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#Wenn Naturbegeisterung auf Jagdfieber trifft

„Wenn Naturbegeisterung auf Jagdfieber trifft“

Bei der Lektüre von Andreas Möllers Abhandlung über den Hecht stellt sich recht früh eine seltsame Frage: Geht es hier wirklich in erster Linie um den Raubfisch? Oder ist er nur der Anlass, um übers Angeln zu sinnieren? Genauer: über die eigene Begeisterung für diesen Sport. Denn es scheint, folgt man dem Autor, geradezu undenkbar, dass das elegante und ausgesprochen aggressive Tier unabhängig von Leuten existieren kann, die ihm nachstellen. Maxime: Wer Hecht sagt, muss auch Schnur, Haken und Blinker sagen. Das signalisiere schon der Körper desjenigen, der ein Exemplar erblickt und an Land ziehen will: „Es durchfährt mich wie ein Stromstoß, und sofort ist sie wieder da: die für Nichtangler schwer verständliche Nervosität, in die sich Naturbegeisterung und Jagdfieber mischen!“

Solche Passagen wollen gerechtfertigt sein, weswegen Möller den „Modus des Beutetriebs“ mit einem kulturkritischen, in solchen Zusammenhängen durchaus üblichen Reflex zu einer noblen Regung verklärt, die sich selbst „im Zeitalter der Supermärkte und digitalen Bringdienste“ nicht stillstellen lasse. Länge und Gewicht des Hechts seien übrigens wichtig, allerdings spiele die Ästhetik eine ebenso große Rolle: Ist der Fisch hässlich, taugt er nicht viel. Gleichwohl stehe über allem der Wunsch, „für einen Moment tiefer einzutauchen in die Natur“, und daran habe – Kulturkritik, zweiter Akt – das „moderne Leben mit seinen virtuellen Optionen der Naturerfahrung nichts verändert“.

Andreas Möller: „Hechte“. Ein Portrait.


Andreas Möller: „Hechte“. Ein Portrait.
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Bild: Matthes & Seitz Verlag

Hiermit wären maßgebliche Aspekte des Buches benannt. Möller führt die immer gleichen Gedanken immer anders aus, reichert sie mit historischen Fakten an und erweist sich einerseits als rhetorisch fähiger Autor, der andererseits gängige und längst entkräftete Vorurteile reproduziert. Als einen Hauptgegner hat er etwa den Kormoran ausgemacht. Der gesellige Vogel frisst täglich rund ein halbes Kilo Fisch, was Möller zu Suggestivbotschaften folgender Art motiviert: „Angesichts solcher Mengen kann man sich ausmalen, was eine nahegelegene Kolonie oder größere Gruppe mit zwanzig, einhundert oder mehr Vögeln für den lokalen Fischbestand bedeutet.“ Zunächst einmal kann man sich ausmalen, wie ärgerlich es für den Angler sein muss, wenn ein Konkurrent auftaucht, für den die Beute tatsächlich überlebensnotwendig ist. Sodann sticht hervor, dass Möller sich auf Zahlen des Deutschen Angelfischerverbands stützt, der selbstverständlich eigene Interessen im Blick hat.

Dass Fischbestände abnehmen, liegt wissenschaftlichen Studien zufolge meist an der mangelhaften Qualität von Laichgebieten, der Gewässerstruktur und -verbauung, Schadstoffeinträgen und der unsachgemäßen Bewirtschaftung von Teichen. Möller findet indes, der Mensch greife dilettantisch in die Umwelt ein, indem er bestimmte Spezies unter Schutz stelle. Es sei ein Fehler, die „Rückkehr einstmals vertriebener Wildtiere“ als „Wiedergutmachung an der Natur“ zu betrachten. Ein besonders polarisierendes Beispiel hierfür sei der Wolf, der bei uns „mehrere Tausend Herdentiere pro Jahr“ reiße. Der Autor bringt seinen mal beleidigt, mal empört wirkenden Ausbruch auf weniger als fünf Seiten unter. Die komplizierten populationsdynamischen Zusammenhänge, ohne die eine seriöse Diskussion der Materie nicht möglich ist, lässt er genauso beiseite wie die gleichfalls komplizierten Debatten zum Thema.

Darüber hinaus stellt Möller en passant die tierethische Frage nach der Leidensfähigkeit von Lebewesen, ohne dass irgendein substanzielles Argument daraus folgen würde. Er behauptet, Hechte besäßen „wie alle Fische“ im Vergleich zu „höher organisierten Tieren wie Säugern oder Vögeln fraglos schwächere Sinnesorgane“, obwohl zum Beispiel einige Haie Blut in milliardenfacher Verdünnung wahrnehmen können. Er fragt, wie es möglich sei, dass „uns das Lesen des Flugbilds von Greifen wie Mäusebussarden, Milanen und Rohrweihen Probleme bereitet, während uns die Erderwärmung oder die Biodiversität als Faktum wichtig sind“ – als habe das eine zwangsläufig mit dem anderen zu tun. Er hat, kurz gesagt, kein überzeugendes Buch geschrieben.

Andreas Möller: „Hechte“. Ein Portrait. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2022. 159 S., Abb., geb., 20 Euro

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