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#Wie Mutti lernte, die Bombe zu lieben

Wie Mutti lernte, die Bombe zu lieben

Ein neuer Limes sollte es werden, so Hitlers Plan, ein unüberwindbares Bollwerk gegen die Alliierten im Westen Deutschlands. Ende der Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts gebaut, reicht der „Westwall“, teils tief verborgen in den Wäldern, von den Niederlanden bis in die Schweiz. Ein sechshundertdreißig Kilometer langes Zeugnis des Größenwahns, mit ehemals mehr als achtzehntausend Bunkern, zahllosen Panzersperren und Tunnelsystemen, die zum Teil in Zwangsarbeit errichteten wurden. Steine, Gräben und unterirdische Anlagen, die, so die Suggestion, an heldisch besetzte Historie anknüpfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden große Teile gesprengt, andere aus historischen Gründen konserviert, oder der Natur überlassen. Teile des „Westwalls“ – von den Engländern auch als „Siegfried-Linie“ bezeichnet – , lassen sich etwa in der Eifel besichtigen. Anschaulich vermittelt sich die Mythisierung als Element der deutschen Kriegsstrategie und nationalen Einschwörung. Die Nazis wollten sich als vermeintliche Erben der Nibelungen am „Westwall“ unverwundbar machen – oder wahlweise Germanen spielen. Weltanschaulich wurde dienstbar gemacht, was eben ging. Später stellte sich heraus, dass die ideologisch aufgeblasenen Verteidigungsanlagen im Westen so grandios gar nicht waren.

Als Schauplatz einer Serie, die sich mit aktuellen rechtsextremen und rechtsterroristischen gesellschaftlichen Gefahren und möglichen klandestinen Strukturen in Polizei- und Verfassungsschutzorganen beschäftigt, ist der „Westwall“ gut gewählt. Das Drehbuch der gleichnamigen Serie, das ihr Autor Benedikt Gollhardt („Danni Lowinski“) zunächst als Buch veröffentlichte, vor allem aber die Inszenierung von Isa Prahl („Tatort: Gefangen“, „Was wir wussten: Risiko Pille“) und die Bildgestaltung von Andreas Köhler („Global Family“) richten sich dabei erkennbar an ein junges Publikum. Das Publikum, das die öffentlich-rechtlichen Sender mehr oder weniger verzweifelt zu gewinnen suchen. Nicht Geschichtsvermittlung ist in „Westwall“ gefragt, sondern aktueller Gegenwartsbezug. Die Serie ist eine Lektion für Leute, die beim herkömmlichen Geschichtsunterricht abschalten, aber bei Videospielen dranbleiben.

Verfassungsschützer sind ihr auf der Spur

Zunächst sind die Gegner unbekannt, die Mission bleibt im Dunklen, Freund und Feind scheiden sich erst von Level zu Level, Informationen werden gefunden und verwertet, Kampf folgt auf Kampf, Schlüssel auf Schlüssel, bis zum finalen Show-down. Sechs Folgen, sechs Level, wenn man so will, sechsmal Twists und Eskalationen, sowie ein Touch Mystery bietet die fiktive Rechtsterroristenverfolgung von „Westwall“. Zentrale Figuren sind Julia (Emma Bading) und Nick (Jannick Schümann), zwei junge Erwachsene, die lange Zeit nicht ahnen (dürfen), wer im Hintergrund Fäden zieht. Julia ist Polizeianwärterin, die nächste „Superpolizistin“, wie nicht nur Freundin Lydia (Lorna Ishema) und Ausbilder Roosen (Rainer Bock) meinen. Julia schießt hervorragend, lässt sich durch ihre Intuition leiten und kümmert sich um ihren querschnittgelähmten Kommunen-Vater Wolfgang (Karsten Antonio Mielke). Scheinbar zufällig begegnet sie Nick, der von Keppler (Devid Striesow), einem undurchsichtigen Typen, gecoacht und unter Druck gesetzt wird.

Nach dem ersten Sex flieht Julia – auf Nicks Rücken entdeckt sie eine Hakenkreuztätowierung. Währenddessen zieht eine mysteriöse Frau, Ira (Jeanette Hain) mit etlichen „Kindern“ in ein verlassenes Sägewerk am Westwall. Mit ihren Schützlingen, ehemals obdachlosen Jugendlichen, und ihrer rechten Hand, dem Bombenbauer Karl (David Schütter), will Ira im Wald eine paramilitärische Zelle aufbauen, die durch U-Bahn-Anschläge einen Umsturz in Deutschland vorbereiten soll. Verfassungsschützer sind ihr auf der Spur. Dr. Gräf (Suzanne von Borsody), die Leiterin, kämpft allerdings auch mit dem Zuständigkeitsgerangel der Behörden und einem Maulwurf im eigenen Haus. Keppler ist ihr Vertrauensmann, gemeinsam haben sie Nick auf Julia angesetzt. Der Plan: Über Julia will man Ira aufspüren. In welcher Beziehung beide Frauen zueinander stehen, enthüllt sich erst nach und nach.

Als Fernseh- beziehungsweise Mediathekenereignis ist „Westwall“ eher von mittlerer Güte. Dramaturgische Bögen sind stereotyp eingesetzt, „Superpolizistin“ Julia schießt und ermittelt praktisch unkaputtbar, Aussteiger-Neonazi Nick ist bald unsterblich verliebt, schlägt sich auch tapfer von Verletzung zu Verletzung, die Jugendlichen-Terrorzeile wirkt bisweilen wie Muttis Lieblingscamp. Dr. Gräf, mit (Schlapp-)Hut, ist kaum mehr als Informations-Aufsagerin. Aber Emma Bading, die in „Play“ eine großartige Vorstellung als Gamingsüchtige gab, spielt wiederum mit ganz eigener physischer Direktheit. Ihr verdankt die Serie den Gutteil der vorhandenen Glaubwürdigkeit. Devid Striesow und Rainer Bock geben ihren Figuren etwas Ambivalenz und Jeanette Hain vermittelt in ihren Hasstiraden auf Nicht-„Biodeutsche“ recht eindrücklich das Bild einer größenwahnsinnigen Gestalt mit irrem Manipulationstalent. „Westwall“ ist kein eigentlicher Politthriller (so wie „Furia“) und hat auch nicht die Absicht, jugendlichem Rechtsextremismus facettenreich zu begegnen (wie der Film „Kriegerin“). Die größte Anziehungskraft liegt schließlich in der Bildgestaltung von Andreas Köhler, der mit Dokumentarfilmen wie „NoBody’s Perfect“ vielfach ausgezeichnet wurde. Dem Blick des Dokumentaristen entgeht das historisch Kulissenhafte der Natur am Westwall nicht, trotz mystisch wabernden Nebels und undeutlicher Nebenfiguren.

Die ersten beiden Folgen von Westwall laufen am Samstag ab 21.45 Uhr im ZDF. ZDFneo zeigt alle Folgen am Dienstag, 7. Dezember und am darauffolgenden Mittwoch, um 21.45 Uhr.

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