#Wie Orkan „Lothar“ den Schweizer Wald verändert hat

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Orkan „Lothar“, der am 26. Dezember 1999 in der Schweiz wütete, warf insgesamt 14 Millionen Kubikmeter Holz um. Bei den Aufräumarbeiten kamen 19 Menschen ums Leben. Dennoch hat Lothar der Schweiz offenbar dabei geholfen, sich besser auf solche extremen Wetterereignisse vorzubereiten. Wie genau sich der Orkan auf die betroffenen Gebiete ausgewirkt hat, haben Waldforscher nun – 25 Jahre nach dem Ereignis – ermittelt.
Am 26. Dezember 1999 zog Orkan „Lothar“ eine Schneise der Verwüstung durch Nordfrankreich, Süddeutschland, die Schweiz und Österreich. Mit Windböen von mehr als 170 Kilometern pro Stunde, 60 Toten und Sachschäden in Millionenhöhe gehörte er zu den verheerendsten Stürmen der vergangenen Jahrzehnte. „Lothar führte uns vor Augen, welche Schäden Extremereignisse haben können. Im Mittelland war das Ausmaß beispielslos, man würde heute sagen ‚unfassbar’“, sagt Störungsökologe Thomas Wohlgemuth von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der Schweiz. Er und sein Team haben nun untersucht, wie Lothar den Schweizer Wald langfristig verändert hat.
Fichten wichen klimarobusten Laubbäumen
In der Schweiz brachte Lothar damals die dreifache Menge Holz zu Fall, die dort sonst in einem kompletten Jahr geschlagen wird. Diese rund 3.500 LKW-Ladungen voller Holz sorgten für ein derartiges Überangebot, dass sogar die Holzpreise im Frühjahr 2000 um etwa ein Drittel sanken. Doch wie langfristig hat diese großflächige Zerstörung den Schweizer Wald verändert? Und sind diese Veränderungen auch heute – 25 Jahre später – noch zu spüren?
Im Rahmen ihrer Bestandsaufnahme stellten Wohlgemuth und sein Team unter anderem fest, dass in den Jahren nach dem Orkan und insbesondere nach der Hitzewelle im Jahr 2003 schädliche Borkenkäfer zusätzlich eine Fläche etwa zwei Drittel so groß wie die Sturmschäden beschädigt haben. Nachdem Lothar gewütet hatte, sind in den ursprünglich zur Holzproduktion genutzten Wäldern aber anstelle von schädlingsanfälligen Fichten klimarobustere Laubbäume wie Eichen, Kirschbäume, Berg- und Spitzahorne herangewachsen, wie das Team herausfand.
Dadurch, dass nun weniger Fichten und mehr Laubbäume im Schweizer Mittelland wachsen, können Borkenkäfer sich zwar nicht mehr so einfach vermehren. Hitze und Dürre können aber trotzdem einen weiteren Borkenkäferbefall begünstigen. Die WSL empfiehlt daher, von Windwurf betroffene Bäume zu entrinden und am Boden liegen zu lassen. So schützt das Totholz vor Steinschlag und Lawinen und Insekten finden einen Platz zum Wohnen.
Größere Insektenvielfalt durch Totholz
Totholz ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort. Obwohl Waldarbeiter viele durch Lothar zu Fall gebrachte Bäume weggeräumt hatten, blieb viel insektenfreundliches Totholz in den Wäldern zurück. „Ungeräumte Sturmflächen sind ein herausragender Lebensraum für gefährdete Arten, insbesondere in späteren Zerfallsstadien“, erklärt Beat Wermelinger, der über Jahrzehnte die Insektenvielfalt auf Sturmflächen untersucht hat. Nach dem Sturm stieg die Insektenvielfalt stark an, wie die WSL berichtet. Die Anzahl von seltenen Arten auf Sturmflächen war um ein Drittel höher als im unbeschädigten Wald. „Es ist beeindruckend, wie nach 20 Jahren aus apokalyptischen Baumfriedhöfen dynamische und üppig sprießende Ökoparadiese mit sonst selten zu sehenden Bewohnern geworden sind“, sagt Wermelinger.
Mit der Zeit hat diese Insektenvielfalt allerdings wieder abgenommen, da auf den Flächen wieder Bäume und Sträucher nachgewachsen sind. „Windwurf bringt Bewegung in die sonst eher ‚träge’ Waldvegetation. Auf zunächst gut zugänglichen Flächen war nach zwei bis drei Jahren teilweise kein Durchkommen mehr, weil der Unterwuchs so wucherte“, erklärt Botaniker Michael Nobis von der WSL. „Nicht geräumte Flächen konnte man zum Teil nur noch auf den übereinander liegenden Baumstämmen in zwei bis drei Metern Höhe begehen – sofern die Rinde noch hielt.“
Quelle: Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
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