#Wie ein kaltes Kölsch
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„Wie ein kaltes Kölsch“
In den Tagen, in denen eine neue Virusvariante Europa erreicht, die mutmaßlich hoch ansteckend ist, grenzt es fast an gefährliche Körperverletzung, die Redakteurin auf den Weihnachtsmarkt zu schicken, und dann auch noch in Köln. Aber was macht man nicht alles für Glühwein auf Redaktionskosten – und womöglich noch ein wenig Weihnachtshochgefühl gratis? 2 G gilt außerdem an allen Weihnachtsmärkten in Köln, so auch auf dem am Rudolfplatz, das sagt zumindest ein Schild.
Doch ein Spaziergang über den Markt, an den Buden vorbei, ist auch so möglich, mit Mund-Nasen-Bedeckung. Am Montagabend ist der Markt nur da voll, wo er immer voll ist und wo über den Köpfen der Menschen kleine Atemwolken wabern, die nach Vergorenem riechen: an den Glühweinständen. Die Maske darf an den Tischen abgenommen werden, und so stehen dicht gedrängt die Weihnachtsmarktbesucher beisammen und versuchen, trotz Omikron ein bisschen in Stimmung zu kommen.
„Stempel mach ich nicht!“
Auch die Bratwurst, die gebrannten Mandeln und den Glühwein kann man an diesem Abend zunächst ohne Impfzertifikat oder Ausweis erwerben. Nur Verweilen geht nicht ohne: An den Holzstehtischen kommt regelmäßig ein Ordner vorbei, der die Impfausweise einscannt und auch den dazugehörigen Personalausweis gewissenhaft kontrolliert. Wer alles vorweisen kann, bekommt von ihm einen Stempel aufs Handgelenk, den man bei der nächsten Kontrolle einfach vorzeigen kann. Eine Gruppe junger Männer ist dran, sie sind vorbereitet, wenn auch genervt. „Ich zeig ihn dir, Bro, aber Stempel mach ich nicht!“ Es ist ihnen schon peinlich, dass sie alle strebermäßig den Ausweis vorzeigen können – den Beweis für ihr vorbildhaftes Benehmen brauchen sie nicht auch noch aufgedrückt zu bekommen.
An den Essensbuden und Ständen mit Weihnachtsschmuck und Kerzen ist indes wenig los. An der Würstchenbude ist die Stimmung trotzdem gut. „Wat de willst“, sagt der Chefgriller zu einem unentschlossenen Gast und zeigt mit ausladender Geste auf die Würstchenpracht auf dem Rost, er klingt fast wie ein Köbes. „Man kann es nicht vergleichen mit der Zeit vor Corona“, sagt sein Kollege am Süßigkeitenstand nebenan, während er 100 Gramm gebrannte Mandeln abfüllt. „Aber hier durften wir wenigstens überhaupt öffnen.“
In anderen Bundesländern wie Bayern gibt es in diesem Jahr gar keinen Weihnachtsmarkt. Die Stadt Köln ist da lockerer: Mit 2-G-Regel wurde hier schließlich gerade erst Straßenkarneval gefeiert, am 11. 11. Einige Kneipen hatten vorher angekündigt, gar nicht erst aufzumachen – ein Corona-Ausbruch hätte schließlich weit mehr finanziellen Schaden angerichtet als ein geschlossener, halb garer Karnevalsbeginn. Aber es gab doch so viel zu feiern, dass Orte wie die Zülpicher Straße oder der Heumarkt brechend voll waren. Die Feierbereiche waren abgesperrt, die Nachweise wurden kontrolliert, und das Kölsch floss in Strömen. Trotzdem: Der große Knall danach ließ auf sich warten. Die Kölner Inzidenz stieg zwar seit dem 11.11. täglich, das tat sie allerdings vor dem 11.11. auch schon seit Tagen. Wie der WDR berichtete, haben sich bei den Feiern nachweislich 426 Menschen angesteckt, nur eine Person musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden. 80 Prozent der Infizierten gaben an, in Innenräumen gefeiert zu haben. Der Kölner Stadtsprecher Alexander Vogel resümierte, das viel befürchtete Superspreader-Event sei ausgeblieben – an normalen Tagen stecken sich in Köln zurzeit ebenfalls zwischen 400 und 500 Menschen an. Ein Kölsches Motto also bewahrheitete sich: „Et hätt noch immer jot jejange.“
Frei nach dieser Lebensart finden in Köln auch weiterhin feucht-fröhliche Events im Freien statt. So empörten sich am Wochenende viele Menschen über die 50.000 Fußballfans, die dem Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach beiwohnten – zur Freude vieler Kölner endete es mit einem Sieg für den FC. Dabei haben die Bilder von Karneval und Fußball, genau wie die Stimmung an diesem Montagabend auf dem Weihnachtsmarkt, eines gemein: die kölsche Fröhlichkeit.
Die Rheinländer sind besonders gesellig
Vielleicht liegt es in der Natur der Rheinländer, besonders gesellig zu sein und sich den Freuden des Lebens nicht zu verschließen. In anderen Jahren versammeln sich Tausende im FC-Stadion, um gemeinsam Weihnachtslieder zu singen, genauso wie sich in anderen Jahren die Karnevalisten in Kneipen beieinander unterhaken, schunkeln und singen. Da versammeln sich, und das ist besonders schön, Alt und Jung miteinander und führen Traditionen fort, interpretieren sie neu und reichen sie weiter.
Es geht hier nicht um übermäßigen Kölsch-Konsum oder bloße Fahrlässigkeit im Umgang mit dem Coronavirus. Es geht hier auch um eine Lebenseinstellung: Die Bilder gerade der jungen Menschen, die am 11. 11. lachend durch die Straßen rannten, einfach mal den Moment genossen, sie haben sich eingebrannt. Eigentlich sollten sie viel öfter so unbeschwert leben, das finden viele Kölner. Höhere Mächte haben das in den vergangenen zwei Jahren verhindert, das weiß man auch hier, und man findet sich damit ab. Doch die Gemeinschaft, die Freude am Leben und am gelegentlichen Kölsch – sie sind das Lebenselixier der Rheinländer, das, was sonst den Alltag in Köln ausmacht. Die Menschen brauchen es bald wieder.
Auf dem Weihnachtsmarkt spürt man es noch hier und da, das kölsche Leben und die Freude daran. Wenn jemand dröhnend lacht oder Fremde stehen bleiben, um ein Pläuschchen zu halten, einfach, weil es nett ist, neue Leute kennenzulernen (und anschließend direkt wieder zu vergessen). Und sie, klar, zu fragen: Drinks de ejne met?
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