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#Wie indigenes Denken unsere Kultur bereichern kann

Wie indigenes Denken unsere Kultur bereichern kann

Während verheerende Na­turkatastrophen die Welt bedrohen, wächst seit einigen Jahren das Interesse an einem Denken, das der Kanon westlicher Gesellschaften lange als rückständig und unaufgeklärt diskreditiert hat. Unter den Schlagworten „Indigenes Wissen“ oder „Traditional Ecological Knowledge“ (TEC) untersuchen TED-Talks, Bücher und Kunstausstellungen, wie indigene Völker weltweit das Verhältnis zwischen Mensch und Erde verstehen, wie sie sich den klimatischen Krisen unserer Zeit entgegenstellen – und was vermeintlich fortschrittliche Industriegesellschaften von diesen lokalen Wissenssystemen lernen könnten.

Ungefähr 5000 Völker werden heute als indigen bezeichnet, das sind, nach Schätzungen der Vereinten Nationen, rund 370 Millionen Menschen in mehr als 70 Ländern. Insofern ist schon die Kategorisierung all der verschiedenen Denkansätze nicht unproblematisch. Dass man aber durchaus gewisse Leitgedanken erkennen kann, zeigen drei kürzlich auf Deutsch erschienene Bücher: Ailton Krenaks „Ideen, um das Ende der Welt zu vertagen“, Robin Wall Kimmerers „Geflochtenes Süßgras: Die Weisheit der Pflanzen“ und Tyson Yunkaportas „Sand Talk: Das Wissen der Aborigines und die Krisen der Moderne“. Bei allen drei Autoren und Autorinnen ist die Vorstellung von Natur als komplexes lebendiges Geflecht aller Wesen, Dinge und Phänomene zentral, eine Vorstellung, die im Kontext der aktuellen Krise erstaunlich modern erscheint.

Ailton Krenak ist einer der bekanntesten Denker Brasiliens. Er ist Angehöriger des Krenak-Volkes, das im Bundesstaat Minas Gerais angesiedelt ist. Im Jahre 2015 erlebte die Gemeinschaft die wohl schlimmste Umweltkatastrophe der brasilianischen Geschichte, als nach dem Bruch eines Bergbaudamms eine mit Schwermetallen belastete Schlammlawine ganze Dörfer begrub und sich in den Rio Doce ergoss, dessen Ufer die Heimat der Krenakis war. „Ideen, um das Ende der Welt zu vertagen“ sammelt Vorträge, in denen sich Krenak als scharfer Kulturkritiker erweist. Eine Äußerung zieht sich wie ein roter Faden durch sein Buch – wie auch, in unterschiedlichen Formulierungen, durch jene von Kimmerer und Yunkaporta: „Ich kann nicht erkennen, wo etwas anderes sein soll als Natur. Alles, was ich mir vorstellen kann, ist Natur“.

Nachhaltigkeit und Aufklärung – selbstgerechte Begriffe?

Auf Basis dieses Gedankens verurteilt Krenak die selbstgerechte Wucht, mit der moderne Gesellschaften die Erde misshandeln. Und er demontiert verschiedene, im Westen selbstverständliche Begriffe wie „Menschheit“ oder „Nachhaltigkeit“. Für Krenak hat die Annahme, es gebe eine „aufgeklärte Menschheit“, die besser als andere Kulturen aller nicht-rationalen Lebewesen sei, zu den Verbrechen der europäischen Kolonialisierung und zum menschlichen Überfall auf die Natur geführt. Auch „Nachhaltigkeit“ ist für ihn ein „Mythos“, der „von Konzernen erfunden wurde, um ihren Raubzug an dem zu rechtfertigen, was wir Natur nennen“. Krenak betont, dass Natur ein lebender Organismus sei – und kein Supermarkt.

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Auch Krenaks Ansichten über das „Ende der Welt“ sind erstaunlich unsentimental: Die allgegenwärtige Angst vor einem Ende der Menschheit ist für ihn nur ein weiteres Produkt einer vom Konsum besessenen Gesellschaft, geschürt, um immer mehr zu verkaufen. Wie die Apokalypse aufzuhalten sei? Das wisse er auch nicht. Eines aber weiß er: Wenn wir keine „Zuneigung zu nicht-menschlichen Wesen entwickeln“, wird unsere Zivilisation ersticken. Doch das Ende der Menschheit bedeute nicht unbedingt das Ende des Lebens. „Warum stört uns das Gefühl zu fallen?“, fragt er. „Wir haben doch in der letzten Zeit nichts anderes getan.“

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