den ästhetisch einnehmenden Auftakt zur Retrospektive auf Rehbergers Schaffen im Kunstmuseum Stuttgart. Unter dem Titel „I do if I don’t“ hat ihm Direktorin Ulrike Groos die bisher größte Ausstellung in seiner Heimatregion eingerichtet. Die Frankfurter betrachten den Professor, der an der Städelschule lehrt, dort bei Thomas Bayrle und Martin Kippenberger selbst ausgebildet wurde und am Main sehr präsent ist, zwar gern als einen der Ihren. Geboren wurde er aber 1966 in Esslingen und macht sich durch sein Idiom nach wie vor leicht als Schwabe identifizierbar.

Außergewöhnlich ist die Schau nicht nur wegen der Größe der Werkgruppen, mit denen Rehbergers wichtigste Schaffensphasen von 1993 bis in die Gegenwart jeweils illustriert werden, sondern auch wegen ihrer Präsentationsform, die überraschende Einblicke in sein Œuvre gewährt. Das frappanteste Beispiel dafür liefert eine 2004 begonnene, von seinen Atelierfenstern motivierte Serie, die nicht vor einer Wand, sondern in einem Labyrinth allansichtig wie Renaissance-Plastiken gezeigt werden. Auf diese Weise wird deutlich, dass sich hinter den abstrakten Kompositionen aus farbigem Acryl, MDF oder Aluminium tatsächlich Fensterrahmen verbergen und ihre Transparenz eine Funktion hat, nämlich den Außen- mit dem Innenraum zu verbinden.

Brenzlig: Tobias Rehbergers Atompilz steigt inmitten der Stuttgarter Ausstellung „I do if I don’t“ in die Höhe.


Brenzlig: Tobias Rehbergers Atompilz steigt inmitten der Stuttgarter Ausstellung „I do if I don’t“ in die Höhe.
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Bild: dpa

Anders als gewohnt stehen indes die Vasen nicht auf Sockeln, sondern verteilen sich in Petersburger Manier vor der Museumswand wie traditionelle Blumenstillleben auf Tafelbildern. Was die „Por­träts“ mit den Künstlern verbindet, deren Namen ihnen jeweils die Titel geben, erschließt sich meist nur schwer. Bei „William Kentridge“ etwa entspricht die Zweifarbigkeit der Vase seinen charakteristischen Kohlezeichnungen. Von deren Virtuosität hat das windschiefe Gefäß jedoch nichts. Leichter zu dechiffrieren ist die Baumwolle, die sich aufdrängt als Symbol für Sklavenarbeit und Unterdrückung der Schwarzen, die zu Kentridges zentralen Themen gehören.

Wesentlicher als die Interpretation der Form ist aber die Frage nach ihrem Autor. Porträtist und Porträtierter geben dem Porträt schließlich gemeinsam Gestalt. Ist es also Rehberger als Ideengeber und Vasenproduzent? Sind es seine Kollegen, ohne deren Zutun die Objekte unvollständig wären? Oder ist es die Natur als Schöpferin der Pflanzenpracht? Die gleiche Frage stellen im Übrigen auch drei monströse, mit neonfarbenem Lack überzogene Termitenhügel, denen man in einem anderen Raum begegnet. Bei Rehbergers partizipativen Arbeiten wiederum werden die Betrachter zumindest zu Ko-Autoren. So liegt es in ihrer Hand, wie intensiv ein Himmel voller Lampen leuchtet, und sie sind ausdrücklich aufgefordert, die Wand zu bemalen, auf die abstrakte Skulpturen konkrete Schatten werfen.

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