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#Wie Tapiokaperlen ausgerechnet mit Neutralität punkten

Wie Tapiokaperlen ausgerechnet mit Neutralität punkten

Ein Jahrzehnt ist es her, dass ein Becher mit Bubble Tea in Deutschland zum Trendaccessoire wurde: stark gesüßter und oft mit Milch gemischter Tee mit glasig gekochten Tapiokaperlen darin, die durch einen Trinkhalm lautstark hinaufgeschlürft wurden. Nun künden Teenagerschlangen vor schmalen Bubble-Tea-Lokalen von der zweiten Welle dieses ursprünglich aus Taiwan stammenden Getränks. Großen Anteil am Erfolg von Bubble Tea hat das spezielle Mundgefühl der weichen Stärkeperlen aus Maniokwurzeln.

Dass dieses nicht allen zusagt – manche bezeichnen die Kügelchen angewidert als Fischaugen oder Froschlaich –, scheint ambitionierte Köche und Köchinnen nur anzuspornen. Tapiokaperlen spielen ihre Stärken nämlich nicht nur in Teegetränken aus, sondern auch in Gerichten in Sternerestaurants. Sie sind eine sehr wandlungsfähige, weil per se geschmacksneutrale Zutat, der man sich mit einer große Portion Spielwitz nähern kann.

Zu Limettenmarinade und Fisch

Die Schweizer Ausnahmeköchin Tanja Grandits, im „Stucki“ in Basel am Herd, ist ein großer Fan von Tapioka. Sie aromatisiert etwa in Limettenblattwasser gekochte Perlen mit einer Limettenmarinade und kombiniert sie mit Kugeln von Gurke und Avocado. Ein anderes Grandits-Gericht sieht eine Mischung aus Tapioka, Senfkörnern und Holunderblüten als Beilage zu knusprigem Fisch vor und Minztapioka gemeinsam mit rohen Wolfsbarschwürfeln als Füllung für Gurkenmaki.

Sind geschmacklich sehr wandlungsfähig: Tapiokaperlen


Sind geschmacklich sehr wandlungsfähig: Tapiokaperlen
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Bild: Picture-Alliance

Die österreichische Kochbuchautorin Margot Van Assche widmet in ihrem Werk „Rose, Schwein und Feigenblatt“ den Tapiokaperlen gar ein ganzes Kapitel, verarbeitet sie unter anderem zu einer Bratwurst mit Liebstöckl, zu Blinis mit Rosenrahm und zu einer Tortilla mit Heusalz – die Stärkekügelchen ersetzen darin die Kartoffeln. US-Kochlegende Thomas Keller hat in seinem Restaurant „French Laundry“ im Napa Valley den Stärkekügelchen gar als Protagonisten seines signature dish ein Denkmal gesetzt: Im Gericht „Oysters & Pearls“ finden Tapiokaperlen in einer sahnigen Sauce mit Austern und Störkaviar zusammen. Die naheliegende Assoziation mit Kaviar machen sich auch andere Küchenchefs zunutze: Im „Lido84“, einem Avantgarde-Restaurant direkt am Gardasee, täuscht Riccardo Camanini die Augen seiner Gäste mit zwei Nocken aus leuchtend gelben Kügelchen: Die eine besteht aus purem Saiblingskaviar, die andere aus Tapiokaperlen, in reduziertem Orangensaft gekocht. Ein kulinarisches Trompe-lœil.

Schon im 19. Jahrhundert in Europa verwendet

Die Kügelchen sind – anders, als man womöglich glauben würde – keine Trendzutat neueren Formats. Alte Kochbücher zeigen, dass in Mitteleuropa bereits im 19. Jahrhundert mit Tapiokaperlen oder Sagoperlen (die nur dann so heißen dürfen, wenn sie tatsächlich von der Sagopalme stammen) hantiert wurde. Katharina Prato führt in ihrem Standardwerk „Die Süddeutsche Küche“, erstmals erschienen im Jahr 1858, Sago als Zutat für eine Suppe und einen süßen Auflauf an. Sie erwähnt auch ein frühes Instant-Produkt, „Knorrs Tapioca julienne“, das mit getrockneten Gemüsestückchen versetzt gewesen sein dürfte. Ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt das Buch „Anweisung in der feineren Kochkunst“ von Johann Rottenhöfer, der darin zu einer großzügig gezuckerten Sagosuppe mit Burgunder, Zimt und Orangenschale anregt.

Lina Morgenstern klärt in den 1920ern in ihrem „Illustrierten Kochbuch“ ausführlich über die verschiedenen Varietäten auf: „Der echte ist das Mark der Sagopalme, in ungleichmäßigen Klümpchen oder rundlichen Körnern. Der amerikanische Sago ist aus dem Stärkemehl der Batatepflanze bereitet. Der Portland-Sago wird aus der Wurzel von Arum maculatum in Amerika und England gewonnen.“ (Der Aronstab gilt heute als Giftpflanze.) Und weiter: „Der deutsche Sago wird aus dem Stärkemehl der Kartoffel fabriziert.“ Deutscher Sago also! Bei Lina Morgenstern wird dieser Kartoffelsago in Milch gekocht und mit viel Butter, Zucker, acht Eiern und Gewürzen zu einem üppigen warmen Pudding gebacken.

Einweichen und nach dem Kochen gut abspülen, sonst klebt die Stärke.


Einweichen und nach dem Kochen gut abspülen, sonst klebt die Stärke.
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Bild: Picture-Alliance

Im Umgang mit Tapioka oder Sago gilt das Gleiche wie für Pasta: Man muss die Perlen, die es in verschiedenen Größen etwa in asiatischen Supermärkten oder Bioläden zu kaufen gibt, in viel Wasser oder anderer Flüssigkeit kochen, und zwar ohne Deckel. Wichtig ist auch, sie entweder davor zu wässern oder danach ordentlich mit viel kaltem Wasser abzuspülen, damit die Stärke nicht alles verkleistert – der Gaumen will schließlich später mit den einzelnen Kugeln spielen können.

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