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#Wie die Pandemie unsere Sprache verändert

Wie die Pandemie unsere Sprache verändert

So schnell, wie das Coronavirus sich in Deutschland seit Beginn des Jahres ausgebreitet hat, infizierte es auch die Sprache. Rund 1000 neue Begriffe sind in diesem Jahr aufgetaucht, die im Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Das gab unlängst das Mannheimer Leibniz-Institut für Deutsche Sprache bekannt, dessen Lexikographen Wortneuschöpfungen sammeln. Seit April haben sie ihre Neologismen-Liste online zugänglich gemacht. Nimmt man diese etwas genauer in Augenschein, so fallen zwei Dinge auf: Zum einen taucht seit dem Frühjahr ein umfangreicher Fachwortschatz in den Medien auf, den man zuvor nur in medizinischem Kontext fand.

Maria Wiesner

Völlig selbstverständlich gehen Politikern wie Virologinnen plötzlich Wörter wie Latenz, Reproduktionswert, Übersterblichkeit, Herdenschutz oder Triage über die Lippen. Bis Fachwörter jedoch in die Alltagssprache integriert werden, dauert es länger, was sich schon im Gespräch mit so manchen Großeltern zeigt, die trotz regelmäßiger Zeitungslektüre in ihrem Sprachgebrauch noch nicht zu Hobbyvirologen geworden sind.

Neben medizinischen Fachwörtern fällt beim Blick in die Neologismen-Liste des Leibniz-Instituts auf, wie groß die Anzahl an Anglizismen ist, die seit der Corona-Pandemie im Umlauf sind. Da gibt es die „Hotspots“, an denen das Risiko einer Virusansteckung besonders hoch ist, die „Superspreader“, die mehr als andere Infizierte den Krankheitserreger weitergeben, das „Social Distancing“, mit dem man das Beschränken der sozialen Kontakte bezeichnet. Und besonders in den vergangenen Wochen kursierte vermehrt die Rede vom „Lockdown“.

Anglizismen klingen aufregender

Warum greifen wir in der Pandemie so gern auf englischsprachige Begriffe zurück? Sprachwissenschaftler verweisen darauf, dass es für manche Ausdrücke im Deutschen schlicht kein Wort gebe, das die Situation ähnlich adäquat wie der englische Begriff beschreibe. Als Beispiel dient dann gern ebenjener „Lockdown“. Die bislang übliche Übersetzung „Ausgangssperre“ hätte inhaltlich nicht alle Aspekte der politischen Maßnahmen im März und nun im Dezember – wie etwa auch die Schließung von Theatern, Museen und Geschäften – umfasst. Zudem hatte man wohl eine negative Assoziation vermeiden wollen, die in der „Ausgangssperre“ mitschwingt. Das aus der Öffentlichkeitsarbeit großer Unternehmen bekannte Bemühen, selbst negative Ereignisse möglichst positiv zu verkaufen, schlägt sich auch in der Sprache der Krise nieder. Wie sonst lässt sich die hübsche Alliteration vom „Lockdown light“ erklären, wenn nicht durch eine Werbebildsprache, die über Jahre Produkten mit dem Zusatz „light“ das Gesicht fröhlicher Frauen gab, die besonders gesunde Dinge naschten. Etwas, was „light“ im Titel trägt, kann nicht schlimm sein, so die subtile Botschaft.

Auf den Versuch einer ähnlich positiven Assoziation lässt sich wohl zurückführen, dass plötzlich „Homeoffice“ und „Home Schooling“ betrieben wird. Beide Begriffe haben mit „Heimarbeit“ und „Heimunterricht“ durchaus bereits existierende deutsche Entsprechungen. Die Anglizismen aber bringen einen Hauch Internationalität mit sich. Während man also den Laptop auf den Küchentisch zwängt und nebenbei versucht, die Kinder zu Hausaufgaben zu animieren, kann man sich gegenüber den Kollegen immerhin kurz als Figur einer amerikanischen Sitcom fühlen, wenn man die Mail mit „Grüßen aus dem Homeoffice“ unterzeichnet. Denn rein inhaltlich gibt es keinen Grund, das englische Wort zu entlehnen, hat es in seiner Ursprungssprache doch nicht einmal die gleiche Bedeutung – in Großbritannien und Amerika versteht man unter dem „Home Office“ schlichtweg das Innenministerium. Doch schon dem Siegeszug des „Handys“, das im englischsprachigen Raum auch kein Smartphone bezeichnet, tat dieser Bedeutungswechsel keinen Abbruch.

Der Germanistikprofessor Kersten Sven Roth begründete die Verwendung englischer Begriffe in einem Interview mit einer Magdeburger Zeitung im Sommer damit, dass „die Corona-Krise eine durch und durch globale Krise“ sei und „Wörter aus der globalen Verständigungssprache Englisch“ so eine große Chance hätten, sich durchzusetzen. Was wohl erklärt, warum dieser Tage das Wort „Vakzin“ geradezu inflationär verwendet wird, wo es doch im Deutschen bislang schlichtweg der „Impfstoff“ tat.

Wellenbrecher gegen die Infektionsflut

Das Englische hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst in der Bundesrepublik, seit der Wiedervereinigung aber auch in Gesamtdeutschland seinen Weg in den deutschen Sprachgebrauch gefunden. Mehrere hundert Begriffe sind in den vergangen Jahrzehnten übernommen worden. Die Globalisierung spielt dabei eine Rolle, liest man doch in Stellenanzeige selten noch, dass Abteilungsleiter gesucht werden, vielmehr ist nun ein „Head of Department“ gefragt, die Großkunden betreut der „Key Account Manager“ und das Gebäude reinigt der „Facility Manager“.

Dass es auch anders geht, zeigte Baden-Württemberg. Dort warb man unter dem Hashtag „Wellenbrecher“ für die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Das sprachliche Bild vom Poller war klug gewählt, sagte es doch: Jeder Einzelne kann etwas gegen die Ausbreitung des Virus tun. Und, da ein Wellenbrecher sich nur gegen eine Naturgewalt stemmen kann, wenn alle Poller lückenlos zusammenstehen, warb es zugleich für gesellschaftliche Solidarität in der Krise. Dass das Land in seiner Kampagne auf ein deutsches Wort verfiel, mag auch an der Bevölkerungsstruktur liegen. Die Anglizismusaffinen 25 bis 45 Jahre alten Deutschen machen nur ein Viertel der Einwohner aus.

Was von den mehr als 1000 Pandemiewörtern am Ende fortbesteht, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Die Dudenredaktion wägt lange ab, bevor Sprachtrends in eine Neuauflage kommen. Aus der Wendezeit etwa sind nur noch Erinnerungssplitter wie „Mauerspecht“ im Wörterbuch zu finden. Das Coronavirus hingegen hat schon einen Eintrag. Es wurde 2004 in den Duden aufgenommen, nach dem Ende der Sars-Pandemie.

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