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#Zeit, die Regeln der Kurzarbeit zu ändern

„Zeit, die Regeln der Kurzarbeit zu ändern“

Die Ankündigung von Mercedes-Benz, wegen Lieferschwierigkeiten für einige Hundert Beschäftigte Kurzarbeit anzumelden, hat für Aufregung gesorgt. Der Konzern hatte zuvor einen Gewinn von 14,8 Milliarden Euro für 2022 bekanntgegeben. Viele meinen, dass das nicht zusammenpasst, auch wenn das rechtlich nicht anzugreifen sei. Auch generell ist zu beobachten, dass sich trotz wirtschaftlicher Erholung seit dem Sommer 2020 die Nutzung der Kurzarbeit bis in den Sommer 2022 auf einem historisch sehr hohen Niveau bewegte. Müssen wir also die Kurzarbeits-Regelungen ändern?

Unsere Antwort lautet: nein – und ja. Zunächst zum Nein. Das Beantragen von Kurzarbeit setzt nicht voraus, dass ein Unternehmen in den roten Zahlen ist. Das ist auch sinnvoll: Denn bei der Kurzarbeit handelt es sich ja primär nicht um eine Wirtschaftshilfe zur Rettung in Not geratener Unternehmen, sondern um ein Instrument, das Entlassungen verhindern soll. Ein Unternehmen, das unverschuldet und temporär weniger Arbeitskräfte benötigt, soll mittels der Kurzarbeit sein Personal halten.

Davon profitieren alle: Die Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz behalten, die Unternehmen, die nicht teuer und langwierig neu rekrutieren müssen und der Staat, weil aus einem Teil der Entlassenen Langzeitarbeitslose werden könnten, die sich deutlich schwerer tun würden, einen neuen Job zu finden.

Sonderregeln aus Coronakrise

In der Coronakrise hat das Instrument Kurzarbeit seine Wirksamkeit wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Der starke Einsatz von Kurzarbeit hat einen starken Rückgang der Beschäftigung und damit eine konjunkturelle Abwärtsspirale verhindert – und das nicht nur in Deutschland. Der schnelle und im Trend deutliche Rückgang in der Nutzung der Kurzarbeit seit Sommer 2020 belegt, dass für den überwiegenden Teil der Betriebe kein Verharren in Kurzarbeit zu beobachten war. Kurzarbeit ist für die allermeisten Betriebe kein Geschäftsmodell.

Ist dann alles gut bei der Kurzarbeit, so wie es ist? Nach der grundsätzlich positiven Einschätzung leiten wir über zum Ja, warum man die Kurzarbeitsregelungen ändern sollte. Dabei handelt es sich aber eher um ein Feinjustieren.

Mercedes-Benz würde wahrscheinlich gerade keine Kurzarbeit beantragen, wenn nicht noch Sonderregelungen gelten würden, die anlässlich der Coronakrise eingeführt wurden. Diese wurden teilweise verlängert aufgrund von Störungen der Lieferketten und aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und den damit verbundenen Erwartungen in Bezug auf Unsicherheiten und Schwierigkeiten für die deutsche Wirtschaft und den Ar­beitsmarkt.

Bis Ende Juni kann Kurzarbeit beispielsweise auch dann genutzt werden, wenn der Arbeitsausfall nur zehn Prozent der Beschäftigten betrifft. Normalerweise läge die Schwelle bei einem Drittel der Beschäftigten. So richtig diese erleichterten Regelungen zur Nutzung von Kurzarbeit in den vergangenen Jahren auch war: Jetzt ist es an der Zeit, die Sonderregelungen auslaufen zu lassen, wenn keine neue Krise hinzukommt oder sich die aktuelle Krise nicht deutlich verschärften sollte.

Für die nächste Krise besser gewappnet sein

Ein Blick in andere Länder zeigt, dass Unternehmen im Verlauf der Coronakrise stärker als in Deutschland an den Kosten der Kurzarbeit beteiligt wurden und dass vereinzelt auch direkte Anreize gesetzt werden können, beides um die Nutzung von Kurzarbeit in Phasen der wirtschaftlichen Erholung schneller zurückzufahren. In Italien wird das sogenannte Experience-Rating praktiziert: Unternehmen, die Kurzarbeit stärker nutzen, müssen später höhere Beiträge zur Finanzierung von Kurzarbeit leisten. In Spanien wurden finanzielle Anreize für Beschäftigte eingeführt, wenn diese einen Arbeitsplatzwechsel aus Kurzarbeitsbetrieben vollziehen. Das sind diskussionswürdige Ergänzungen der Kurzarbeitsregelungen, um ein mögliches Trittbrettfahren zu minimieren. Auch bei der Verknüpfung von Kurzarbeit und Weiterbildung sind uns andere Länder voraus. Die hiesigen Fördermöglichkeiten sind vielen Betrieben entweder gar nicht bekannt oder werden nicht selten als zu kompliziert und starr betrachtet.

So erfolgreich und wirkungsvoll der massenhafte Einsatz der Kurzarbeit mit in der Spitze bis zu sechs Millionen Kurzarbeitern in Deutschland war: er hat zu einem immens hohen Verwaltungsaufwand geführt. Bei der Bundesagentur für Arbeit mussten viele Beschäftigte für einen langen Zeitraum von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen werden. Die Hilfen wurden zwar sehr schnell ausgezahlt – die finale Abrechnung fand aber oft erst mit erheblicher Verzögerung statt. Das verursachte lange Unsicherheiten für die Betriebe bezüglich möglicher Rückforderungen durch die Arbeitsagenturen.

Wieder zeigt der Blick in andere Länder, dass es auch anders gehen kann. In Frankreich und Spanien wurde die Anwendung von Kurzarbeit in der Coronakrise durch die Feststellung höherer Gewalt („Force majeure“) administrativ erheblich erleichtert. Es wäre gut, künftig auch die deutschen Verwaltungsverfahren im Fall massenhaften Nutzung von Kurzarbeit aufgrund höherer Gewalt deutlich zu straffen. Ein erster Schritt in diese Richtung kam jetzt hierzulande recht spät: Für die noch anstehenden Abschlussprüfungen der Anträge auf Kurzarbeitergeld wurden seit Januar vereinfachte Verfahren eingeführt.

Für die nächste Krise sollten wir da besser gewappnet sein und jetzt in aller Ruhe Regeln für den massenhaften Einsatz von Kurzarbeit konzipieren, damit sie im Bedarfsfall schnell aktiviert werden können. Um Missbrauch zu vermeiden, ist der Einsatz eines solchen „Krisen-Kugs“ an Voraussetzungen zu knüpfen und zeitlich zu begrenzen. So hatte Spanien die Regelungen zur massenhaften Nutzung im Frühjahr 2020 alle 14 Tage überprüft und schon im Juni 2020 wieder beendet.

Bernd Fitzenberger ist Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Ulrich Walwei ist Vizedirektor des IAB.

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