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#Wie Russland auf die Gewalttat in der Schule reagiert

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Wie Russland auf die Gewalttat in der Schule reagiert

In Kasan wurden am Mittwoch die Toten des Angriffs auf die Schule Nummer 175 beerdigt, drei Schülerinnen, vier Schüler, zwei Lehrerinnen. Eine der beiden, die 26 Jahre alte Englischlehrerin Elvira Ignatjewa, wurde am Dienstagmorgen getötet, als sie einen Schüler schützte. 20 Kinder und drei Erwachsene, die verwundet worden waren, wurden am Donnerstagnachmittag noch in Krankenhäusern behandelt; die Erwachsenen sowie fünf der Kinder waren aus Kasan, der Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan, nach Moskau verlegt worden.

Immer mehr Details zum Hergang der Morde wurden bekannt. So kam der Täter, ein 19 Jahre alter früherer Schüler der Einrichtung, in schwarzer Kleidung und schwarzer Maske mit Tasche und Gewehr in der Hand zu Fuß zur Schule Nummer 175 und grüßte unterwegs Passanten. Die Polizei wurde aber noch nicht verständigt. Bekannt wurde auch, dass die Schule früher von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht wurde; das endete aber mit der Pandemie, angeblich fehlte Geld. Die Polizei wurde dann durch eine Wächterin am Eingang verständigt, die sich vor dem Schützen unter dem Tisch versteckte und einen Alarmknopf drückte. Alle getöteten Kinder gehörten einer achten Klasse an und waren 14 und 15 Jahre alt.

Ein früherer Mitschüler hatte berichtet, der spätere Täter sei in der Schule ständig gemobbt worden, aber sehr ruhig gewesen. So hatte ihn auch die Kasaner Berufsschule beschrieben, die den angehenden Informatiker wegen seiner Fehltage exmatrikuliert hatte. Am Mittwoch teilte das Ermittlungskomitee mit, der junge Mann habe sich seit Anfang vorigen Jahres aggressiv und jähzornig benommen und über Kopfschmerzen geklagt, dann sei bei ihm eine Hirnkrankheit festgestellt worden. Ein Psychiater, der dem späteren Täter das für den legalen Waffenerwerb nötige Attest ausgestellt hatte, sagte, er habe keine Auffälligkeiten bei ihm festgestellt; auch die Nationalgarde, die die Erlaubnis ausstellt, hatte offenkundig keine Einwände, sodass der junge Mann die spätere Tatwaffe, ein türkisches Hatsan-Escort-Gewehr, legal erwerben konnte.

Öffentlich mieden Russlands Politiker aber Vorwürfe gegen die mächtige Nationalgarde, die einem Weggefährten von Präsident Wladimir Putin untersteht; allenfalls heißt es, sie solle die Bewachung der Schulen übernehmen. Stattdessen werden Schritte gegen Computerspiele gefordert oder ein „Verbot der Anonymität“ im Internet. Zwar hatte der Kasaner Schütze in einem Kanal auf Telegram über seine Pläne gesprochen, doch hatte er den Auftritt erst, wie Telegram-Gründer Pawel Durow berichtete, 20 Minuten vor der Tat eingerichtet und 15 Minuten davor freigegeben; Beschwerden habe es erst gegeben, als der Täter schon festgenommen worden sei. Man habe den Kanal rasch blockiert. 

Andere Forderungen gingen weiter: „Man muss Kinder vor Schmutz schützen, vor Pseudohelden, die den Inforaum fluten“, sagte die Kinderrechtsbeauftragte Anna Kusnezowa und forderte, „die Informationswelt unserer Kinder mit Schöpfersinn und hohen Werten zu füllen“. Kusnezowas Kollegin in der Teilrepublik Tatarstan, Irina Wolynez, erklärte die Tat mit dem Fehlen „einer staatlichen Ideologie“. Solange die Kinder nicht umfassend beschäftigt seien wie in der Sowjetunion, „wird sich die Situation wiederholen“. Die Duma, das Unterhaus, holte ein Gesetzesprojekt wieder hervor, das Russen mit zwei und mehr Vorstrafen oder Strafen wegen Trunkenheit am Steuer den Waffenbesitz verbieten soll.

Präsident Putin hatte nach der Tat von Kasan angeordnet, das Waffenrecht zu verschärfen. Das hatte er auch schon getan, nachdem im Oktober 2018 ein 18 Jahre alter Berufsschüler in Kertsch auf der annektierten ukrainischen Krim 20 Mitschüler und dann sich selbst erschossen hatte – mit dem gleichen Gewehr, das nun der junge Mann in Kasan benutzte. Die Verschärfung war aber ausgeblieben, stattdessen das Alter, in dem man Jagdwaffen besitzen darf, auf 16 gesenkt worden.

Kritik daran unterblieb allerdings offiziell, auch Kritik am Geheimdienst FSB ist tabu. Dieser betreibt laut Pawel Tschikow, dem Leiter der Bürgerrechtsschützer von Agora, seit den Morden von Kertsch 2018 eine „Jagd auf Kinder“. In mehreren Städten wurden Kinder von 14 und 15 Jahren unter Terrorvorwürfen verhaftet, die mit der Schule unzufrieden waren, mit Kameraden und Lehrern stritten, auffällige Posts in sozialen Medien hinterließen oder bestimmte Websites besuchten. Tschikow beschrieb Anfang April auf Telegram das Schema von vier Fällen, die Agora begleite: Agenten des FSB entlockten den Kindern unter Tarnidentität in Chats radikale Aussagen. Dann rückten die Spezialkräfte an und verhafteten die Kinder. Um deren Psychologie und um die Ursachen für Konflikte in der Schule kümmere sich niemand, kritisierte Tschikow.

Veröffentlichte Listen mit Gefährdern

Im nordwestrussischen Murmansker Gebiet  erstellte das Bildungsministerium eine Liste „verdächtiger“ Schüler und Schulabsolventen, die kurzzeitig sogar frei aufzurufen war: Man sah persönliche Daten der Heranwachsenden samt Telefonnummern sowie die Gründe für die Aufnahme auf die Gefährderliste, etwa „neigt zu Rache“, „regelmäßiger Genuss von Energydrinks“ sowie die Teilnahme an Protesten für den inhaftierten Oppositionsführer Alexej Nawalnyj.

Der Schütze von Kasan ist geständig; am Mittwoch trat er, flankiert von drei Polizisten, in der „Aquarium“ genannten Angeklagtenbox vor einem Gericht der Stadt auf, beschuldigt des mehrfachen Mordes. Das Gericht ordnete Untersuchungshaft an.  Jetzt sollen Fachleute ein psychiatrisches Gutachten erstellen. Bald nach den Schüssen war ein Video von einer Kasaner Polizeiwache aufgetaucht, in dem der junge Mann schreit, im vergangenen Sommer sei in ihm „ein Monster erwacht“, er habe begonnen, „alle noch mehr zu hassen“ und sich vor zwei Monaten „als Gott erkannt“.

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