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#„Wir bedauern das zutiefst“

„Wir bedauern das zutiefst“

Herr Ahlers, Herr Jégourel, EY hat sich im Wirecard-Skandal bis auf die Knochen blamiert. Fügen Sie sich in die Rolle als Hauptschuldiger?

Bettina Weiguny

Freie Autorin in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Georg Meck

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Ahlers: Nein. Wirecard ist sicher keine Prüfung, auf die wir stolz sind. Und wir bedauern es zutiefst, dass wir den Betrug nicht früher aufgedeckt haben. Aber auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss kommt zu dem Schluss, dass die gesamte Aufsichtsseite nicht ordentlich gearbeitet hat. Wir sind ein Teil des Aufsichtssystems. Dieser Verantwortung stellen wir uns.

Sie haben dem betrügerischen Konzern Jahr für Jahr die Bilanz testiert. Wer sonst hat noch versagt?

Jégourel: Es steht uns nicht zu, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Im Rahmen der Corporate Governance hat der Aufsichtsrat des Unternehmens qua Amt die Aufgabe, Geschäft wie Vorstand zu kontrollieren. Diese Kontrollfunktion hat offenbar bei Wirecard lange nicht gegriffen.

Wenn dem so ist, hätten Sie als Wirtschaftsprüfer das nicht merken müssen?

Ahlers: Wir haben da ja Kritik geübt, und Wirecard hat daraufhin auch Veränderungen vorgenommen. Aber Wirecard ist so schnell gewachsen und in den Dax aufgestiegen, da ist es nicht ungewöhnlich, dass solche Unternehmen mit ihren Gremien und Prozessen hinterherhinken. Das wirkte insofern bei Wirecard erst mal nicht ungewöhnlich und ist auch sonst niemandem aufgestoßen.

Der Betrug ist so gewaltig, dass schnell der Verdacht aufkam, dass die Kriminellen bei den Wirtschafts­prüfern Verbündete oder zumindest Mitwisser haben mussten.

Jégourel: Diese Unterstellung ist völlig abwegig! Dafür gibt es nicht das geringste Anzeichen, wir haben das mit externer Hilfe untersuchen lassen. Da war nichts, gar nichts. Alles andere hätte auch meinen Glauben an diese Firma erschüttert. Die Prüfer haben in guter Absicht und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Henrik Ahlers, Steuerberater, Rechtsanwalt und Teil der neuen ­Doppelspitze der ­Wirtschaftsprüfungs­gesellschaft EY.


Henrik Ahlers, Steuerberater, Rechtsanwalt und Teil der neuen ­Doppelspitze der ­Wirtschaftsprüfungs­gesellschaft EY.
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Bild: Daniel Pilar

Was ist dann schiefgelaufen?

Jégourel: Im Rückblick stellt sich das immer einfacher dar. Ich bin mir jetzt noch nicht sicher, ob wir den Betrug hätten früher aufdecken können. Gerade weil es sich um einen so gigantischen Betrug entlang einer komplexen Wertschöpfungskette gehandelt hat. Mit Tätern bis ganz nach oben, so wie es aussieht. Das ist wie die Nadel im Heuhaufen. Heute weiß man, wo die Nadel ungefähr lag. Da ist es leicht zu sagen: Da hättet ihr suchen müssen.

Am Ende war die Sache so komplex nicht: Die Wirecard-Schurken haben zwei Milliarden Euro auf Konten in Asien erfunden, die es nicht gab, immerhin ein Drittel der Bilanz – und Sie haben sich mit gefälschten Saldenbestätigungen abspeisen lassen. Warum sind Sie nicht einfach zu den Bankchefs marschiert und haben nachgeschaut, ob die so viel Geld aus Deutschland verwalten?

Ahlers: Wenn das so einfach wäre! Wir haben uns gerade nicht abspeisen lassen, wir haben ja sogar die Betriebsstätten der Banken vor Ort auf den Philippinen besucht.

Erst sehr spät und auf Druck, nachdem Sonderprüfer von KPMG hinzugezogen wurden.

Ahlers: Am Ende waren wir es, die den gefälschten Bankkonten auf die Spur gekommen sind. Diese Dimension von krimineller Energie hätte ich mir nicht ausmalen können. Wir haben angebliche Banken von Wirecard auf den Philippinen besucht, von denen wir heute annehmen, dass die ganzen Meetings wie ein Schauspiel inszeniert wurden. Wo Bankmitarbeiter bestochen wurden, wo wohl zudem irgendwelche Laien als Darsteller angeheuert wurden, wo möglicherweise die ganze Filiale ein Fake war, die Räume eigens angemietet und für uns Besucher als Bank eingerichtet wurden. All das durchschaut man leider erst im Nachhinein.

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