Nachrichten

#Wie Trump den Wahlkampfmodus zum Alltag machte

Inhaltsverzeichnis

Wie Trump den Wahlkampfmodus zum Alltag machte

Ein Jahr ist vergangen, seit der erste Populist im Präsidentenamt der Vereinigten Staaten abgewählt wurde. In den vielen Rückblicken auf Donald Trump schält sich eine Besonderheit seines Kommunikationsstils deutlich heraus: Auch als demokratisch legitimierter Präsident hörte er nicht auf, sich als Wahlkämpfer zu präsentieren.

Alle dafür erforderlichen Dokumente, mit denen sich seine Amtsvorgänger erst im dritten Jahr ihrer Amtszeit befassten, hatte Trump noch am Tage seiner Amtseinführung unterschrieben, und danach machte er einfach weiter: mit dem Spendensammeln, mit den regelmäßigen Auftritten vor großem und gefügigem Publikum, und dann natürlich auch mit dem letzten Gewaltmittel des Wahlkampfs, den demokratischen Gegner zum Landesverräter zu erklären. Fast könnte man von der paradoxen Strategie reden, zuerst den eigenen Wahlsieg situationsweise zu ignorieren, um am Ende auch den Wahlsieg des Gegners für unmaßgeblich erklären zu können. Um zu verstehen, wie so ein Dauerwahlkampf zur politischen Entzweiung des Landes beiträgt, empfiehlt sich eine breitere Perspektive auf die Zeitgrenze der normalen Wahlkämpfe, die er überschreitet.

Die meisten Institutionen der modernen Gesellschaft nehmen ihre Mitglieder auf, ohne nach deren politischer Gesinnung zu fragen. Es ist völlig normal, dass man in Betrieben und Kirchen, in Sportvereinen oder unter Nachbarn auch mit politischen Gegnern kooperiert. Das wiederum hat Konsequenzen für die Sichtbarkeit politischer Meinungsverschiedenheiten. Sie offen auszutragen würde jene unpolitischen Rollenbeziehungen mit ernsthaften Konflikten belasten, so gibt es Hürden vor politischen Themen und Hemmungen, sie aufzugreifen. Es hat Armeen gegeben, die ihren Soldaten das Wahlrecht während der Dienstzeit vorenthielten, weil man fürchtete, die politische Kontroverse werde die Truppe schwächen. Aber auch der Familienfrieden oder die Kooperation am Arbeitsplatz können unter politischem Streit leiden, und auch hier gibt es daher Regeln, die politische Zurückhaltung anmahnen. Natürlich hält sich nicht jeder daran, aber auch dem, der sich mutig hervorwagt, ist der Kommunikationserfolg keineswegs garantiert. Häufig empfängt er nur höfliche Zustimmung, von der jeder weiß, dass sie den Zustimmenden keineswegs bindet.

Die Phase der politischen Enthemmung

Der Erleichterung politischer Kon­troversen innerhalb des politischen Systems steht also ihre Erschwerung in allen anderen Gesellschaftsbereichen gegenüber. Würden diese Regeln der Entpolitisierung immer und ohne Ausnahme gelten, kämen die berechtigten Ansprüche der Politik freilich zu kurz. Niemand würde sich trauen, politisch kontroverse Meinungen zu vertreten, um nicht den Nachbarn oder die Kollegen, den Chef oder die Eltern zu erzürnen. Man hätte ein Elektorat aus konsenssüchtigen Nichtwählern. Das wäre schwerlich im Sinne der Demokratie.

Um dies zu verhindern, werden die Gebote der politischen Zurückhaltung zeitweise gelockert, und genau darin sah der amerikanische Soziologe Talcott Parsons einst den gesellschaftlichen Sinn des politischen Wahlkampfs. Die normale Unsichtbarkeit der politischen Überzeugung weicht dann der Bekenntnisfreude. Die Leute legen ihr politisches Inkognito ab. Sie erhalten die Gelegenheit, sich vor anderen und auch gegen diese mit einer politischen Partei zu identifizieren, und nachdem das geschehen ist, darf man erwarten, dass sie dann auch zur Wahl gehen. Einige schmücken sich selbst mit dem Namen ihres Kandidaten, andere den Balkon ihrer Wohnung mit den Farben ihrer Partei. Und auch wer nichts dergleichen unternimmt, muss darauf gefasst sein, dass zumindest die Nahestehenden wissen wollen, wie er zu wählen gedenkt und warum.

Die Funktion dieser Politisierung der Alltagskommunikation liegt offenbar darin, die Teilnehmer politisch zu mobilisieren. Für diese Phase der politischen Enthemmung ist es wichtig, dass sie ein Ende hat und dass jeder weiß, dass man danach wieder kooperieren muss. Das erzieht schon im Vorfeld zur Mäßigung und erleichtert es nach der Wahl, zu minder kon­troversen Themen zurückzufinden. Es ist genau diese Ordnung, die Trump durcheinanderbrachte. Statt die legitime Macht zu nutzen, die ihm der Wahlsieg eingetragen hatte, wollte er auch danach, von boshaften Gegnern in Massenmedien und Politik umzingelt, von permanenter Mobilisierung seiner Anhänger abhängig sein. Die dazu passenden Angriffe seiner Gegner wurden kunstgerecht provoziert. Noch existieren keine Studien, die zeigen, was dies für die Regeln der Entpolitisierung bedeutete. Aber zu erwarten, dass sie dieser Daueraufforderung zur politischen Parteinahme standgehalten hätten, wäre wohl zu viel verlangt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!