#„Wie die erste große Liebe“
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„„Wie die erste große Liebe““
Es gibt viele Gründe, Paris zu verfallen: das Flair, das Savoir- vivre, die Kunst, die Mode, das Essen, die Vielfalt, vielleicht sogar der eiserne Koloss namens Eiffelturm. Für Andrea Petkovic kommt als Berufssportlerin noch etwas dazu, womit Touristen nichts am Hut haben: die Liebe zum Erfolg.
Am Bois de Boulogne, wo alljährlich das bedeutendste Sandplatzturnier ausgetragen wird, ist die Darmstädterin immer mit ganzem Herzen dabei. Angefangen 2007, als sie sich als Neunzehnjährige – und noch hin- und hergerissen zwischen dem Tennisehrgeiz und Studienwunsch – erstmals für das Hauptfeld eines der vier Grand-Slam-Turniere qualifizierte.
„Das war wie die erste große Liebe“, sagt Petkovic heute, inzwischen 34 Jahre alt. Eine Liebe, von der sie irgendwann Abstand nehmen muss. Aber wann? Das ist die große Frage, nachdem Andrea Petkovic der Belarussin Wiktoria Asarenka in der diesjährigen Roland-Garros-Auflage in der zweiten Runde 1:6 und 6:7 unterlegen war.
Vielleicht ein Abschied für immer
Am Mittwoch der Niederlage lag ein Hauch von Abschiedsstimmung in der frühlingshaften Pariser Luft. Nach dem Matchball umarmte die Hessin zunächst ihre auch schon fast 33 Jahre alte Gegnerin, dann folgten das Abklatschen mit Anhängern aus Deutschland und das Winken ins Publikum auf dem Court 14.
Beim Verlassen des Platzes sei ihr es durch den Kopf gegangen, dass es von Roland Garros ein Abschied für immer sein könnte, sagte Petkovic, die im diesjährigen Damenfeld die drittälteste Teilnehmerin war: „Wenn alles von meinem Willen abhängig wäre, würde ich noch zehn Jahre spielen. Ich muss es aber von meinem Körper abhängig machen.“ Ginge es nach den deutschen Tennisfans, kann sie getrost weitermachen. Deren lautstarkes „Auf geht’s, Petko!“ übertönte auf dem Platz alles.
Nirgendwo war Petkovic besser
Zum zwölften Mal nahm Petkovic am Pariser Sandplatzturnier teil, dort feierte sie ihre größten Grand-Slam-Erfolge. 2011 zog sie in Roland Garros ins Viertelfinale ein, wo sie Maria Scharapowa unterlag, 2014 schaffte sie es sogar unter die letzten vier, ihrem besten Abschneiden bei den vier wichtigsten Tennisturnieren.
Nur Simona Halep konnte die Darmstädterin damals aufhalten. Von ihren 31 Matches in Paris hat sie 19 gewonnen, eine bessere Bilanz hat Petkovic bei keinem anderen Grand-Slam-Turnier. In den Corona-Jahren 2020 und 2021, als in Paris keine Zuschauer zugelassen waren und die ganze Veranstaltung eher trist anmutete, wurde ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt: Sie verlor jeweils in der ersten Runde. Auf diese Weise hatte sie die geliebte Bühne nicht verlassen wollen.
„Aus Versehen ein Turnier gewonnen“
Eigentlich hätte ja schon längst Schluss sein sollen für Andrea Petkovic. Eigentlich hätten die Tennisschläger seit dem vergangenen Jahr eingemottet, die ständigen Reisen rund um die Welt storniert und die strapaziösen Trainingseinheiten vorbei sein sollen. Längst hatte sich die Darmstädterin für ein Leben nach der Profikarriere eingerichtet: als Autorin, Kolumnistin, Fernsehmoderatorin.
Mo. – Fr. um 16.00 Uhr; Sa. – So. um 18.00 Uhr
Doch dann kam außer Corona noch etwas dazwischen: der Erfolg. Im vergangenen August im rumänischen Cluj passierte etwas, was Petkovic zuvor sechs lange Jahre nicht gelungen war und womit sie selbst kaum noch gerechnet hatte: „Ich habe aus Versehen ein Turnier gewonnen und stand wieder auf Rang 62.“ Ihr siebter Turniersieg auf der WTA-Tour öffnete wieder Türen zu Hauptfeldern, in die sie sonst nur über die Mühen der Qualifikationsrunden gekommen wäre.
Zuvor war sie aus den Top 100 der Weltrangliste gefallen. Inzwischen rangiert sie auf Platz 65, mit ihren 70 in Paris gewonnenen Punkten könnte sie nach dem Grand-Slam-Turnier gar unter die besten 50 zurückkehren.
„Das gibt mir Freude und Adrenalin“
Ob es also 2023 eine dreizehnte Auflage für die Darmstädterin in Paris geben wird? Oder wird sich die Liebe notgedrungen abkühlen, weil Petkovic im Laufe dieses Jahres merkt, dass ihr Körper nach fast 500 Matches auf der WTA-Tour doch zu strapaziert ist, die Regeneration zu lange dauert, die Erfolge ausbleiben und eine weitere Tennissaison mehr Frust als Lust bedeuten würde?
In den vergangenen Tagen von Paris hat sie mit der Aussage aufhorchen lassen, dass sie vielleicht noch ein weiteres Jahr dranhängt. Entscheiden will sie am Ende dieser Saison. „Der Wettkampf, dieses mentales Aneinanderreißen wie an einem Seilzug, das gibt mir Freude und Adrenalin.“ Wenn die von Ehrgeiz, Leidenschaft und Verletzungen geprägte Karriere der Hessin jemals verfilmt werden sollte, wäre der Streifen ein Melodram und müsste den Titel bekommen „Und jährlich grüßt die Petkovic“.
Schreiben oder Tennis? Für Andrea Petkovic geht bislang nur beides.
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Bild: Witters
Ihren vielfältigen Interessen zum Trotz hat Tennis bis auf Weiteres oberste Priorität. Als Moderatorin im ZDF war sie schon eine ganze Weile nicht mehr zu sehen, sie übernimmt den Job nur, wenn ein Auftritt in ihren – inzwischen ausgedünnten – Turnierplan passt. Aufs Schreiben dagegen verzichtet Petkovic nicht so leicht.
Kolumnen verfasst sie eifrig, nebenbei hat sie auch ein zweites Buch im Sinn. Auf diese Weise ihren klugen Kopf zu beschäftigen schafft Ablenkung und Entspannung von den sportlichen Strapazen. „Wenn ich nicht ein oder zwei Stunden am Tag schreibe, gibt’s Nervenzusammenbrüche“, sagt Andrea Petkovic auf ihre gewohnt saloppe Art.
Und wie sähe ihr Drehbuch für den eigenen Abschied aus? Geht sie so wie der 37 Jahre alte Franzose Jo-Wilfried Tsonga, der am Dienstag in Paris vor 15.000 Zuschauern sein letztes Spiel absolvierte und so innig von Fans, Funktionären und Mitspielern gefeiert wurde, dass ihm die Tränen kamen und die Stimme stockte?
Oder so wie die ehemalige Weltranglistenerste Ashleigh Barty aus Australien, die ihren Abschied im März still und leise beging, mit einem vorbereiteten Interview für die restliche Welt? „Ich würde es gern so machen wie Tsonga, aber das wäre emotional zu viel für mich“, sagt Andrea Petkovic. Also eher ein stiller Abgang. In diesem Sinne: Au revoir, Paris.
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