#Wenn sich die Wut auf Putin entlädt
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„Wenn sich die Wut auf Putin entlädt“
Wenn Sergej Prokopkin mit seinem Kind im Tragegurt durch Berlin spaziert, singt er oft Lieder auf Russisch. Er macht das auch jetzt noch, obwohl Wladimir Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und Raketen auf Zivilisten feuern lässt. Doch inzwischen denkt Prokopkin, der vor fast zwanzig Jahren aus dem Süden Russlands nach Deutschland kam, häufiger darüber nach, ob er das Singen nicht besser sein lassen sollte. Bisher ist es beim Gedanken geblieben, er hat ihn stets wieder verworfen. Dennoch fühlt sich Prokopkin eingeschränkt: „In dem Moment, wo der Gedanke da ist, handele und denke ich nicht mehr frei. Von daher hat die derzeitige Stimmung schon eine Wirkung. Eine gewisse Angst ist da.“
Zuletzt war vermehrt über Anfeindungen und Angriffe auf Russlanddeutsche oder Menschen mit postsowjetischem Hintergrund berichtet worden. Eine Umfrage des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ unter den Innenministerien und mehreren Polizeipräsidien ergab, dass die Behörden in den Tagen nach Kriegsbeginn mehrere Straftaten verzeichneten. Vereinzelt kam es zu Angriffen auf russischsprachige Menschen und Sachbeschädigungen bei russischen Geschäften.
Am vorigen Freitag gab es einen Brandanschlag auf eine deutsch-russische Schule in Berlin, bei dem das Landeskriminalamt einen Bezug zum Ukrainekrieg vermutet. Fälle wie die Versetzung mehrerer Mitarbeiter mit russischen Wurzeln beim Waffenhersteller Heckler & Koch, der den Schritt mit der „Pflicht zur Fürsorge“ für die Mitarbeiter begründete, werden den Verantwortlichen als diskriminierend ausgelegt. Und auch an Schulen und in Sportvereinen kommt es offenbar zu Mobbing und Anfeindungen. „Es berichten vermehrt Eltern oder Sozialarbeiter über solche Fälle. Das macht uns Sorgen“, heißt es vom Bundesverband russischsprachiger Eltern (BVRE).
„Wir merken erst jetzt, wer woher kommt“
Russische Communities in Deutschland werden zur Zielscheibe für die Wut, die sich angesichts des Kriegs mit seinen weit über die Grenzen der Ukraine hinausreichenden Folgen bei manchem aufgestaut hat. Der BVRE hat die Sorge, dass sich Kinder künftig nicht mehr trauen könnten, in der Öffentlichkeit Russisch zu sprechen. Um Anfeindungen zu verhindern, sollten Pädagogen dieses Thema aktiv angehen, sagt Jurij Sargelis, der stellvertretende Geschäftsführer. „Zurückdrängen kann man es sowieso nicht, weil es überall präsent ist.“ Der Bundesverband habe die Schul- und Kulturministerien angeschrieben und seine Hilfe angeboten. In dieser Woche stehe ein weiteres Treffen mit der Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), an, in dem es darum gehen soll, wie man in Zukunft ein friedliches Zusammenleben fördern kann. Der Verband hilft zudem bei der Koordination von Projekten für die Integration der Flüchtlinge.
Zu denen, die sich engagieren, gehört auch Prokopkin. Er hat eine Sammelstelle geschaffen, die solche Fälle, aber auch Artikel oder Fake News dokumentiert. Als Jurist mit Schwerpunkt Diskriminierung und Antidiskriminierungsrecht beschäftigt er sich schon länger mit Antislawismus. „Es kommt jetzt vermehrt zu solchen Fällen, es gibt aber auch eine Kraft, die dem Ganzen entgegenwirkt“, sagt Prokopkin und verweist auf zwei Beispiele: Das Universitätsklinikum München distanzierte sich umgehend von einer öffentlich gewordenen Nachricht einer Ärztin, die die Behandlung russischer Patienten ablehnte. Ein Restaurantbetreiber in Baden-Württemberg wurde im Internet heftig kritisiert, nachdem er bekannt gegeben hatte, keine russischen Gäste mehr bedienen zu wollen.
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