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#Wenn aus Verlierern Gewinner werden

„Wenn aus Verlierern Gewinner werden“

Im Oktober 2021 gab es in der Galerie Barbara Weiß in Berlin-Kreuzberg eine Gruppenausstellung. Sie hieß „Stars Down to Earth“, und es waren, wie das bei Gruppenausstellungen oft der Fall ist, Arbeiten von Künstlern dabei, die an ganz unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere stehen. In einer Ecke hing ein DIN-A4-Blatt glatt gerahmt. Fast hätte man es für die Hausordnung halten können, und im weitesten Sinne war es das auch. Was dort stand, war ein Aufruf, ein Hilferuf, ein Appell: Wie man es besser machen könnte auf einem Markt, der nur Gewinner und Verlierer kennt, der aber eigentlich von all dem Dazwischen lebt.

Auf dem schlichten Blatt stand, mit einer Schreibmaschine getippt, der Vorschlag, dass man doch fünf Prozent von allen Galerieeinnahmen und fünf Prozent der Künstlereinnahmen in einen Topf werfen und diese zehn Prozent unter allen an der Ausstellung beteiligten Künstlern aufteilen sollte. Weil der Wert von Kunst sich eben nicht nur darin ausdrückt, wie viel jemand bereit ist, dafür zu bezahlen, und weil man das System „Kunst“ solidarischer denken muss, wenn es weiterhin in all seiner Vielfalt bestehen soll.

Künstler sollen von ihrer Arbeit leben können

Auf dem Blatt hieß es: „Angesichts der zunehmenden Privatisierung der Kunstwelt und einer individualisierten Erfolgsperspektive, in der Gewinner und Verlierer in finanzieller Hinsicht klar definiert sind, sind wir der Ansicht, dass kollektivere und verantwortungsbewusstere Wirtschaftsmodelle vorgeschlagen werden müssen (…) Es gibt eindeutige wirtschaftliche Barrieren, die den Zugang zur Kunstwelt verhindern, und Fragen der Zugänglichkeit von Klassen bestehen in der gesamten Branche.“

Was etwas verklausuliert klingt, bedeutet, dass auch die Künstler, deren Werke sich nicht so gut verkaufen – weil sie noch nicht so etabliert sind oder weil ihre Arbeiten aufgrund ihrer Beschaffenheit schwerer zu verkaufen sind (Konzeptkunst, Videoarbeiten, Performances) –, die Möglichkeit haben sollen, von ihrer Arbeit zu leben. In dem Vorschlag wird aber auch ein grundsätzliches Problem des Kunstbetriebes benannt: die erschwerten Zugangsbedingungen, die sich durch die schlechte Bezahlung ergeben. Nicht nur von Künstlern, sondern auch von Kuratoren, Mitarbeitern in Galerien und Museen und vom Aufsichtspersonal. Das ist mit den „Fragen nach der Zugänglichkeit von Klassen (…) in der gesamten Branche“ gemeint. Ein Kulturbetrieb, der voraussetzt, dass man sein Leben nicht mit Arbeit bestreiten muss, sondern durch reiche Eltern oder Partner querfinanziert, wird nur noch sehr eintönige Kultur hervorbringen, die von einer weißen oberen Mittelklasse bestimmt wird.

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Unterzeichnet war der Vorschlag von der Berliner Künstlerin Sung Tieu, dem Studio for Propositional Cinema und dem Kurator Nicholas Tammens. Das Projekt dazu nennt sich CASE: Communal Artist Sharing Economy. Neben dem Vorschlag, einen gewissen Teil der Einnahmen von Gruppenausstellungen fair aufzuteilen, arbeiten sie auch an einer Open Source Plattform, an der sich jeder beteiligen kann, um neue Systeme zu erfinden, die die klassische Ordnung des Kunstmarktes umgehen. Im Idealfall sind dort Galerien gelistet, die bereits so agieren oder bereit sind, sich mit einem neuen Modell zu befassen.

Außerdem sollen dort Fragen geklärt werden, die gerade jüngere Künstler oft nicht stellen. Etwa: Wie viel Honorar darf man verlangen? Wie viel Einsatz wird von der Galerie erwartet? Wie beteiligt sich eine Galerie an einer Neuproduktion? Alles Fragen, die man sich als Betrachter von Kunst eher nicht stellt und die einem vermutlich auch nebensächlich vorkommen. Dabei entscheidet ihre Klärung darüber, welche Art von Kunst in Zukunft produziert und damit zu sehen sein wird.

Wem gehört was, warum und wo kommt das Geld dafür eigentlich her?

Wenn nämlich nur noch die Künstler sichtbar wären, die sich gut verkaufen lassen, würde es bald nur noch schimmernde „Balloon Dogs“ von Jeff Koons geben, die schon mal 50 Millionen Dollar auf einer Auktion kosten können. Solche Kunst wie beispielsweise die von Maria Eichhorn würde dann weniger oder gar nicht zu sehen sein. Eichhorn, die von der eingangs erwähnten Galerie Barbara Weiß vertreten wird, hat in diesem Jahr den deutschen Pavillon auf der Venedig Biennale bespielt. Dabei hat sie die Schichten und damit die Geschichte des Bauwerks offengelegt. Für die Documenta 14 in Athen hat sie von ihrem Produktionsbudget ein Haus gekauft, mit dem Ziel, dass es niemandem gehört, was bürokratisch nicht möglich ist.

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