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#„Wenn das nicht Saigon 2.0. ist – was dann?“

„Wenn das nicht Saigon 2.0. ist – was dann?“

In Großbritannien, das nach Amerika die höchsten Verluste im Afghanistan-Krieg zu beklagen hat, schlagen die Emotionen hoch. Am Montag versagte Verteidigungsminister Ben Wallace die Stimme, als er in einem Radiointerview zugab, dass die britischen Soldaten nicht alle Afghanen, die ihnen geholfen haben, aus dem Land würden holen können. Auf die Frage des Moderators, warum er so angefasst sei, sagte Wallace mit brüchiger Stimme: „Weil ich ein Soldat bin. Weil es traurig ist. Und der Westen getan hat, was er getan hat.“

Wallace gehört in London zu jenen, die den in Washington beschlossenen Rückzug für einen schweren Fehler halten. Er bezeichnete das Abkommen, das der frühere amerikanische Präsident Donald Trump mit den Taliban abgeschlossen hat, als „verrotteten Deal“. Für die Fortsetzung und Beschleunigung dieser Politik unter Trumps Nachfolger Joe Biden findet er weniger harsche Worte. Biden habe ein doppeltes Momentum „geerbt“, sagte der Verteidigungsminister am Montag – ein Momentum des Truppenrückzugs und eines für die Taliban, weil die sich nach dem Abzug als Sieger fühlen durften. Unter Biden sei nur die Saat seines Vorgängers aufgegangen.

Außenminister Raab „im Feld vermisst“

Am Sonntag sagte Wallace einer Zeitung, dass er sich um eine eigene Koalition bemüht habe. „Als die Vereinigten Staaten ihren Deal und den sofortigen Rückzug ankündigten, habe ich versucht, andere zu finden, die ihren Platz einnehmen könnten – vergebens. Ermüdete Bevölkerungen und Parlamente hatten keinen Appetit.“ Wallace versucht, den Afghanistan-Einsatz gleichwohl nicht als totales Scheitern darzustellen. Er dürfte auch die mehr als 450 britischen Familien im Blick gehabt haben, die Angehörige auf dem afghanischen Schlachtfeld verloren haben, als er an die „Erfolge“ der Mission erinnerte. Immerhin sei es gelungen, Al Qaida aus dem Land zu vertreiben und den Heroinhandel zu begrenzen. „Weniger Terror und weniger Drogen waren den Kampf wert“, schrieb er.

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Premierminister Boris Johnson und Außenminister Dominic Raab halten sich bislang zurück. Johnson sagte nur, Afghanistan dürfte nicht abermals zu einem Nährboden für Terroristen werden, und forderte „gleichgesinnte Mächte“ zu gemeinsamem Vorgehen auf. Eine neue Regierung in Kabul solle nicht voreilig anerkannt werden, verlangte der Premierminister nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts. Raab wurde dafür kritisiert, dass er seinen Sommerurlaub in Zypern erst am Sonntag abbrach. Der Minister sei „im Feld vermisst“, erklärte die Opposition, die den Regierungen in London und Washington eine „katastrophale Fehlkalkulation“ vorhält. Aber auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Tom Tugendhat, sah sich außerstande, die Politik des Außenministeriums zu erklären. „Wir haben seit einer Woche nichts vom Außenminister gehört – trotz der größten Politikkatastrophe seit Suez“, sagte der konservative Abgeordnete.

Konservative sind sich uneinig

Während Tugendhat auf die missglückte Intervention in Ägypten von 1956 anspielte, erklärte sein Fraktionskollege Tobias Ellwood den Fall von Saigon im Jahr 1975 zum Vergleichsmaßstab. Er verbreitete ein Video von den Evakuierungen in Kabul und schrieb dazu: „Wenn das nicht Saigon 2.0. ist – was dann?“ Ellwood, der Vorsitzender des Verteidigungsausschusses ist, wiederholte seine Forderung, die Afghanistan-Mission mit einer öffentlichen Untersuchung aufzuarbeiten. Zunächst wird es am Mittwoch zu einer Sondersitzung des Unterhauses kommen, für die alle Parlamentsmitglieder aus dem Urlaub zurückgerufen wurden.

Während Abgeordnete wie Tugendhat und Ellwood eher die Rückzugsentscheidung und taktische Fehler des Einsatzes kritisieren, wird die zwanzigjährige Militärmission von anderen Politikern im Grundsatz in Frage gestellt. Sie sei „aus Ignoranz geboren, unrealistisch in ihren Zielen, schlecht ausgeführt und unterfinanziert gewesen“, sagte der konservative Abgeordnete John Baron am Montag. Nun ende selbst der Abzug im Chaos. Baron forderte Johnson auf, sich – auch im Namen früherer Premierminister – zu entschuldigen, auch bei den jetzt eingesetzten Soldaten, die „noch immer den Preis für diese Torheit zahlen“.

600 Soldaten sind im Einsatz, um Briten und Ortskräfte aus Afghanistan zu fliegen. In der Nacht zu Montag trafen die ersten 300 auf einem Militärflughafen in Oxfordshire ein. Bis zu 4000 Menschen, überwiegend afghanische Helfer, warteten noch auf britische Hilfe, heißt es im Verteidigungsministerium.

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