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#Wie, heute kein Apfelkuchen?

Wie, heute kein Apfelkuchen?

Eine Ehe kann geschieden werden. Man kann aus der Kirche austreten oder sein Leben beenden. Alle möglichen Dinge lassen sich leasen und nach Ablauf einer gewissen Frist gebraucht zurückgeben. Kinder nicht. Mutter sein, das ist für immer. Wie die anscheinend akzeptierte Definition von Mütterlichkeit hierzulande, die aus Frauen ein zur Mythisierung und Kritik freigegebenes Wesen macht. Mütter sind die Menschen, an denen sich das gesellschaftliche Normierungsbedürfnis abarbeitet. Dass sie ihre Selbstbestimmung hintanstellen, hält man für Teil des Deals. Während sich die Wahrnehmung der Vaterrolle langsam ändert, bewegt sich hier wenig, sieht man von der ziellosen Debatte unter dem Stichwort „Regretting Motherhood“ einmal ab.

Für Carla Michelsen (Maren Kroymann) liegt die Phase der eigentlichen Aufzucht lange zurück. Ihre drei Kinder sind erwachsen und, wie sie findet, außerordentlich schlecht geraten. Sie liebt sie, sagt sie, aber sie mag sie nicht. Rita (Ulrike C. Tscharre) ist eine unsympathische Perfektionistin. Philipp (Stefan Konarske) ein geldbesessener Finanzjongleur mit Riesenego. Und Doro (Jördis Triebel), die mit Hanna (Britta Hammelstein) längst verheiratet ist, ohne zur Eheschließung zu stehen? „Wie Munchs Schrei in Hippie-Large“, lautet die illusionslose Einsicht der Mutter, deren Empathievorrat längst erschöpft ist.

Statt kostenloser Bedienung gibt es die Kündigung

Das große Warum der Entmutterung inszeniert Rainer Kaufmann in der ersten Hälfte des Familienfilms „Mutter kündigt“ (Buch Freya Stewart, Gabriela Sperl, Ferdinand Arthuber) mit fernsehfilmunüblicher Schonungslosigkeit gegenüber den Blagen, die allesamt vom Stamme Nimm entsendet wurden, um die Fürsorge ihrer Mutter als gottgegebenes Naturrecht zu strapazieren. Heute kein Apfelkuchen? Statt kostenloser Bedienung gibt es die Kündigung der familiären Beziehung und für jeden eine Menge Geld aus dem Verkauf des Elternhauses.

Carla (Maren Kroymann, rechts) hat ihren Kindern gekündigt. Fassungslos schauen diese auf die Geldstapel vor ihnen und ihren Vertrag, mit dem Carla die Kündigung regeln will.


Carla (Maren Kroymann, rechts) hat ihren Kindern gekündigt. Fassungslos schauen diese auf die Geldstapel vor ihnen und ihren Vertrag, mit dem Carla die Kündigung regeln will.
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Bild: ZDF

Sie sei keine „Muttermutter“, ihr fehlten dazu die Duldsamkeit, die Hingabe und das Verzeihen, sagt Carla entschuldigend. „Megaegoistisch“ findet das die Brut, die nie einen Finger gerührt hat. Dass Mutter seit fünfzig Jahren raucht, ist bislang keinem aufgefallen. Höchstens der Enkelin Joe (Lena Urzendowsky), mit neunzehn schon schwanger. Carla rät zur Abtreibung.

Für ZDF-Familienfilme, in denen der Part der verständnisvollen Auswegfinderin den Mutterfiguren gehört, durchaus starker Tobak. Genau wie die Rollenzeichnung der Kinder als selbstsüchtige Biester (die aber selbstredend einen Lernprozess machen). Dass der verstorbene Vater (Ulrich Tukur als Nebenrollengast in Carlas Albträumen) als Stadttheaterdirektor in einer Hotelsuite jahrzehntelang junge Schauspielerinnen empfing, halten alle drei für normal. Sonst hätte die Mutter sich doch getrennt. Natürlich nicht von ihnen. Jedenfalls stehe fest: „Eine Mutter darf das nicht.“

Mit dieser Eröffnung könnte „Mutter kündigt“ den Weg des Klamauks gehen. Oder der Groteske. Beides vermeidet der Film, stattdessen entwickelt er sich zum Plädoyer für Verschiedenheiten. Manches sieht ein wenig nach Nummernrevue der Toleranz aus, aber das schadet dem unterhaltsamen Film nicht. Schon durch die Besetzung der Hauptfigur mit Maren Kroymann, die in Produktionen wie der Politsatire „Eichwald, MdB“ oder ihrem Comedyformat „Kroymann“ einen reifen Karriereschwung erlebt hat, öffnet sich der Film diverse Spielwiesen. Kroymann spielt die Frau ohne weitere Mutterambitionen ohne falsche Sentimentalität und mit freimütiger Selbstanklage. Am Aufrechnen liegt ihrer Figur freilich nicht.

Mit dem als schwul registrierten Hausfreund und Anwalt Rudi (Rainer Bock) ein neues, freies Leben führen, wahlweise mit Glitzerfummeln und Damenfrack, in Nachtklubs singen und in den Sonnenuntergang fahren (zu Suzi Quatros und Chris Normans „Stumblin’ In“), verantwortlich nur für sich selbst sein und auf die Selbstverantwortung der Kinder bauen können: Das wäre die Wunschzukunft ihrer sozusagen transzendierten Mutterschaft. Dass „Mutter kündigt“ allgemein anschlussfähig bleibt, liegt am Ensemble wie an der Inszenierung. Wer auf harmlose Unterhaltung setzt, wird anderswo besser fündig.

Mutter kündigt, um 20.15 Uhr im ZDF.

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