#Wie man die Geschichte kippt

In Ausstellungen und Büchern werden Le Corbusiers Möbel jetzt kurzerhand seiner Mitarbeiterin Charlotte Perriand zugeschrieben. Das mag symptomatisch für den Zeitgeist sein. Aber ist es auch wissenschaftlich begründbar? Ein Gastbeitrag.

Le Corbusier gilt als einer der einflussreichsten Architekten des zwanzigsten Jahrhunderts. Neben seiner Tätigkeit als Architekt war Le Corbusier auch ein enorm produktiver Künstler, Autor und Möbeldesigner. Selbst Menschen, die sich in seinem architektonischen Werk kaum auskennen, werden seine vier revolutionären Stuhldesigns aus der Mitte der zwanziger Jahre kennen, mit denen der Entwerfer versuchte, seine Theorie der Wohnmaschine, die er 1923 in seinem epochalen Buch „Vers une architecture“ formuliert hatte, auch auf die Innenarchitektur auszuweiten.

Von 1926 an begann er, verschiedene Konzepte für vier Stühle zu skizzieren, die das Möbeldesign revolutionieren sollten: der minimalistische LC1, die beiden würfelförmigen Ledersessel LC2 Petit Confort (alternativ bekannt als Fauteuil Grand Confort, petit modèle) und das breitere LC3 Fauteuil Grand Confort, schließlich die schwungvolle Chaiselongue LC4, die die innovative Stahlrohrkonstruktion optisch auf die Spitze treibt. Nach einem vergeblichen Versuch der Möbelmanufaktur Thonet, die Stühle Anfang der dreißiger Jahre zu vermarkten, suchte die Schweizer Unternehmerin und Innenarchitektin Heidi Weber 1957 Le Corbusier auf und überredete ihn, ihr die Rechte an der Massenproduktion seiner Stühle zu übertragen und seine Möbellinie neu zu lancieren.