#Drei Skandale machen Geschichte
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„Drei Skandale machen Geschichte“
Gemeines Weib, feile Dirne, Berliner Vettel, satanische Gräfin, Natter, Lindwurm Hydra.“ So titulierten aufgebrachte Kasseler Bürger in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts eine Frau, die seit 1813 diskret und unauffällig in der Stadt gelebt hatte, ehe sie 1821 ins Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten war. Emilie Ortlöpp (1791 bis 1843), die Tochter eines Berliner Goldschmieds, wurde zum Ziel von Schmähgedichten, Drohbriefen und Bürgerprotesten, weil sie die Geliebte des verheirateten Kurprinzen und späteren Kurfürsten Wilhelm II. von Hessen (1777 bis 1847) war. Nicht die kurfürstliche Liaison war jedoch Ursache der allgemeinen Erregung – Wilhelms Vater, Kurfürst Wilhelm I. schließlich hatte mit insgesamt drei Mätressen sogar 24 Kinder in die Welt gesetzt, ohne dass daran jemand Anstoß genommen hatte. „Skandalös erschien nicht die Beziehung an sich, sondern die Art und Weise, wie sie zelebriert wurde“, bilanziert Karl Murk in einem Beitrag für das Buch „Hessische Skandale“.
Das große Pech Emilies war es, dass ihre Rivalin, Kurfürstin Auguste, in Kassel außerordentlich beliebt war. Die schöne Berliner Geliebte wiederum dachte gar nicht daran, sich im Hintergrund zu halten. Dass es am Kasseler Hof nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. Anfang 1821 luxuriöser zuging als unter dem knauserigen alten Kurfürsten, war auch Emilie zu verdanken, die, zur Gräfin Reichenbach avanciert, mit ihren mittlerweile fünf Kindern ins kurfürstliche Palais einzog. Sie genoss es, Feste und Aufführungen zu organisieren und sich als Mäzenatin und Wohltäterin zu inszenieren.
Er wollte nicht ohne Emilie leben
Nach dem Regierungswechsel 1821 sei der Skandal zur Staatsaffäre geworden, die sich zu einer politischen Legitimationskrise der Fürstenherrschaft ausgeweitet habe, schreibt Murk. Je stärker sich Emilie exponierte, desto heftiger wurde sie angefeindet und zum Sündenbock gemacht. Der reaktionäre Herrschaftsstil des Kurfürsten, seine Polizeistaatsmethoden gegen politisch Andersdenkende und eine ökonomische Krise taten ihr Übriges und mündeten schließlich 1830 in eine revolutionäre Situation. Mittendrin die „Berliner Dirne“, als eine Art nordhessische Marie Antoinette. „Wer im Sommer und Herbst 1830 gegen die Gräfin Reichenbach demonstrierte, protestierte zugleich auch gegen die unkontrollierte monarchistische Machtausübung sowie die Not und das Elend der Untertanen.“
Ein Jahr später warf Wilhelm II. entnervt das Handtuch. Seine Frau, Kurfürstin Auguste, hatte sich schon 1826 mit ihren Töchtern ins Exil nach Bonn und Koblenz begeben, aber ohne Emilie wollte er nicht leben. Ende September 1831 übertrug er seinem Sohn Friedrich Wilhelm die Mitregentschaft, zog sich aus der Tagespolitik zurück und lebte als „Frühpensionär“ mit seiner Geliebten bis zu deren Tod im Jahr 1843 überwiegend in Hanau, Frankfurt und Baden-Baden. Zwei Jahre zuvor, nach dem Tod seiner Gemahlin, hatte er die Frau, die er so abgöttisch liebte, noch zum Traualtar geführt. Kassel sollte er nie wieder betreten. Kurhessen wiederum stellte sich im Deutschen Krieg 1866 auf die falsche, die österreichische Seite. Es wurde von Preußen besetzt, annektiert und ging in dem neuen Großstaat auf.
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