#„Wer sagt, dass Putin vor Polen halt macht?“
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„„Wer sagt, dass Putin vor Polen halt macht?““
Ein Menschenmeer bedeckt den Platz an der Hauptwache. Viele halten Plakate hoch: „Wieviele Leben kostet Gas?“, „Stand with Ukraine“ und immer wieder: „Stop Putin“. 1500 Menschen sind gekommen, schätzt die Polizei, um gegen den russischen Angriff auf die Ukraine zu demonstrieren. Weitaus mehr, als die Veranstalter vorhergesehen haben. Der Ukrainische Verein in Frankfurt und die deutsch-ukrainische Vereinigung für Wirtschaft und Wissenschaft haben zu der Kundgebung aufgerufen.
Die Studenten Maxim, Kostyantyn und Chris sind dafür aus Gießen und Marburg nach Frankfurt gekommen. Maxim ist Russe, Kostyantyn Ukrainer, Chris Deutscher. Dass sie hier zusammen für den Frieden demonstrieren, scheint für sie selbstverständlich. „Wir sind doch Brudervölker. Aber im Moment leben wir in einer Familie, die nicht zusammenfindet“, sagt Chris. Auch er spricht russisch, hat Verwandte in Kiew: „Wir stecken zwar mitten in den Klausuren, aber an einem Tag wie heute kann man nicht zuhause sitzen.“
Russen und Ukrainer
Und wie blicken die Eltern auf ihr Engagement? „Die stehen hinter mir“, sagt Kostyantyn lächelnd und deutet mit dem Daumen auf das ältere Paar hinter sich. „Meine Eltern sind hier auch irgendwo“, sagt Maxim. Die jungen Männer, 21 und 22 Jahre alt, kennen sich seit fünf Jahren. In einem Café hätten sie sich damals angesprochen, die russische Sprache war ihre Brücke. Das Band hat bis heute gehalten.
Ein selten gewordener Anblick: Der Platz vor der Hauptwache ist voller Menschen.
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Bild: Lucas Bäuml
Sind sie von den Ereignissen überrascht worden? Maxim verfolgt die Medien in seinem Heimatland: „Die russische Presse ist wie ein Thermometer: sie testet, wie heiß es schon geworden ist“. In den letzten Tagen habe sich der Ton jeden Tag verschärft, zuletzt sei gar nicht mehr von Ukrainern die Rede gewesen, nur noch von Nazis und anderen Beleidigungen. Die Bevölkerung werde eingepeitscht.
Immer wieder ist an diesem Abend ein Satz zu hören: „Wir haben das nicht für möglich gehalten.“ Dass Putin provoziert, dass er droht und manipuliert, das sei nichts Neues. Aber einen Angriff auf das Nachbarland habe Chris erst für möglich gehalten, als er am Morgen des 22. Februar aufgewacht sei und in den Nachrichten gehört habe, dass Russland die beiden östliche Gebiete der Ukraine, Donezk und Luhansk, als unabhängige Staaten anerkannt habe.
Auch Daryna fühlt sich überrollt von den Ereignissen. Sie ist 38 Jahre alt, lebt schon seit 20 Jahren in Frankfurt, hat hier eine Ausbildung gemacht, einen Deutschen geheiratet, sie haben ein kleinen Jungen. „Während wir hier stehen, sitzen meine Eltern im Keller ihres Hauses in der Ukraine und über ihnen wird geschossen.“ Können sie nicht fliehen? „Vor zwei Wochen wäre das noch möglich gewesen, jetzt rollen die Panzer von allen Seiten heran. Und ich kann nur beten“, sagt sie gefasst. Für sie scheint nun das Unmögliche möglich zu werden: „Wer sagt, dass Putin vor der polnischen Grenze halt macht? Oder dann vor der deutschen?“
Irgendwo inmitten der Menge spricht jemand in ein Mikrophon, zu leise, um Botschaften über die Köpfe hinweg zu tragen. Der ukrainische Generalkonsul Vadym Kostiuk, der sich noch mittags in Wiesbaden mit führenden Landespolitikern in der hessischen Staatskanzlei getroffen hat, ist dort. Auch Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), der Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten Uwe Becker (CDU) und die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, (FDP) sind gekommen, um ihre Solidarität auszudrücken. Zu hören sind sie kaum. Doch dann ruft jemand etwas laut über den Platz und die Menge antwortet in ihrer Sprache: „Freiheit für die Ukraine.“
Das Wetter schlägt um, erst leichter Regen, dann peitscht der Wind große Tropfen in die Gesichter. Die Zuschauer am Rand der Menge fliehen unter die angrenzenden Häuserdächer. In der Mitte des Platzes stimmen Hunderte, eingehüllt in blaue-gelbe Fahnen, im einsetzenden Schneegestöber die ukrainische Nationalhymne an.
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