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#Wichtige Winzlinge in die Tiefe verbannt

Der arktische Meereisrückgang verändert die Lichtverhältnisse im Wasser und stört damit das Verhalten des Zooplanktons, berichten Forscher. Die ökologisch wichtigen Tierchen bleiben dadurch künftig immer länger in tiefen Wasserschichten, geht aus den Daten hervor. Den Modellierungen zufolge droht ihnen dadurch Nahrungsmangel. Da das Zooplankton eine der Grundlagen der arktischen Nahrungskette bildet, könnte diese Beeinträchtigung weitreichende Folgen haben, sagen die Wissenschaftler.

Es handelt sich um eine besonders drastische Auswirkung des menschengemachten Klimawandels: Die Ausdehnung und Dicke des Meereises im Nordpolarmeer schwindet im Zuge der starken Erwärmung. Im Sommer erreicht die Bedeckung in den letzten Jahren immer weitere Rekord-Tiefstwerte und anschließend breitet sich das schwimmende Eis immer später und schwächer wieder aus. Aktuellen Prognosen zufolge könnte der Nordpol schon ab 2030 im Sommer eisfrei werden. Bei dem Meereisschwund handelt es sich aber nicht nur um ein drastisches Anzeichen der Klimaerwärmung: Die damit verbundenen Veränderungen der arktischen Umwelt könnten erneut komplexe klimatische und ökologische Probleme verursachen, warnen Forscher.

Eines davon bilden die Veränderungen der Lichtverhältnisse im arktischen Meer, an deren bisherige Muster sich die dortigen Lebewesen angepasst haben. Konkret kann durch die schrumpfende und dünner werdende Eisdecke nun das Sonnenlicht in immer tiefere Wasserbereiche vordringen. Dies kann etwa die Algen-Entwicklung in kritischer Weise durcheinanderbringen, die eine Grundlage der Nahrungskette bildet. Über die Reaktionen des nächsten Gliedes in dieser Kette ist bisher hingegen weniger bekannt. Wie sich die veränderten Lichtbedingungen auf das Zooplankton auswirken, hat nun ein internationales Forschungsteam um Hauke Flores vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven genauer untersucht.

Wie sich Zooplankton nach dem Licht richtet

Wie die Forscher erklären, kommt es in den Polargebieten zu einer saisonalen Vertikal-Wanderung des Zooplanktons, zu dem etwa Ruderfußkrebse zählen. „Die Tierchen folgen dort einem jahreszeitlichen Zyklus: In der monatelangen Helligkeit des sommerlichen Polartags bleibt das Zooplankton dauerhaft in größeren Tiefen. In der monatelangen Dunkelheit der Polarnacht im Winter kommt ein Teil des Zooplanktons hingegen dauerhaft in das oberflächennahe Wasser direkt unter dem Eis“, sagt Flores. Grundsätzlich ist bereits bekannt, dass diese vertikale Wanderung von den Lichtverhältnissen bestimmt wird. Die winzigen Tiere bleiben dabei in Bereichen unterhalb einer bestimmten Intensität des Dämmerlichts. Wenn sich im Laufe des Tages oder der Jahreszeiten die Sonnenlichtintensität ändert, folgt ihr das Zooplankton, was letztlich dann zum Auf- und Absteigen in der Wassersäule führt.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun das Verhalten der Tierchen im Bereich der oberen 20 Meter der Wassersäule direkt unter dem Meereis untersucht. „Genau dieser schwer für Messungen erreichbare Bereich ist der spannendste, weil dort im und unter dem Eis die Mikroalgen wachsen, von denen sich das Zooplankton ernährt“, sagt Flores. Um dort zu messen, konstruierte das Team ein spezielles Messobservatorium, das sie vom Forschungseisbrecher Polarstern aus unter dem Eis verankerten. Das System konnte dann dort kontinuierlich die Lichtintensität sowie die Bewegungen des Zooplanktons messen.

Nahrungsmangel durch gestörtes Wanderverhalten

„So stellten wir eine sehr niedrige kritische Lichtintensität für das Zooplankton von 0,00024 Watt pro Quadratmeter fest“, berichtet Flores. Diesen Wert integrierten die Forscher dann in Computermodelle, die das Meereissystem simulieren. Auf diese Weise konnten sie für verschiedene Klimaszenarien berechnen, wie sich die Tiefe der kritischen Lichtintensität verändern wird, wenn das Meereis in der Folge des fortschreitenden Klimawandels dünner wird. Die Ergebnisse verdeutlichten dabei, wie die kritische Helligkeit immer früher im Jahr in größere Tiefen vordringt und immer später im Jahr wieder die Oberflächenschicht erreicht. Entsprechend wird dann wohl das Zooplankton reagieren, sagen die Forscher: Es wird unterhalb der kritischen Lichtbedingungen bleiben. Das bedeutet: In den Zukunftsszenarien wird es sich immer länger in größeren Tiefen aufhalten und seine winterliche Präsenz unter dem Eis wird immer kürzer.

Das Problem ist dabei, dass dies den Organismen den Zugang zu ihrem Futter erschweren könnte, erklärt Flores: „Künftig wird sich in einem wärmeren Klima das Eis im Herbst später bilden, was zu einer geringeren Eisalgenproduktion führt. In Kombination mit dem späteren Aufstieg kann das beim Zooplankton im Winter häufiger zu Nahrungsmangel führen. Im Gegenzug kann ein früherer Abstieg des Zooplanktons im Frühjahr eine Gefährdung für tiefer lebende Jungstadien von ökologisch wichtigen Zooplanktonarten bewirken, die dann vermehrt von den ausgewachsenen Tieren gefressen werden könnten“, sagt Flores.

Den Forschern zufolge zeichnet sich somit nun ein neuer Mechanismus ab, der den Überlebenschancen des für die Nahrungskette wichtigen Zooplanktons in der Arktis schaden könnten. „Dies hätte fatale Auswirkungen auf das ganze Ökosystem bis hin zu Robben, Walen und Eisbären. Für das arktische Ökosystem ist deshalb jedes Zehntel Grad weniger menschengemachte Erwärmung von entscheidender Bedeutung“, so Flores abschließend.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: Nature Climate Change, doi: 10.1038/s41558-023-01779-1

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