Wissenschaft

#Wir sehen das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße – Astrodicticum Simplex

„Wir sehen das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße – Astrodicticum Simplex“

Heute, am 12. Mai 2022, wird um 15 Uhr MESZ eine Pressekonferenz der Europäischen Südsternwarte stattfinden. Dort wird der Welt der erste Blick auf das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße vorgestellt werden. Ok, ich schreibe diesen Artikel am 11. Mai (morgen bin ich den ganzen Tag unterwegs) und man kann nicht völlig ausschließen dass es vielleich doch um etwas anderes geht. Aber wenn wir ehrlich sind: Was um Himmels Willen soll denn sonst passieren, wenn die Forscherinnen und Forscher des Event Horizon Telescope (EHT) über “bahnbrechende Forschung” reden wollen, die unsere Milchstraße betrifft? Das EHT ist exakt dazu da, um schwarze Löcher zu beobachten. Es hat vor drei Jahren das erste Bild eines schwarzen Lochs überhaupt gemacht. Wir wissen, dass es seit Jahren daran arbeitet, auch das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße abzubilden. Ich traue mich also mit einiger Sicherheit zu behaupten, dass heute der Tag ist, an dem genau diese Resultate vorgestellt werden (und wenn ich mich irre, dürft ihr mir das gerne den Rest meines Lebens vorhalten).

Was hat man beobachtet?

Wie ich schon vor 5 Jahren geschrieben habe: Das Event Horizon Telescope ist kein Teleskop im herkömmlichen Sinn. Und ein schwarzes Loch ein Objekt, das man quasi per Definition nicht sehen kann. Wenn man vom “Bild eines schwarzen Lochs” schreibt, dann ist das also genaugenommen falsch. Das EHT “sieht” Radiostrahlung. Die wird nicht vom schwarzen Loch selbst ausgesandt, denn schwarze Löcher strahlen nicht (die Hawking-Strahlung – siehe unten – ignorieren wir mal), deswegen heißen sie ja auch “schwarz”. Aber in der Umgebung eines schwarzen Lochs kann es jede Menge Material geben. Gas und Staub, das in einer Scheibe um das Loch herum wirbelt bevor es verschluckt wird. Es wird dabei enorm stark aufgeheizt; es bewegt sich durch das Magnetfeld des Lochs und bei all dem gibt es jede Menge Strahlung ab, unter anderem eben auch im Radiowellenbereich. Die können wir sehen und das EHT kann das besonders gut. Es besteht nämlich nicht aus einem einzelnen Teleskop sondern aus überall auf der Welt verteilten Radioteleskopen. Sie beobachten das schwarze Loch gleichzeitig, aber aus leicht unterschiedlichen Positionen. Und wenn man es richtig anstellt – wie das geht habe ich hier erklärt – kann man so ein Teleskop simulieren, das quasi so groß wie die ganze Erde ist. Das sieht natürlich deutlich besser als ein kleines Gerät und deswegen können wir damit fast bist zum Ereignishorizont schauen. Das ist der Bereich um ein schwarzes Loch, wo die Gravitationskraft so stark ist, dass nichts mehr entkommen kann, auch kein Licht. Also: heißes, strahlendes Material und in der Mitte eine Region, die absolut dunkel ist. DAS ist es, was wir zu sehen erwarten und was wir 2019 auch schon beim schwarzen Loch in der Galaxie M87 gesehen haben.

Aufbau eines schwarzen Lochs (Bild: ESO)

Ansonsten empfehle ich noch die Podcastfolge “Remmidemmi am Ereignishorizont” von WRINT, in der meine Kollegin Ruth Grützbauch genau erklärt, wie das mit dem Bild funktioniert.

Warum war das schwarze Loch in der Milchstraße nicht als erstes an der Reihe?

Es klingt ein wenig komisch. Unsere eigene Galaxie besitzt in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch mit der viermillionenfachen Masse der Sonne. Es ist “nur” knapp 26.000 Lichtjahre weit weg. Warum man hat “Sagittarius A*” (so die offizielle Bezeichnung) nicht zuerst beobachtet? Warum haben wir 2019 zuerst ein Bild von M87* bekommen, einem schwarzen Loch, das knapp 54 Millionen Lichtjahre weit weg ist? Das liegt daran, dass dieses schwarze Loch zwar tatsächlich viel weiter weg ist. Aber auch eine sehr viel größere Masse (6,5 Milliarden Sonnenmassen) hat als das in unserer eigenen Galaxie. Die Ausdehnung des Ereignishorizonts hängt von der Masse ab; je mehr desto größer. Am Ende sind das kleine, aber nahe schwarze Loch in der Milchstraße und das ferne, große in der Galaxie M87 circa gleicht gut für das EHT zu beobachten. Das war aber nicht der einzige Grund.

Warum kommt das Bild von Sgr A* so spät?

Eigentlich hat Markus Pössel die Sache schon sehr schön erklärt, da muss ich nicht mehr viel sagen. Aber ich fasse es noch einmal kurz zusammen: Das EHT ist kein Fotoapparat, wo man einfach draufhält und abdrückt. Man sammelt jede Menge Radiodaten, aus denen mühsam und langwierig ein Bild rekonstruiert werden muss. Vereinfacht gesagt: Man weiß, wie ein schwarzes Loch mit bestimmten Eigenschaften und mit einer bestimmten Konfiguration von Material rundherum Radiowellen abstrahlen sollte. Und das vergleicht man mit dem, was man tatsächlich sieht. Daraus wird ein Bild berechnet. Dafür muss man aber auch ausreichend viele Daten sammeln. Und jetzt kommt ein weiteres Mal die Masse/Größe ins Spiel. Je ausgedehnter ein Objekt ist, desto weniger schnell können wir dort Veränderungen wahrnehmen. Selbst wenn dort etwas in “einem Augenblick” passiert, dann macht sich das Licht von unterschiedlichen Enden des Objekts auf den Weg zu uns und die können durchaus weit auseinander liegen. Deswegen kommt ein Teil der Signale früher an und ein Teil später. Der Unterschied ist umso größer, je größer das Objekt ist. Oder anders gesagt: Bei einem großen Objekt “verschmieren” Helligkeitsänderungen. Was blöd klingt, aber eigentlich gut für die Beobachtung ist. Denn wenn sich die Beobachtungsdaten schnell ändern, ist es schwieriger daraus ein Bild zu rekonstruieren. Man muss mehr Daten sammeln und das dauert länger. Und deswegen war es einfacher, zuerst ein Bild vom großen Loch in M87 als von dem kleinen in der Milchstraße.

Das schwarze Loch von M87
(Bild: EHT Collaboration)

Dazu kommt: Seit der ersten Veröffentlichung des ersten Bilds im Jahr 2019 hat die Pandemie alles ein wenig durcheinander gebracht und auch die Arbeit am EHT massiv verzögert.

Aber jetzt ist es endlich so weit. Jetzt hat alles geklappt, alle Daten wurden gesammelt und ausgewertet und wir haben das erste Bild unseres eigenen schwarzen Lochs. Oder den ersten Film. Vermutlich sogar zweiteres, aber das werdet ihr genau wissen, wenn ihr um 15 Uhr die Pressekonferenz anschaut.

Wie schaut es denn jetzt aus?

Das kann ich natürlich noch nicht sagen. Ich weiß zwar, DAS es ein Bild/einen Film geben wird, aber da mir niemand vorab gezeigt hat, was es zu sehen gibt, habe ich keine Ahnung. Vermutlich nicht allzu anders als das schwarze Loch bei M87. Aber vielleicht ja doch? Aber ihr müsst einfach nur hier schauen:

Oder ihr schaut auf den Twitter-Account des EHT. Oder auf eine Nachrichten-Seite eurer Wahl. Es ist damit zu rechnen, dass zur Abwechslung und zumindest für (vermutlich sehr) kurze Zeit die Astronomie wieder einmal Schlagzeilen machen und die Dauerbrenner Krieg und Pandemie verdrängen kann.

Was haben wir neues gelernt?

Keine Ahnung! Jede Menge vermutlich. Aber wie gesagt: Ich schreibe das hier alles bevor die Pressekonferenz stattfindet, weil den ganzen 12. Mai über (leider) beschäftigt bin. Es wird auf den Videokanälen von ESO & Co diverse Info-Veranstaltungen geben, wo all das erklärt werden wird. Aber es wäre höchst überraschend, wenn wir nichts gelernt hätten. Zwei von etwas sind immer besser als eines (zumindest wenn es um die Beobachtung von Himmelskörpern geht). Bei nur einem Ding weiß man nicht, ob man etwas außergewöhnliches vor sich hat oder den Normalfall. Das weiß man bei zwei Dingern natürlich immer noch nicht. Aber wenn man etwas ein zweites Mal geschafft hat, dann stehen die Chancen gut, es auch ein drittes, ein viertes, fünftes, etc Mal zu schaffen. Das war so bei den extrasolaren Planeten, die wir 1995 das erste Mal entdeckt haben und mittlerweile stehen wir bei über 5000 bekannten Exoplaneten und es existiert ein komplettes Forschungsfeld das sich um ihre Erforschung kümmert. Das war so beim ersten Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2016 und mittlerweile können wir Kataloge von den Dingern anlegen. Ich hoffe sehr, dass es mit den schwarzen Löcher nicht anders sein wird. Jetzt sind es zwei Bilder. Wer weiß, wie viele wir in 10 Jahren haben werden? Und je mehr wir sehen; je mehr ECHTE Beobachtungsdaten wir haben, desto besser können wir auch unser theoretisches Verständnis auf diese absurden Objekte abstimmen. Und irgendwann vielleicht verstehen, wie ein schwarzes Loch wirklich funktioniert!

Ich will noch mehr wissen!

Ich werde in den nächsten Tagen (hoffentlich!) die Zeit finden, mir alles in Ruhe anzusehen und ausführlicher davon zu berichten. Bis dahin gibt es jetzt noch ein paar Sachen, die ich früher schon mal zu dem Thema geschrieben habe:

Hier sind ein paar Texte zu diversen Eigenschaften schwarzer Löcher:

Ganz besonders intensiv hat sich natürlich Stephen Hawking mit schwarzen Löchern beschäftigt. Was genau er da gemacht hat, könnt ihr in meiner Serie dazu nachlesen oder auch ausführlicher in meinem Buch zum Thema: “Hawking in der Nussschale: Der Kosmos des großen Physikers”*.

Wer lieber hört als liest, kann sich auch ein paar Folgen meines Sternengeschichten-Podcasts über schwarze Löcher anhören:

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!