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#Wie die gute Form entstand: Ausstellung zur Designgeschichte in Darmstadt

Manchen Klassiker kennt man aus Omas Haushalt: Das Institut für Neue Technische Form Darmstadt schaut mit der Ausstellung „Schön und gut“ auf die Formgeschichte der Produktwelt der Fünfziger- und Sechzigerjahre.

Geht es noch trockener? Kühler, nüchterner vor allem auch als in den Worten von Max Bill? „Unter einer guten Form“, so hatte der Schweizer Künstler 1949 der von ihm konzipierten Wanderausstellung programmatisch mit auf ihren Weg gegeben, „verstehen wir eine natürliche, aus ihren funktionellen und technischen Voraussetzungen entwickelte Form eines Produktes, das seinem Zweck ganz entspricht und das gleichzeitig schön ist.“ Ein Satz, der bis heute über jener Schule des Designs stehen könnte, die vom Werkbund über das Bauhaus bis in die Gegenwart das gestalterische Konzept der Moderne reflektiert. Und immer wieder neu interpretiert.

Wenn nun das Darmstädter Institut für Neue Technische Form ­ (INTeF) mit der Ausstellung „Schön und gut – die Gute Form“ den Besucher tief eintauchen lässt in die Produktwelt der Fünfziger- und Sechzigerjahre, dann sucht sie kaum von ungefähr schon im Titel Anschluss an diese Tradition. Denn nicht nur machte Bills schlicht „Die gute Form“ überschriebene Wanderausstellung noch im selben Jahr 1949 auch in Darmstadt Station. Sie gab auch den Anstoß zur Gründung des Instituts drei Jahre darauf. Weshalb Kuratorin Ute Schauer für die Ausstellung aus dem Vollen schöpfen konnte, ist doch die seither aufgebaute Sammlung des Instituts explizit der „guten Form“ verpflichtet. Bis heute.

Entwürfe von Alvar Aaltos, Max Bill und Wilhelm Wagenfeld

„Schön und gut“ beginnt denn auch genau dort. Mit den frühen, heute weltbekannten Vasen Alvar Aaltos etwa, einem Korkenzieher oder einem Lichtschalter, wie sie Max Bill 1949 schon in der Basler Schau vorstellte. Mit den 1950 entworfenen Leuchten Hanns Hoffmann-Lederers, einem Besteckset des Bauhausschülers Wilhelm Wagenfeld und nicht zuletzt dem rein weißen, von Hermann Gretsch entworfenen Arzberg-Geschirr. Auch das ist ein Klassiker. Und schon hier, bevor sich die Präsentation der Grafik etwa Anton Stankowskis oder Willy Fleckhaus’ zuwendet, stilbildenden Schulen wie der von Inge Scholl und Otl Aicher initiierten Ulmer Hochschule für Gestaltung – deren erster Leiter wiederum Max Bill gewesen ist –, und schließlich der guten Form in der DDR, in Skandinavien oder Italien je ein eigenes Kapitel widmet, führt einen die Ausstellung zurück in die eigene Kindheit.

Auch Legosteine sind eine Designikone

Zu den Toastern, Stabmixern und Bügeleisen, zu Haartrocknern, Rührgeräten, Kaffeekannen und, und, und, die man aus dem Eltern- oder Großelternhaus noch kennt. Und nicht selten erkennt man klassische Entwürfe wie die ikonische Afri-Cola-Flasche von Jupp Ernst, die Legosteine Ole Kirk Christiansens oder Günter Kupetz’ Mineralwasserflasche aus dem eigenen Alltag wieder, schließlich werden zahlreiche Produkte aus dieser Zeit bis heute unverändert hergestellt. Nachhaltigkeit avant la lettre möchte man das nennen, und in der Tat war die Qualität der Produkte einerseits, die Zeitlosigkeit des Designs andererseits mit ausschlaggebend für den Erfolg der Idee von der guten Form. Indes womöglich auch für ihren allmählich sinkenden Stellenwert in den Sechziger- und Siebzigerjahren.

Denn mit dem einsetzenden Fortschrittsoptimismus, dem wachsenden Konsum und immer schneller wechselnden Moden schien die zuvörderst sachlich nüchterne gute Form erst einmal nur bedingt kompatibel. Es ist höchst aufschlussreich gewesen, die Ausstellung des Instituts auch als Kontrapunkt zu der thematisch korrespondierenden, hübsch cool, aber auch hübsch fortschrittsbesoffen wirkenden Ausstellung „Into the Space Age“ im Hessischen Landesmuseum gleich gegenüber zu lesen, die im Januar endete. Natürlich haben auch Entwürfe wie das Besteck von Arne Jacobsen, Vico Magistrettis Tischleuchte „Eclisse“ aus dem Jahr 1966 oder Mario Bellinis tragbarer Plattenspieler Eingang in die Sammlung des INTeF gefunden.

Massenproduktion will gefallen, nicht ewig bestehen

„Schön und gut“ aber setzt einen anderen Akzent. Und spiegelt, während „Space Age“ die in Sofas, Radios, Lavalampen Form gewordene Zukunft erst einmal lustvoll feierte, den im Design zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen Wandel. Massenproduktion und Massenkonsum stellen naturgemäß andere Anforderungen an die Gestaltung als ein Konzept, das auf Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit setzt. Nun war Design nicht mehr zuvörderst eine Frage von Funktionalität, von Zweckmäßigkeit und Ästhetik. Es sollte Spaß machen. Und wies damit schon mal auf die Postmoderne der Achtziger- und Neunzigerjahre voraus.

Unterdessen eröffneten die neu entwickelten Kunststoffe den Designern völlig neue Möglichkeiten der Formgebung. Und mehr noch, nach der eher kühlen Eleganz der guten Form kommt mit einem Mal wieder Dekor und kommt allmählich die poppig bunte Farbe ins gestalterische Spiel. Sicher, auch Walter Zeischeggs stapelbare „Ulmer Welle“, Bellinis Plattenspieler oder Corradino d’Ascanios für Piaggio entworfene Vespa dürfen längst als Klassiker gelten. Aber möchte man sie „zeitlos“ nennen? Sie sind ganz Ausdruck ihrer Zeit.

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