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#Wie sich Zentralasien von Putin abwendet

„Wie sich Zentralasien von Putin abwendet“

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zwingt die Türkei zu einem Balanceakt. Denn sie will ein Gleichgewicht wahren zwischen der Ukraine, der ihre Sympathie gilt, und Russland, das mit seinen Energielieferungen und dem Konflikt um die syrische Provinz Idlib wirkungsvolle Hebel gegen Ankara in der Hand hält. In Zentralasien eröffnet der Krieg der Türkei jedoch auch Chancen. Denn dort nutzten die Staaten die Gelegenheit, dass Russland seine Energien bündeln muss, um ihre Abhängigkeit vom übermächtigen Nachbarn zu verringern, heißt es Ankara.

Ende März hatte der türkische Präsident Tayyip Erdogan bei einem Besuch in Usbekistan den Ausbau der bilateralen Zusammenarbeit vereinbart. Im Mai reiste dann der kasachische Präsident Qassym-Schomart Toqajew mit zwölf Ministern nach Ankara, um eine intensivere Zusammenarbeit einzuleiten. So sollen türkische Firmen in Kasachstan an der Förderung von Öl und Gas beteiligt werden, und die türkische Armee soll kasachische Offiziere ausbilden.

Der Blick Zentralasiens verändert sich

In Zentralasien verändere sich der Blick auf Russland, heißt es in Ankara. Zuletzt war besonders Kasachstan beunruhigt. So soll der russische Geheimdienst Waffen in Regionen geschmuggelt haben, in denen die russische Minderheit lebt und in denen sich große Ölfelder befinden. Zudem hatte der russische Präsident Wladimir Putin Ende 2021 gesagt, Kasachstan sei doch ein Russisch sprechendes Land. Noch exportiert Kasachstan 90 Prozent seiner Güter nach Russland oder über Russland und muss auf russische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.

Einen institutionellen Rahmen für die Verbesserung der Zusammenarbeit der Staaten zwischen Almaty und dem Bosporus bietet die Organisation der Turkstaaten. Bei ihrem Gipfeltreffen im November 2021 in Istanbul haben ihre Staats- und Regierungschefs den Zusammenschluss von einem eher losen „Rat“ zur „Organisation“ der Turkstaaten aufgewertet.

Den Rat hatten 2009 vier Staaten gegründet, heute gehören dem Zusammenschluss sieben Staaten an, neben der Türkei sind es die turksprachigen Länder im Kaukasus und in Zentralasien sowie Ungarn. Zehn Staaten haben einen Beobachterstatus beantragt, unter ihnen Südkorea und Russland.

Die Organisation sei ein Zeichen für das Zusammenwachsen der Turkvölker, weltweit werde ihr immer größere Aufmerksamkeit zuteil, sagte jüngst Generalsekretär, der kasachische Diplomat Baghdad Amreyev, bei einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ankara ausgerichteten Konferenz über Möglichkeiten der Zusammenarbeit der EU mit der Türkei in Zentralasien.

Die Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsstaaten hatte sich lange Zeit auf Kontakte zwischen den Regierungen beschränkt. Einmal im Jahr findet ein Gipfeltreffen statt, jeden Monat zumindest ein Treffen auf Ministerebene. Intensiviert würden nun auch die Kontakte zwischen den Zivilgesellschaften und den privaten, sagte Amreyev: Was auf die Politik beschränkt war, werde nun auf die Wirtschaft, die Kultur und den Sport ausgeweitet.

Priorität hätten der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen, die Förderung der Investitionen und die Schaffung von Freihandel, so Amreyev. Dazu müssen die Verkehrsverbindungen zwischen den Staaten verbessert werden. Zudem muss ein Wirtschaftskorridor entstehen, der die Abhängigkeit von Russland reduziert. Um alle Formen der Zusammenarbeit zu fördern, hat die Organisation mit Sitz in Istanbul Institutionen in Ankara, Astana, Baku und anderen Orten eingerichtet.

Auch wenn die Gemeinschaft der Turkstaaten erst am Anfang steht, eröffnen sich nach Ansicht von Fachleuten Chancen einer Dreieckskooperation zwischen den Staaten Zentralasiens, der Türkei und Europa. Sowohl in Europa wie auch in der Türkei ist der Blick auf Zentralasien realistischer geworden, als er es in den neunziger Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war.

Den mittleren Korridor ausbauen

Vorrangiges Ziel der drei Akteure ist es, in Zentralasien neue Transportwege zu schaffen. Die zentralasiatischen Staaten sind daran interessiert, da ihre Transportkosten 50 Prozent höher liegen als für Staaten, die ihren Handel über die Weltmeere abwickeln können. Dadurch könnten die Länder Zentralasiens ihr Handelsvolumen um weniger als die Hälfte ausschöpfen, sagt der frühere Staatssekretär im türkischen Energieministerium, Yurdakul Yigitgüden.

In Europa wie auch in der Türkei wächst der Wunsch, zum sogenannten Nordkorridor eine Alternative zu entwickeln. Viele Unternehmen nutzten bislang den Korridor von China über Sibirien nach Europa deshalb für ihren Handel, weil er nur wenige Grenzen passiert und relativ preiswert ist. Das ändert sich in dem Maße, wie der Handel mit und über Russland mit hohen politischen Kosten verbunden ist.

Die Staaten Zentralasiens setzen deshalb auf den Ausbau des bislang unbedeutenden Mittleren Korridors. Er soll von China durch diese Staaten und die Türkei nach Europa führen. Dazu müssen aber Engpässe beseitigt werden. So gibt es für den Warenverkehr nur einen Grenzübergang von China nach Kasachstan, und im Kaspischen Meer ist der Wechsel von der Schiene auf ein Schiff noch nicht möglich. Sollten diese und andere Engpässe beseitigt werden, könnte der Mittlere Korridor attraktiv werden, sagen Fachleute.

Die Türkei als Energie-Hub

Einen großen Beitrag könnte die Zusammenarbeit mit der Türkei zudem für die Energieversorgung Europas leisten. Einen Teil des russischen Gases wollen die Vereinigten Staaten ersetzen, Qatar soll die Lücke weiter füllen. Nun bietet sich die Türkei an, sie ganz zu schließen. Dazu solle die quer durch Anatolien verlaufende Gaspipeline Tanap ausgebaut werden, sodass Gas aus Zentralasien und auch aus dem Irak über die Türkei nach Europa gepumpt werden kann.

Das würde zum Nutzen Europas sein, aber auch der Türkei, die damit ihre Bedeutung als Transitland für Energie festigen würde, und für die Staaten Zentralasiens, die neue Absatzmärkte erschließen wollen.

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