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#Wollen wir wirklich ewig leben?

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Wollen wir wirklich ewig leben?

Auf die Frage, wie wir leben wollen, gab der französische Renaissance-Schriftsteller Michel de Montai­gne die Antwort: „Habe keine Angst vor dem Tod.“ Montaigne wusste, wovon er redet. Zuerst war sein bester Freund Étienne de La Boétie in jungen Jahren der Pest erlegen. Dann starb der Vater, wahrscheinlich an den Komplikationen einer Nierenkolik. Im folgenden Jahr verlor er seinen jüngeren Bruder bei einem Sportunfall. Und dann starben auch vier seiner eigenen Kinder; lediglich eine Tochter erreichte das Erwachsenenalter.

Rainer Hank

Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Dass wir „mitten im Leben vom Tod umfangen“ sind, wie es in einem von Luther ins Deutsche übertragenen Kirchenlied heißt, war über Jahrhunderte den Menschen Schicksal und Alltagserfahrung zugleich. Montaignes „Memento mori“ lautete: „Bedenken wir nichts so oft wie den Tod.“ Er mahnte uns, beim Stolpern eines Pferdes, bei einem herabstürzenden Ziegel, beim geringsten Nadelstich sogleich zu fragen: „Könnte das nicht der Tod persönlich sein?“

Wir müssen uns diese Weisheit der Lebensführung vor Augen führen, um zu erkennen, wie fern uns dies alles inzwischen geworden ist. Das tägliche Bedenken des Todes hat sich gewandelt in tägliche Anstrengungen, möglichst lange zu leben. „Ich fühle mich hochagil“, bekannte die Fernsehmoderatorin Nina Ruge jüngst anlässlich ihres fünfundsechzigsten Geburtstags. „Das Leben mag ein wenig an meinen Augenlidern zupfen, aber ich bin weder klapprig, noch habe ich irgendein Problem mit dem Alter.“ Ihr Ziel, sehr lange zu leben, lässt sich Frau Ruge einiges kosten. Der Nahrungsmittelergänzungs- und Coachingmarkt ist nicht billig. Früh schlafen gehen, gelegentlich Sex („macht den Parasympathikus happy“) und, ein Geheimtipp, Olivenpresswasser geben ihrer Hoffnung auf das ewige Leben Nahrung.

„Zu werden wie Gott“

Wie anders ist unsere Welt geworden? Für das „ewige Leben“ mussten fromme Menschen auch früher viel investieren: Wallfahrten machen, täglich beten, gute Werke tun. Doch da ging es eben um das himmlische und nicht um das irdische Leben, das zwangsläufig mit dem Tod endet. Im Alten Testament wird den „Gerechten“ in Aussicht gestellt, dass Gott sie ewig leben lässt. Dass der ewige Gott Mensch wurde, was die Christen an Weihnachten feiern, hat gerade nicht zur Konsequenz, dass der Mensch Gott werden soll. „Zu werden wie Gott“ – so lautete die verführerische Verheißung der Schlange im Paradies, der nachzugeben Adam und Eva mit der ewigen Strafe der Sterblichkeit bezahlen mussten.

Aus der Verbannung auf die Erde haben die Menschen das Beste gemacht. „Unser Wunsch nach Gesundheit, Glück und Macht“ kenne keine Grenzen, schreibt der israelische Historiker Yuval Harari in seinem Bestseller „Homo Deus“ („Der Mensch als Gott“). Wissenschaft und Kapitalismus sind Verbündete des Fortschritts, dessen Erfolge die Ehrfurcht vor dem Transzendenten obsolet werden ließen. Die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Jenseits verlor in dem Maße seine Attraktivität, in welchem das ewige Leben auf Erden realisierbar wurde. Frei nach Heinrich Heines Wintermärchen wollen wir hier auf Erden schon das Himmelreich errichten.

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Auf die Frage, wie wir leben wollen, gab der französische Renaissance-Schriftsteller Michel de Montai­gne die Antwort: „Habe keine Angst vor dem Tod.“ Montaigne wusste, wovon er redet. Zuerst war sein bester Freund Étienne de La Boétie in jungen Jahren der Pest erlegen. Dann starb der Vater, wahrscheinlich an den Komplikationen einer Nierenkolik. Im folgenden Jahr verlor er seinen jüngeren Bruder bei einem Sportunfall. Und dann starben auch vier seiner eigenen Kinder; lediglich eine Tochter erreichte das Erwachsenenalter.

Rainer Hank

Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Dass wir „mitten im Leben vom Tod umfangen“ sind, wie es in einem von Luther ins Deutsche übertragenen Kirchenlied heißt, war über Jahrhunderte den Menschen Schicksal und Alltagserfahrung zugleich. Montaignes „Memento mori“ lautete: „Bedenken wir nichts so oft wie den Tod.“ Er mahnte uns, beim Stolpern eines Pferdes, bei einem herabstürzenden Ziegel, beim geringsten Nadelstich sogleich zu fragen: „Könnte das nicht der Tod persönlich sein?“

Wir müssen uns diese Weisheit der Lebensführung vor Augen führen, um zu erkennen, wie fern uns dies alles inzwischen geworden ist. Das tägliche Bedenken des Todes hat sich gewandelt in tägliche Anstrengungen, möglichst lange zu leben. „Ich fühle mich hochagil“, bekannte die Fernsehmoderatorin Nina Ruge jüngst anlässlich ihres fünfundsechzigsten Geburtstags. „Das Leben mag ein wenig an meinen Augenlidern zupfen, aber ich bin weder klapprig, noch habe ich irgendein Problem mit dem Alter.“ Ihr Ziel, sehr lange zu leben, lässt sich Frau Ruge einiges kosten. Der Nahrungsmittelergänzungs- und Coachingmarkt ist nicht billig. Früh schlafen gehen, gelegentlich Sex („macht den Parasympathikus happy“) und, ein Geheimtipp, Olivenpresswasser geben ihrer Hoffnung auf das ewige Leben Nahrung.

„Zu werden wie Gott“

Wie anders ist unsere Welt geworden? Für das „ewige Leben“ mussten fromme Menschen auch früher viel investieren: Wallfahrten machen, täglich beten, gute Werke tun. Doch da ging es eben um das himmlische und nicht um das irdische Leben, das zwangsläufig mit dem Tod endet. Im Alten Testament wird den „Gerechten“ in Aussicht gestellt, dass Gott sie ewig leben lässt. Dass der ewige Gott Mensch wurde, was die Christen an Weihnachten feiern, hat gerade nicht zur Konsequenz, dass der Mensch Gott werden soll. „Zu werden wie Gott“ – so lautete die verführerische Verheißung der Schlange im Paradies, der nachzugeben Adam und Eva mit der ewigen Strafe der Sterblichkeit bezahlen mussten.

Aus der Verbannung auf die Erde haben die Menschen das Beste gemacht. „Unser Wunsch nach Gesundheit, Glück und Macht“ kenne keine Grenzen, schreibt der israelische Historiker Yuval Harari in seinem Bestseller „Homo Deus“ („Der Mensch als Gott“). Wissenschaft und Kapitalismus sind Verbündete des Fortschritts, dessen Erfolge die Ehrfurcht vor dem Transzendenten obsolet werden ließen. Die Hoffnung auf ein ewiges Leben im Jenseits verlor in dem Maße seine Attraktivität, in welchem das ewige Leben auf Erden realisierbar wurde. Frei nach Heinrich Heines Wintermärchen wollen wir hier auf Erden schon das Himmelreich errichten.

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