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#Wer kann das Blut abwaschen?

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„Wer kann das Blut abwaschen?“

Der andauernde Protest gegen den andauernden Krieg in der Ukraine hat in Russland zumeist ein weibliches Gesicht. Am Wochenende hatten sich in Moskau die beiden Aktivistinnen Natalja Perowa und Ljudmila Annenkowa in weißen, mit roter Farbe beschmierten Kleidern vor das Außenministerium gestellt und das Foto unter dem Titel „Wir können das Blut nicht abwaschen“ in den sozialen Netzwerken gepostet.

Das Bild der sich an den Händen haltenden Freundinnen, das die Verzweiflung und Scham für die von ihrem Land verübten Bluttaten so eindringlich veranschaulicht, verbreitete sich augenblicklich über oppositionelle Telegram-Kanäle. Zugleich wurde es aber auch von staatstreuen Bloggern verspottet, von denen einer über die „schmutzigen dummen Gänse“ herzog, die sich in aller Herrgottsfrühe mit Marmelade beschmierten. Als am Montag erst Perowa festgenommen wurde und Annenkowa sich dann selbst der Polizei stellte, wollten die Beamten die beiden Frauen zunächst wegen „Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ belangen, worauf Geldstrafe steht. Nach einem Anruf der Vorgesetzten wurden ihnen zusätzlich wiederholte Verstöße gegen das Demonstrationsrecht bescheinigt. Das ermöglicht es, beide festzuhalten.




Am Montag wurde unterdessen in Petersburg die Untersuchungshaft für die Künstlerin und Musikerin Alexandra Skotschilenko bis zum 1. Juli verlängert, die in einem Supermarkt Preisschilder mit Nachrichten über russische Gräueltaten in den ukrainischen Städten Mariupol und Butscha ersetzt hatte. Die 31 Jahre alte Skotschilenko war von einer Kundin des Supermarkts denunziert worden und ist seit 11. April in Haft. Die Künstlerin hat ihre bipolare Persönlichkeit in einem Buch über Depression verarbeitet und psychisch erkrankte Menschen durch gemeinsames Musizieren therapiert. Da sie an der Autoimmunkrankheit Zöliakie leidet, muss sie sich glutenfrei ernähren, was ihr die Gefängnisaufsicht wochenlang verweigerte.

Alexandra Skotschilenko im Petersburger Gerichtssaal.


Alexandra Skotschilenko im Petersburger Gerichtssaal.
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Bild: Sota

Ihre Lebenspartnerin Sofja Subbotina berichtet, dass Skotschilenko über gesundheitliche Probleme klage, die nicht behandelt würden, und dass ihre Zellengenossinnen sie beschimpften und belästigten. Der Petersburger Künstler Dmitri Schagin erinnerte in einem Youtube-Video daran, dass Künstler empfindliche Naturen seien, und appellierte an die Barmherzigkeit des Gerichts. Zum Gerichtstermin erschienen Journalisten und Unterstützer. Doch der Antrag, Sko­tschilenko während der Ermittlungen in den Hausarrest zu entlassen, wurde abgelehnt. Aufgrund des nach Kriegsbeginn verabschiedeten Gesetzes über die Verbreitung angeblicher „Fake-Nachrichten“ drohen Sko­tschilenko neben einer Geldstrafe bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Die Repressionen sollen die letzten Reste der russischen Zivilgesellschaft einschüchtern. Dazu passt, dass dem Portal „Kommersant“ zufolge die Russen keine Bücher über Investitionen und Selbstoptimierung mehr läsen, sondern sich vermehrt über den Totalitarismus informierten. Die Erinnerungen des Wiener Psychiaters Viktor Frankl, der drei deutsche Konzentrationslager überlebte, sowie George Orwells Romandystopie „1984“ sind demnach Bestseller in Russland.

Eine günstige Wendung scheint indes der Fall des populären und leidenschaftlich pazifistischen Rockmusikers Juri Schewtschuk zu nehmen, der bei einem Auftritt mit seiner Band DDT in Ufa jüngst das Publikum an die vielen Kriegstoten in der Ukraine erinnerte. Schew­tschuk, ein Petersburger wie Putin, der diesem gegenüber mehrfach die Pressezensur, das Kastensystem und den Totalitarismus kritisiert hatte, mahnte da seine Fans, die Heimat sei nicht das Hinterteil des Präsidenten, das man küssen müsse. Heimat sei vielmehr die arme alte Frau, die am Bahnhof Kartoffeln verkaufe. Polizisten verfertigten daraufhin ein Protokoll, wonach er die Streitkräfte diskreditiert habe, was ein Petersburger Gericht jedoch zurückschickte, da durch die Polizei nicht ersichtlich geworden sei, inwiefern Schewtschuk die Soldaten beleidigt habe. Ein ungenannter Informant berichtet unter Berufung auf einen früheren Petersburger Funktionär bei einem oppositionellen Portal, in Russlands zweiter Hauptstadt hätten sich sämtliche Richter geweigert, den Fall Schewtschuk zu verhandeln. Das Netzpublikum jubelt, und für den Telegram-Nutzer ist der 65 Jahre alte Schewtschuk ein Vorbild: weil er ein Beispiel abgebe, wie man leben solle, nämlich so, dass kein Richter es wagt, ein Verfahren zu eröffnen.

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