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#Wenn alte Dokumente neue Rätsel aufgeben

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Wenn alte Dokumente neue Rätsel aufgeben

Das Handy leistet auch bei der Wiedergabe von gesprochenen Texten gute Dienste. „Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren“, tönt es vom Diktiergerät. Die Sprecherin rattert die Worte so flink herunter, dass der Zuhörer sich Mühe geben muss, den roten Faden nicht zu verlieren: „Lassen Sie mich heute einen Überblick über die Entwicklung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union seit dem Jahre 1989 geben.“ Der Bleistift von Regine Daneke flitzt über das Papier. Kurze geschwungene Linien, unterbrochen von Zacken, Auf- und Abstrichen, formen sich Reihe für Reihe zu einem Schriftbild, das dem uneingeweihten Leser Rätsel aufgibt.

Die Vorleserin macht keine Pause. „Wesentliche Ursache für die Einführung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik war das Ende des Ost-West-Konflikts in Europa“, geht es weiter. Daneke hat mit dem spröden Text keine Schwierigkeiten. Längere Begriffe wie „Bundesrepublik Deutschland“ kondensiert sie auf dem eng beschriebenen Blatt zu extrem knappen Bögen, Schleifen und Rundungen.

Eine verblassende Tradition

Das flotte Tempo beim Vorlesen hat System. „Das waren jetzt 300 Silben pro Minute“, sagt Daneke. Wer da versuchen würde, in seiner individuellen Handschrift mitzuhalten, käme nicht weit. Für die Vorsitzende des Stenografenvereins 1897 Langen, die für ihre Notizen die Deutsche Einheitskurzschrift nutzt, ist dies jedoch „die Mindest-Geschwindigkeit, die ich erreichen muss, um in der Meisterklasse zu bestehen“. Vor wenigen Wochen wurde sie in Obertshausen Hessische Meisterin in Deutscher Kurzschrift, Vize-Meisterin in Englischer Kurzschrift und Vize-Meisterin im Tastatur-Schnellschreiben. In Deutscher Kurzschrift hielt sie bis 325 Silben pro Minute mit; beim Tastatur-Schnellschreiben kam sie auf 547 Anschläge pro Minute. „Schreiben ist mein Leben“, sagt Daneke.

Regine Daneke, die 1. Vorsitzende des Vereins, erläutert die Stenografiesysteme.


Regine Daneke, die 1. Vorsitzende des Vereins, erläutert die Stenografiesysteme.
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Bild: Albermann, Martin

Mitglieder des Vereins waren schon bei Südhessischen, Hessischen, Deutschen und Weltmeisterschaften dabei. Vor Corona wurden die Langener Stenografen mehrere Jahre in Folge Deutscher Vize-Meister in Englischer Kurzschrift. Daneke erinnert sich gerne an die Weltmeisterschaften in Gent, Berlin, Istanbul, Brüssel und Wien. Seit 1997 steht sie dem Verein vor, der knapp 100 Mitglieder hat. Schüler, Hausfrauen, Studenten, Richter, Lehrer, Rechtsanwälte, Angestellte, Beamte, Geschäftsleute, Bilanzbuchhalter, Sekretärinnen, Hotelkaufleute: Angehörige der unterschiedlichsten Berufe gehören dazu. Einige halten ihm die Treue, obwohl sie längst nach Österreich oder nach Schanghai umgezogen sind.

Früher hatte der Verein mehr Mitglieder, doch im Zeitalter von Diktiergeräten, Spracherkennungsprogrammen und Kommunikation über soziale Netzwerke, bei der gerade junge Leute ihren Daumen mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Tastatur ihres Smartphones bewegen, lässt das Interesse an der Stenografie nach. Mancher traditionsreiche Verein hat sich schon aufgelöst. Dem Hessischen Stenografenverband gehören laut seiner Internetseite derzeit 19 Vereine mit insgesamt 1000 Mitgliedern an. Zwar müssen Landtags- und Bundestagsstenografen weiterhin flink mitschreiben können, und auch in anderen Berufen sind derlei Fertigkeiten hilfreich. Doch an Real- und Berufsschulen wurde der Kurzschriftunterricht seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nach und nach eingestellt, zuletzt in Bayern.

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