#Wiebke Elzels Buch „Sabina, Rekonstruktion einer Recherche“
Inhaltsverzeichnis
Sabina“ ist ein wundersames Buch. Kein Roman, kein Sachbuch, keine kunsthistorische Abhandlung und auch kein Bildband, dafür ein Hybrid aus all dem zusammen. In feinsinnig ironischem Ton geschrieben, vereint es Fotografien, historische Dokumente, Romanauszüge, Gemälde und Originaltexte zu einer raffinierten Geschichte, gerahmt durch den fiktiven Austausch zwischen einer Herausgeberin und einer geheimnisvollen Figur namens „W.“, eine Art Alter Ego und romantischer Verdoppelung der Künstlerin Wiebke Elzel.
Nicht wissenschaftlich, dafür von Entdeckergeist getragen, folgt der Band W.s Nachforschungen über Sabina, jener legendären Frau der Gotik also, die Wiebke Elzel über Jahre im Bann hielt und kreuz und quer durch Deutschland reisen ließ. Es ist die „Rekonstruktion der eigentümlichen Recherchen“, heißt es gleich zu Beginn, „die W. zu der möglicherweise fiktiven mittelalterlichen Bildhauerin Sabine von Steinbach unternahm und deren Verlauf zu unerwarteten Einsichten führte“. Eigentümlich gestaltet sich die Suche schon deshalb, weil W. sich auf diese Sabina in einer Weise fixiert, dass es ihr bald wichtiger als alles andere scheint, ob die Frau nun wirklich existierte, „und wenn nicht, wer sie wann und zu welchem Zweck erfunden hat“.
Eingangs gezeigte Ortsschilder in nüchterner Schwarz-Weiß-Fotografie, die heißen wie die Heldin des Buches – Steinbach –, geben den Takt der Suche vor. Mal führen sie in eine idyllische Landschaft unter Bäumen (Hochtaunuskreis), mal in die zersiedelte Gegend neben Strommasten (Donnersbergkreis), mal ins kleinstädtische Milieu Baden-Badens, wo sich das Schild zur Hinweistafel örtlicher Gottesdienste gesellt. Hier soll der Steinmetz Erwin von Steinbach, Straßburger Münsterbaumeister und Sabinas angeblicher Vater, um 1244 geboren worden sein. Das im Band abgebildete Denkmal, natürlich aus Stein, erinnert an den „unsterblichen Baumeister“.
In bunter Verwirrung
Um dessen Tochter ranken sich zahllose Legenden. Dass gerade die Romantik in ihrer Begeisterung für das Mittelalter Sabinas späten Ruhm begründete, passt ins Bild. Hatte Goethe, der in Straßburg studierte, noch den Vater Steinbach als Genius betrachtet, wurde Sabina für Künstler wie Moritz von Schwind oder Otto Geyer zur Säulenheiligen. Als Beleg diente ihnen unter anderem ein lateinisches Spruchband am Portal des Straßburger Münsters, das von einer Apostelfigur gehalten wurde. Darauf stand zu lesen: „Die Gnade der göttlichen Güte stehe Savina bei, durch die ich Figur aus hartem Stein gemacht bin“.
Wiebke Elzel: „Sabina“.Rekonstruktion einer Recherche.
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Bild: Textem Verlag
Dass der Kirchenfries in der Französischen Revolution geschleift wurde und verloren ging, machte Sabina für die Nachkommenden nur noch faszinierender. Hunderte Jahre nach ihrer angeblichen Geburt waren es Künstler des neunzehnten Jahrhunderts, die ihre frühe Schwester im Geiste aufs Neue aufleben ließen. W. konsultiert sie alle. Ernst Stadlers Gedicht, Moritz von Schwinds Ölporträt von 1844, das die anmutige Dame mit Hammer und Eisen bei der Arbeit am Münster zeigt, oder Georg Christian Brauns Novelle: „Es war still geworden im Hause. Sabina aber konnte auf ihrem Bett nicht einschlummern; die Bilder des Tages gingen vor ihrer Seele in bunter Verwirrung vorüber und drängten sich wie Bienen vor einem Flugloche, wo jede die vorderste seyn will.“ W. wird später resümieren, wie beispielhaft gerade diese Novelle von 1833 für den schwulstigen Ton ist, in dem in jener Zeit über Sabina geschrieben wurde.
Moritz von Schwinds Bildnis hängt heute in der Alten Nationalgalerie. Dass sich sogar die Erbauer des Berliner Museums, das noch im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. geplant und im jungen Kaiserreich 1876 dann als klassizistischer Bau eröffnet wurde, der mittelalterlichen Frau verpflichtet fühlten, hatte W. überhaupt erst zu ihrer Recherche animiert. Im dortigen Treppenhaus war sie auf Otto Geyers Figurenfries gestoßen, der nichts weniger will, als die deutsche Kulturgeschichte von der Schlacht im Teutoburger Wald bis zur Kaiserkrönung 1871 figürlich und namentlich zu kanonisieren.
Zwischen Fakten und Imagination
Sabina ist in diesem Walhalla der 121 Auserwählten aus Politik, Kunst und Wissenschaft eine von nur vier Frauen, dabei die einzige, die nicht adlig ist und einen Beruf ausübt. Bereits die Darstellung einer arbeitenden Bildhauerin war für ein Gemälde des neunzehnten Jahrhunderts ungewöhnlich, noch mehr das Porträt in dem Berliner Tempel der Künste und Wissenschaften. Übertroffen wird dies nur noch von der Vorstellung, dass eine Frau zur Zeit der Gotik überhaupt in einer Bauhütte unter Männern künstlerisch tätig war, wie die Rechercheurin W. im Laufe ihrer Arbeit herausfinden wird.
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