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#Wie Putins Mobilmachung den Krieg nach Russland bringt

„Wie Putins Mobilmachung den Krieg nach Russland bringt“

Auf dem Alten Arbat, einer der bekanntesten Fußgängerzonen Moskaus, ist seit Längerem eine Fotoausstellung zu sehen: „Die Kinder des Donbass“ heißt sie. Schwarz-weiße Porträtfotos zeigen ernst blickende Kinder, kurze Texte stellen sie vor: Katja, zehn Jahre, sei zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs gerade im Kindergarten gewesen und habe auf dem Nachhauseweg mit ihrer Oma um ihr Leben rennen müssen; Dima, sechs Jahre, wohne seit Jahren mit seiner Mutter im Keller. Die Geschichten, deren Wahrheitsgehalt sich nicht überprüfen lässt, sollen zeigen, wieso Russland Ende Februar sein Nachbarland angeblich überfallen musste: Weil die Kinder in der Ostukraine seit 2014 unter Beschuss der Ukrainer litten. Bis vor Kurzem war die Ausstellung etwas Besonderes in Moskau, nämlich einer der seltenen Fälle, in denen der Krieg in den Alltag der Russen eindrang. Über fast sieben Monate waren das zwei säuberlich getrennte Welten: Dort die „Spezialoperation“, die von professionellen russischen Vertragssoldaten ausgeführt wurde und „nach Plan“ lief, hier das normale Leben. Dann, am Mittwochmorgen, verkündete Präsident Wladimir Putin die „Teilmobilmachung“. Und der Krieg kam auf einmal in Russland an.

Katharina Wagner

Wirtschaftskorrespondentin für Russland und die GUS mit Sitz in Moskau.

Wenige Stunden nach Putins Mobilisierungsrede schlendern die meisten Fußgänger achtlos an den Fotos der Donbass-Kinder vorbei. Manche aber bleiben stehen und lesen. Auch Pawel, ein großer, schlaksiger Mann in Kapuzenjacke und Käppi, schaut sich die Bilder an. Er ist in der Nähe von Donezk in der Ostukraine geboren, lebt aber schon lange im zentralrussischen Perm, wo er für eine Handelskette arbeitet. In Moskau ist er auf Dienstreise, er soll neue Geschäftspartner finden: Wegen der Sanktionen sind einige Lieferanten weggebrochen, zum Beispiel für deutsche Werkzeuge.

Pawel ist 36 Jahre alt, und er hat in der Armee gedient. Er weiß, dass ihn die „Teilmobilmachung“ treffen kann, allerdings glaubt er, dass in der „ersten Welle“ nur Männer bis 35 Jahre eingezogen werden oder solche, die schon gekämpft haben, wie manche seiner Kumpel im Tschetschenienkrieg. Seine Mutter habe natürlich Angst um ihn, sagt Pawel, aber wer habe schon keine Angst? Ob die „Spezialoperation“ richtig sei oder nicht, kann er nicht sagen, darauf habe er keine „eindeutige Antwort“. Aber wenn der Einberufungsbefehl kommt, ist er trotzdem bereit zu gehen. Genau wie seine Freunde, mit denen er am Morgen über die Neuigkeit gesprochen hat: „Dagegen sind nur die Frauen“, sagt Pawel und lacht.

Ist es richtig, dass Russland Krieg führt? Pawel weiß nicht so recht. Aber wenn  der Einberufungsbefehl kommt, wird er ihm folgen.


Ist es richtig, dass Russland Krieg führt? Pawel weiß nicht so recht. Aber wenn der Einberufungsbefehl kommt, wird er ihm folgen.
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Bild: Marie Katharina Wagner

Über den Arbat, vorbei an den Touristenläden mit ihren Fellmützen, Putin- und UdSSR-T-Shirts, an den dubios wirkenden Juweliergeschäften und Ständen mit kitschigen Ölgemälden, spaziert an diesem Tag auch Aljona. Eine hübsche, auffällig ungeschminkte Frau um die dreißig, die für eine Traktorenfabrik nicht weit von Moskau arbeitet und die wie Pawel beruflich in die Hauptstadt gekommen ist. Auf die Mobilisierung angesprochen, füllen sich Aljonas Augen sofort mit Tränen, die sie eilig wegwischt: Sie sorgt sich um ihren Mann und ihren Bruder. Zwar seien beide jenseits der 35, aber trotzdem sei die Nachricht ein Schock.

Erwartet hat sie sie nicht: „Alle dachten doch, es geht viel schneller zu Ende.“ Am Anfang, sagt Aljona, habe sie den Krieg für die richtige Entscheidung gehalten. Sie stockt, eigentlich müsste nun „aber jetzt“ kommen. Doch nach einer kurzen Pause sagt sie etwas anderes: „Wenn wir nicht angefangen hätten, würde jetzt wahrscheinlich das Gleiche wie in der Ostukraine auf russischem Gebiet passieren.“ Sie klingt selbst nicht überzeugt von dem, was sie da sagt; als stamme der Satz nicht von ihr.

Die Zweifel konnte man schon vor Putins Mobilisierungsrede heraushören, wenn man in Moskau Menschen auf der Straße ansprach. Auf die Frage, ob sie die „Spezialoperation“ für richtig hielten, wanden sich viele um eine Antwort: Das könne keiner sagen. Das sei zu kompliziert, da wisse niemand, wer recht habe und wer nicht. „Das ist deren Küche“, ist so ein Sprichwort, das dann fiel, oder „Ich war ja nicht da“, und „Jeder Fernseher sagt etwas anderes“. So, als ob die Leute noch gar nicht angefangen hätten, sich über die Frage nach dem Warum Gedanken zu machen.

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