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#Woran Menschen glauben – Wissenschaftsfeuilleton

Woran Menschen glauben – Wissenschaftsfeuilleton

Als Heinrich Heine 1832 in Paris war, erlebte er dort den Ausbruch der Cholera, und er hat darüber in einem Aufsatz für die “Allgemeine Zeitung” berichtet, die in Augsburg ansässig war. Heine beklagt in seinem Text manch seltsame Dinge – er fühlt sich zum Beispiel durch das “grauenhafte Schreien” von Nachbarn gestört, die an der Cholera sterben – und wundert sich über die Gerüchte, die Menschen würden vergiftet. Zur Erinnerung: 1832 wusste man noch nichts von den Cholera-Bakterien als Ursache der Seuche, und so müssen sich ahnungslose Menschen eigene Gedanken über den Krankheitsherd machen. Was bald auffiel: Geld konnte ein Schutzmittel gegen den in der Stadt kreisenden Tod bieten, da sich die Reichen mit ihren Ärzten und Arzneien in gesündere Gegenden retten konnten. In Paris selbst verkündeten die Priester, ein geweihter Rosenkranz sei ein Schutzmittel, und Anhänger der Saint-Simonisten prahlten damit, dass erstens Fortschritt ein Naturgesetz sei, dass sie zweitens einen sozialen Fortschritt darstellten, weshalb sie gesund blieben (was Heine nicht nachprüfen konnte). Bonapartisten behaupteten, wenn jemand die Cholera spüre, brauche es bloß zur Vendome-Säule hochzuschauen, und man bleibe am Leben. Heine kommentiert: “So hat jeder seinen Glauben in dieser Zeit der Not. Was mich betrifft, ich glaube an Flanell” und warme Kleidung. Offenbar hat der Dichter überlebt, was die Frage aufwirft, ob der richtige Glaube in schweren Zeiten dem Mangel an Wissen Menschen auf die gesunden Beine helfen kann, wie es heute viele Querdenker versuchen. Was glauben Dichter? Als der jüdische Schriftsteller und Philosoph Theodor Lessing zusah, wie Leni Riefenstahl Hitler und seinen Genossen attestierte, den “Sieg der Glaubens” errungen zu haben, meinte Lessing: “Ich glaube nicht an Gott, aber ich glaube an das Wasserklosett”. Man kann und sollte Lessing wieder lesen. “Kultur und Nerven” heißt das Buch, in dem das möglich ist. Bei der Corona Pandemie brauchen wir beides – Kultur und Nerven. Auf jeden Fall dürfen wir weder das eine verlieren noch das andere aufgeben.

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